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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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stehenden Kräften und Mitteln möglichst darauf hin, die so prekäre Herbstrevüe
vor dem "Alten" möglichst glänzend zu bestehen. Dabei wurde gewöhnlich
noch das nachgeholt, was im vorigen Herbste als mangelhaft gerügt worden
war. Die Exercirplätze wimmelten daher vom ersten bis zum letzten Sonnen¬
strahl von bunten Röcken und der gehetzte und geplagte Soldat kam nicht
zu Athem. Diesem kostete es dabei manchen Tropfen Schweiß und dem Vor¬
gesetzten manchen Fluch und -- Hieb, denn umsonst trug der Corpora! seinen
Stock richt an der Seite.

Dem König, dem größten Taktiker seiner Zeit, lag Alles daran, in das
große Ganze seiner Armee möglichste Gleichheit und Einheit zu bringen. Um
dieses auf dem kürzesten Wege zu erzielen, ließ er von bestimmten Regimentern
intelligente Offiziere nach Potsdam kommen, die den Uebungen der dortigen
Truppen, die als die geschultesten der Armee galten, gewöhnlich unter den
Augen des Königs, mit beiwohnen Mußten. Die Aufgabe dieser Comman-
dirten war: hier auf alle Theile der taktischen Ausbildung genau Acht zu
geben und bei ihrer Rückkehr zum Regiment den Commandeur wie auch die
andern Offiziere mit dem vertraut zu machen/ wie es auf der hohen Schule
zu Potsdam gehalten wurde.

Hier, als Instructor, war der gefürchtete König ein ganz Andrer als der
Inspector. So heftig und unnahbar er sich gewöhnlich als letzterer zeigte,
um so leutseliger und nachsichtiger benahm er sich bei den Frühjahrsübungen.
Galt es bei den Revüen streng zu prüfen, was Truppen und Führer in einer
gewissen Zeit gelernt hatten, was sie überhaupt nach seiner Meinung leisten
konnten, so wär hier die Aufgabe: nächst der zu erzielenden Einheit auch bis¬
herigen Mängeln abzuhelfen, neue Abänderungen zu prüfen und einzuführen
und die Offiziere mit dem Willen und den Anordnungen des Königs ver¬
trauter zu machen. Hier machte Friedrich meist selbst den Instructor, und nicht
selten führte er selbst sein erstes Bataillon Garde, das Elitecorps der ganzen
Armee, vor. und gab dabei in faßlichster Weise die nöthigsten Erklärungen.
Er gestattete dabei sogar den Offizieren ihre Ansichten offen auszusprechen,
oder Erläuterungen zu erbitten. Der "alte Fritz" war demnach im Frühjahr
ein ganz Anderer als im Herbst, und diejenigen Offiziere, die zu diesem Be¬
hufe nach Potsdam commandirt wurden, könnten es als eine besondere Be¬
günstigung ansehen, dort durch den größten Feldherrn des Jahrhunderts selbst
instruirt zu werden und zu hören und zu sehen, in welchem Geiste er hierbei
dachte und verfuhr. Diese Potsdamer Frühlingsübungen sind im größern
Publicum weniger bekannt, als jene Herbstrevüen, deshalb wollen wir sie
hier besonders in's Auge fassen, und einige Schilderungen von Zeitgenossen
über die dabei übliche Art und Weise anführen.

Wir ersehen solches am deutlichsten aus den nachfolgenden Berichten, die


stehenden Kräften und Mitteln möglichst darauf hin, die so prekäre Herbstrevüe
vor dem „Alten" möglichst glänzend zu bestehen. Dabei wurde gewöhnlich
noch das nachgeholt, was im vorigen Herbste als mangelhaft gerügt worden
war. Die Exercirplätze wimmelten daher vom ersten bis zum letzten Sonnen¬
strahl von bunten Röcken und der gehetzte und geplagte Soldat kam nicht
zu Athem. Diesem kostete es dabei manchen Tropfen Schweiß und dem Vor¬
gesetzten manchen Fluch und — Hieb, denn umsonst trug der Corpora! seinen
Stock richt an der Seite.

Dem König, dem größten Taktiker seiner Zeit, lag Alles daran, in das
große Ganze seiner Armee möglichste Gleichheit und Einheit zu bringen. Um
dieses auf dem kürzesten Wege zu erzielen, ließ er von bestimmten Regimentern
intelligente Offiziere nach Potsdam kommen, die den Uebungen der dortigen
Truppen, die als die geschultesten der Armee galten, gewöhnlich unter den
Augen des Königs, mit beiwohnen Mußten. Die Aufgabe dieser Comman-
dirten war: hier auf alle Theile der taktischen Ausbildung genau Acht zu
geben und bei ihrer Rückkehr zum Regiment den Commandeur wie auch die
andern Offiziere mit dem vertraut zu machen/ wie es auf der hohen Schule
zu Potsdam gehalten wurde.

Hier, als Instructor, war der gefürchtete König ein ganz Andrer als der
Inspector. So heftig und unnahbar er sich gewöhnlich als letzterer zeigte,
um so leutseliger und nachsichtiger benahm er sich bei den Frühjahrsübungen.
Galt es bei den Revüen streng zu prüfen, was Truppen und Führer in einer
gewissen Zeit gelernt hatten, was sie überhaupt nach seiner Meinung leisten
konnten, so wär hier die Aufgabe: nächst der zu erzielenden Einheit auch bis¬
herigen Mängeln abzuhelfen, neue Abänderungen zu prüfen und einzuführen
und die Offiziere mit dem Willen und den Anordnungen des Königs ver¬
trauter zu machen. Hier machte Friedrich meist selbst den Instructor, und nicht
selten führte er selbst sein erstes Bataillon Garde, das Elitecorps der ganzen
Armee, vor. und gab dabei in faßlichster Weise die nöthigsten Erklärungen.
Er gestattete dabei sogar den Offizieren ihre Ansichten offen auszusprechen,
oder Erläuterungen zu erbitten. Der „alte Fritz" war demnach im Frühjahr
ein ganz Anderer als im Herbst, und diejenigen Offiziere, die zu diesem Be¬
hufe nach Potsdam commandirt wurden, könnten es als eine besondere Be¬
günstigung ansehen, dort durch den größten Feldherrn des Jahrhunderts selbst
instruirt zu werden und zu hören und zu sehen, in welchem Geiste er hierbei
dachte und verfuhr. Diese Potsdamer Frühlingsübungen sind im größern
Publicum weniger bekannt, als jene Herbstrevüen, deshalb wollen wir sie
hier besonders in's Auge fassen, und einige Schilderungen von Zeitgenossen
über die dabei übliche Art und Weise anführen.

Wir ersehen solches am deutlichsten aus den nachfolgenden Berichten, die


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[0072] stehenden Kräften und Mitteln möglichst darauf hin, die so prekäre Herbstrevüe vor dem „Alten" möglichst glänzend zu bestehen. Dabei wurde gewöhnlich noch das nachgeholt, was im vorigen Herbste als mangelhaft gerügt worden war. Die Exercirplätze wimmelten daher vom ersten bis zum letzten Sonnen¬ strahl von bunten Röcken und der gehetzte und geplagte Soldat kam nicht zu Athem. Diesem kostete es dabei manchen Tropfen Schweiß und dem Vor¬ gesetzten manchen Fluch und — Hieb, denn umsonst trug der Corpora! seinen Stock richt an der Seite. Dem König, dem größten Taktiker seiner Zeit, lag Alles daran, in das große Ganze seiner Armee möglichste Gleichheit und Einheit zu bringen. Um dieses auf dem kürzesten Wege zu erzielen, ließ er von bestimmten Regimentern intelligente Offiziere nach Potsdam kommen, die den Uebungen der dortigen Truppen, die als die geschultesten der Armee galten, gewöhnlich unter den Augen des Königs, mit beiwohnen Mußten. Die Aufgabe dieser Comman- dirten war: hier auf alle Theile der taktischen Ausbildung genau Acht zu geben und bei ihrer Rückkehr zum Regiment den Commandeur wie auch die andern Offiziere mit dem vertraut zu machen/ wie es auf der hohen Schule zu Potsdam gehalten wurde. Hier, als Instructor, war der gefürchtete König ein ganz Andrer als der Inspector. So heftig und unnahbar er sich gewöhnlich als letzterer zeigte, um so leutseliger und nachsichtiger benahm er sich bei den Frühjahrsübungen. Galt es bei den Revüen streng zu prüfen, was Truppen und Führer in einer gewissen Zeit gelernt hatten, was sie überhaupt nach seiner Meinung leisten konnten, so wär hier die Aufgabe: nächst der zu erzielenden Einheit auch bis¬ herigen Mängeln abzuhelfen, neue Abänderungen zu prüfen und einzuführen und die Offiziere mit dem Willen und den Anordnungen des Königs ver¬ trauter zu machen. Hier machte Friedrich meist selbst den Instructor, und nicht selten führte er selbst sein erstes Bataillon Garde, das Elitecorps der ganzen Armee, vor. und gab dabei in faßlichster Weise die nöthigsten Erklärungen. Er gestattete dabei sogar den Offizieren ihre Ansichten offen auszusprechen, oder Erläuterungen zu erbitten. Der „alte Fritz" war demnach im Frühjahr ein ganz Anderer als im Herbst, und diejenigen Offiziere, die zu diesem Be¬ hufe nach Potsdam commandirt wurden, könnten es als eine besondere Be¬ günstigung ansehen, dort durch den größten Feldherrn des Jahrhunderts selbst instruirt zu werden und zu hören und zu sehen, in welchem Geiste er hierbei dachte und verfuhr. Diese Potsdamer Frühlingsübungen sind im größern Publicum weniger bekannt, als jene Herbstrevüen, deshalb wollen wir sie hier besonders in's Auge fassen, und einige Schilderungen von Zeitgenossen über die dabei übliche Art und Weise anführen. Wir ersehen solches am deutlichsten aus den nachfolgenden Berichten, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/72>, abgerufen am 23.07.2024.