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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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nahmsgesetzes für Tirol"*), und der feinfühlende Klerus wußte sich in den
Wandel der Zeit so gut zu schicken, daß er sich die Parole güb, fortan
..seine Wirksamkeit auf das Gebet zu beschränken". Man erzählt sogar, der
unerschütterliche Bischof von Brixen. der nach Brunn versetzt werden sollte,
habe sein Verbleiben auf seinem Posten dadurch erkauft, daß er die erbaulichen
Predigten und Wallfahrten einzustellen versprach.

Der Sturm hat sich nun gelegt, der blaue Himmel lacht wieder über un¬
seren Bergen. Damit wollen wir nicht sagen, daß der Dämon, der sich hier
eingenistet, nicht wieder, beim nächsten Landtag, einen Spuk versuchen wird,
wenngleich mit minderen Glück. Der Erzherzog hat ihn nicht bestellt, nicht
geleitet, aber die Schauspieler waren seines Beifalls, seines Schutzes gewiß,
darum wagten sie das Unglaubliche. Es war ein Zwischenspiel, denn im
Herzen des tiroler Volkes wurzelt kein fanatischer Haß. es hält treu an seinem
Glauben, mißgönnt aber darum Niemandem, Gott aus andere Weise zu dienen,
ihm auf tirolischer Erde Tempel und Altäre zu bauen, und wohnt, wenn man
es nur ruhig gewähren läßt, friedlich neben den Hütten derer, die gut und
ehrlich, wenn auch keine Katholiken sind. Den Sturm haben nur unsere
Pfaffen gemacht, und obwol ihre Herrschaft im Lande aus die Neige geht,
darf man sich doch nicht wundern, daß es im Volke, das sie Jahrhunderte
hindurch mit verbundenen Augen am Gängelbande führten, noch manche Tho¬
ren gibt, die blind ihren Worten glauben. Durch die diplomatische Glätte
der Entscheidung ist nun zwar ein Stillstand eingetreten, steht aber zu befürchten
haß auch er keine gutentzFrüchte trage. Dies zu verhindern, sollte die erste Sorge
des Staatsministers sein- Er weiß und anerkannte selbst in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses vom 5. September das Begründete des Vorwurfs, "daß
dieselben Organe jetzt noch fungiren, die unter dem veränderten Systeme be¬
rufen waren, die Geschäfte der Negierung zu besorgen." Zweifelsohne werden-
die Haßlwandter, Scheuchenstuel, Giovanelli und Andere auch künftig noch die
eifrigsten Hetzer sein, und wenn einer der geweihten Segensspender durch irgend
e,in böses Verhängnis vor ihre Schranken kommt, ihn wol dem geistlichen
Gericht überweisen.**) Leute, die das Gesetz verdrehen, sollen es aufrechthalten.
Parteigänger über die Schuld ihrer Genossen Recht sprechen. So lange diese
Ehrenmänner im Amte bleiben, ist nicht abzusehen, wie die öffentliche Ruhe
verbürgt, hie Aufgabe der Regierung gelöst, die Constitution. die ihnen ein
Gräuel, zur Wahrheit werden soll. Für die gehorsamen Schüler Loyola's be-




') Vom k. k, Oberlandesgerichtsrath v. Pcrthnler in Wien.
Nach einer Entscheidung des k, k, Obcrlandcsgcrichts zu Innsbruck vom 4. Februar 1861
darf nach Art. X. des Concoroats ein Geistlicher, der in Angelegenheiten seines Amtes eine
Unwahrheit bezeugte, nicht vor ein weltliches, sondern nur vor ein geistliches, Gericht gezogen
werden.

nahmsgesetzes für Tirol"*), und der feinfühlende Klerus wußte sich in den
Wandel der Zeit so gut zu schicken, daß er sich die Parole güb, fortan
..seine Wirksamkeit auf das Gebet zu beschränken". Man erzählt sogar, der
unerschütterliche Bischof von Brixen. der nach Brunn versetzt werden sollte,
habe sein Verbleiben auf seinem Posten dadurch erkauft, daß er die erbaulichen
Predigten und Wallfahrten einzustellen versprach.

Der Sturm hat sich nun gelegt, der blaue Himmel lacht wieder über un¬
seren Bergen. Damit wollen wir nicht sagen, daß der Dämon, der sich hier
eingenistet, nicht wieder, beim nächsten Landtag, einen Spuk versuchen wird,
wenngleich mit minderen Glück. Der Erzherzog hat ihn nicht bestellt, nicht
geleitet, aber die Schauspieler waren seines Beifalls, seines Schutzes gewiß,
darum wagten sie das Unglaubliche. Es war ein Zwischenspiel, denn im
Herzen des tiroler Volkes wurzelt kein fanatischer Haß. es hält treu an seinem
Glauben, mißgönnt aber darum Niemandem, Gott aus andere Weise zu dienen,
ihm auf tirolischer Erde Tempel und Altäre zu bauen, und wohnt, wenn man
es nur ruhig gewähren läßt, friedlich neben den Hütten derer, die gut und
ehrlich, wenn auch keine Katholiken sind. Den Sturm haben nur unsere
Pfaffen gemacht, und obwol ihre Herrschaft im Lande aus die Neige geht,
darf man sich doch nicht wundern, daß es im Volke, das sie Jahrhunderte
hindurch mit verbundenen Augen am Gängelbande führten, noch manche Tho¬
ren gibt, die blind ihren Worten glauben. Durch die diplomatische Glätte
der Entscheidung ist nun zwar ein Stillstand eingetreten, steht aber zu befürchten
haß auch er keine gutentzFrüchte trage. Dies zu verhindern, sollte die erste Sorge
des Staatsministers sein- Er weiß und anerkannte selbst in der Sitzung des
Abgeordnetenhauses vom 5. September das Begründete des Vorwurfs, „daß
dieselben Organe jetzt noch fungiren, die unter dem veränderten Systeme be¬
rufen waren, die Geschäfte der Negierung zu besorgen." Zweifelsohne werden-
die Haßlwandter, Scheuchenstuel, Giovanelli und Andere auch künftig noch die
eifrigsten Hetzer sein, und wenn einer der geweihten Segensspender durch irgend
e,in böses Verhängnis vor ihre Schranken kommt, ihn wol dem geistlichen
Gericht überweisen.**) Leute, die das Gesetz verdrehen, sollen es aufrechthalten.
Parteigänger über die Schuld ihrer Genossen Recht sprechen. So lange diese
Ehrenmänner im Amte bleiben, ist nicht abzusehen, wie die öffentliche Ruhe
verbürgt, hie Aufgabe der Regierung gelöst, die Constitution. die ihnen ein
Gräuel, zur Wahrheit werden soll. Für die gehorsamen Schüler Loyola's be-




') Vom k. k, Oberlandesgerichtsrath v. Pcrthnler in Wien.
Nach einer Entscheidung des k, k, Obcrlandcsgcrichts zu Innsbruck vom 4. Februar 1861
darf nach Art. X. des Concoroats ein Geistlicher, der in Angelegenheiten seines Amtes eine
Unwahrheit bezeugte, nicht vor ein weltliches, sondern nur vor ein geistliches, Gericht gezogen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/70>, abgerufen am 23.07.2024.