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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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gekämpft werden für die gerechte Sache." Wie der hochwürdige Klerus diese
Mahnung verstand, sollte sich bald an einem Beispiele zeigen.

Der Propst von Bozen, von dem wir schon oben gesprochen, geizte nach
dem Ruhme, ein eifriger Katholik und kluger Mann zu sein.' So hatte er
vor Jahren den Magistrat ersucht, ihm eine als Magazin benutzte Kirche,
worauf es die Dominikaner abgesehen hatten, zu überlassen, und als man ihm
diesfalls mißtraute, insgeheim dem Prior dieses Ordens nach Wien telegraphirt,
er möge seine Angelegenheit nur gleich vor den Kaiser bringen. Das Tele¬
gramm kam mit dem Majestätsgesuche dem Magistrat zur Aeußerung zu, und
der schlaue Zwischenträger war entlarvt. Im Jahre 1859 verlangte er einen
Theil der für die verwundeten östreichischen Krieger eingegangenen milden
Beiträge zu Seelenmessen, da es billig sei, sür das ewige Heil derer zu sorgen,
deren Körperliches nicht mehr gepflegt werden könne. In den Gemeindewahlen
erwies sich der wachsame Seelenhirte bei allen-Umtrieben thätig, und wollte
als Vertreter des städtischen Friedhofs sich selbst das Wahlrecht in einer fremden
Gemeinde, in deren Bezirk er gelegen war, anmaßen. Seine Wohnung glich
dem Feldherrnzelte im Kriege, von ihr aus liefen Adjutanten nach allen Rich¬
tungen, man belästigte die Wähler bis tief ni die Nacht, um sie für die "gute
Sache" zu gewinnen. Er schätzte kein Mittel für gering und verschmähte es
auch nicht, durch persönliches Erscheinen bei den Wahlen aus die Unentschiedenen
und Schüchternen einen leisen Druck zu üben. Bei der Stimmgebung für die
neue Gemeindevertretung war aber trotz aller Anstrengung nicht durchzudringen,
eine überwiegende Mehrheit erklärte sich für den Candidaten der liberalen
Partei, den Advocaten Dr. Streiter, und trotz der Bemühungen der beiden
Bischöfe und selbst des Erzherzogs erhielt der Gewählte die kaiserliche Bestä¬
tigung. Kleine Reibungen ließen nicht auf sich warten. So sträubte sich der
Propst beharrlich, dem Feldkaplan für das in Bozen siationirte Militär nicht
unirten griechischen Bekenntnisses eine Kirche zum sonntäglichen Gottesdienst
anzuweisen, was den neuen Bürgermeister bewog, ihm zu diesem Zwecke ein
Zimmer im Schulgebäude einzuräumen und den Schuldirektor, einen Exjesuiten,
zu zwingen, den Schlüssel dazu auszuhändigen. Als nun die Weisung des
Erzherzogs kam, die Agitationen gegen das kaiserliche Patent vom 8. April
hintanzuhalten, und sich diesfalls mit den kirchlichen Organen in's Einver¬
nehmen zu setzen, erließ der Bürgermeister ein Schreiben an den Propst mit
dem Auftrage, ihm binnen 3 Tagen über die Vorkehrungen Bericht zu erstatten,
"welche er einzuleiten verpflichtet sei, um die Bevölkerung über die Achtung
zu belehren, die sie dem Patent vom 8. April schuldig sei." Die Zuschrift
enthielt nebstbei eine Rüge, daß der Propst bisher den Absichten der Regierung
entgegenwirkt, die Predigten des fanatischen Kapuziners P. Josue Trois und
ähnliche Christenlehren des oben erwähnten Exjesuiten in seiner Kirche gedul-


gekämpft werden für die gerechte Sache." Wie der hochwürdige Klerus diese
Mahnung verstand, sollte sich bald an einem Beispiele zeigen.

Der Propst von Bozen, von dem wir schon oben gesprochen, geizte nach
dem Ruhme, ein eifriger Katholik und kluger Mann zu sein.' So hatte er
vor Jahren den Magistrat ersucht, ihm eine als Magazin benutzte Kirche,
worauf es die Dominikaner abgesehen hatten, zu überlassen, und als man ihm
diesfalls mißtraute, insgeheim dem Prior dieses Ordens nach Wien telegraphirt,
er möge seine Angelegenheit nur gleich vor den Kaiser bringen. Das Tele¬
gramm kam mit dem Majestätsgesuche dem Magistrat zur Aeußerung zu, und
der schlaue Zwischenträger war entlarvt. Im Jahre 1859 verlangte er einen
Theil der für die verwundeten östreichischen Krieger eingegangenen milden
Beiträge zu Seelenmessen, da es billig sei, sür das ewige Heil derer zu sorgen,
deren Körperliches nicht mehr gepflegt werden könne. In den Gemeindewahlen
erwies sich der wachsame Seelenhirte bei allen-Umtrieben thätig, und wollte
als Vertreter des städtischen Friedhofs sich selbst das Wahlrecht in einer fremden
Gemeinde, in deren Bezirk er gelegen war, anmaßen. Seine Wohnung glich
dem Feldherrnzelte im Kriege, von ihr aus liefen Adjutanten nach allen Rich¬
tungen, man belästigte die Wähler bis tief ni die Nacht, um sie für die „gute
Sache" zu gewinnen. Er schätzte kein Mittel für gering und verschmähte es
auch nicht, durch persönliches Erscheinen bei den Wahlen aus die Unentschiedenen
und Schüchternen einen leisen Druck zu üben. Bei der Stimmgebung für die
neue Gemeindevertretung war aber trotz aller Anstrengung nicht durchzudringen,
eine überwiegende Mehrheit erklärte sich für den Candidaten der liberalen
Partei, den Advocaten Dr. Streiter, und trotz der Bemühungen der beiden
Bischöfe und selbst des Erzherzogs erhielt der Gewählte die kaiserliche Bestä¬
tigung. Kleine Reibungen ließen nicht auf sich warten. So sträubte sich der
Propst beharrlich, dem Feldkaplan für das in Bozen siationirte Militär nicht
unirten griechischen Bekenntnisses eine Kirche zum sonntäglichen Gottesdienst
anzuweisen, was den neuen Bürgermeister bewog, ihm zu diesem Zwecke ein
Zimmer im Schulgebäude einzuräumen und den Schuldirektor, einen Exjesuiten,
zu zwingen, den Schlüssel dazu auszuhändigen. Als nun die Weisung des
Erzherzogs kam, die Agitationen gegen das kaiserliche Patent vom 8. April
hintanzuhalten, und sich diesfalls mit den kirchlichen Organen in's Einver¬
nehmen zu setzen, erließ der Bürgermeister ein Schreiben an den Propst mit
dem Auftrage, ihm binnen 3 Tagen über die Vorkehrungen Bericht zu erstatten,
„welche er einzuleiten verpflichtet sei, um die Bevölkerung über die Achtung
zu belehren, die sie dem Patent vom 8. April schuldig sei." Die Zuschrift
enthielt nebstbei eine Rüge, daß der Propst bisher den Absichten der Regierung
entgegenwirkt, die Predigten des fanatischen Kapuziners P. Josue Trois und
ähnliche Christenlehren des oben erwähnten Exjesuiten in seiner Kirche gedul-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/68>, abgerufen am 29.12.2024.