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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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tirolischen Gesinnung steht, Jncriminatiouen gegen ihre Landsleute enthält und
das Ministerium zu entscheidenden Schritten gegen ihre Heimath auffordert."
Beiden wird eine unmännliche Verleugnung ihrer auf dem tiroler Landtag
ausgesprochenen Gesinnung vorgeworfen.

Dagegen erhielten die gutgesinnten Abgeordneten Dr. Fischer. Kerer,
Sartori und von Riccabona eine Belobung ihres Muths und ihrer männ¬
lich-charakterfester Gesinnung. Den Redactionen der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung und der Presse endlich wurde die tiefste Verletzung und
Kränkung ausgesprochen über die falschen Beurtheilungen und den Hohn, die
dem tiroler Volk in mehreren ihrer Korrespondenzen widerfahren, und beide
ersucht, "diese Ehrenkränkung'.' in ihr Blatt aufzunehmen. Es mag lange ge¬
dauert haben, bis alle diese Actensiücke von so vielen Bauern unterzeichnet
waren, denn nach der Versicherung derer, welche ihre Unterschriften einsahen,
war die sauere Mühe ihrer Zustcmdebnngung nicht zu verkennen gewesen.
Die Rechtschreibung Vieler erstreckte sich nicht einmal auf den Beisatz der El
genschaft, die sie sich beilegten, manche schienen sich an ihren Namen mit einer
Keilschrift abgemüht zu haben. Solche Vertreter also und keine anderen
vermochte der tiroler Klerus für die Wünsche seines Herzens auszubringen!
Still und unbeachtet kehrten sie in ihre Heunath wieder.

Von den beiden Abgeordneten "n Reichsrath beantwortete jeder das
Mißtrauensvotum abgesondert, Dr. Psretzschner mit dem treffenden Vorwurf,
daß die muthvollen Unterzeichner nur "von Anderen vorgeschobene und geführte
Marionetten" seien, und "nichts Besseres thun konnten, als hinter ihren Pflug
und in ihre Werkstätten, von wo man sie gerufen, zurückkehren", Baron v. In¬
gram aber, schon vom Kremsierer Reichstag her als ein "Crösus an Amende-
ments" bekannt, mit der Versicherung, daß er zwar festhalte an seiner Erklä¬
rung beim Landtage über das Wünschenswerihe der Glaubenseinheit, sich aber
dennoch sein selbständiges Urtheil in dieser Frage bis auf bessere Zeiten vor¬
behalte und still in seiner Brust bewahre.

Mittlerweile erhob der Siegelbewahrer der katholischen Glaubenseinheit
auf dem Bischofsstühle zu Treue, der wol aus Wien neuere Winke hatte,
als sein klösterlicher Amtsgenosse in Brixen und sie diesem von Zeit zu Zeit
mittheilte, von Neuem die Stimme, und befahl in einem Pastoralschreiben
vom ö. Juli all' seinen verehrten Brüdern "ihre Predigten sollen nichts ent¬
halten, was politische Gegenstände berührt, keine Bitterkeit und Persönlichkeit,
was Alles der guten Sache, anstatt zu nützen, nur zum größten Schaden ge¬
reicht", forderte sie aber gleichwol auf, die'Irrthümer der Akatholiken mit
Gründlichkeit und steter Nutzanwendung zu widerlegen, und erklärte nach einem
Ausfall auf die "von der Revolution besoldeten oder getäuschten Zeitungen":
"die Waffen sollen nicht weggeworfen, vielmehr muß tapfer und gesetzmäßig


Grenjbotm IV. 1361. 8

tirolischen Gesinnung steht, Jncriminatiouen gegen ihre Landsleute enthält und
das Ministerium zu entscheidenden Schritten gegen ihre Heimath auffordert."
Beiden wird eine unmännliche Verleugnung ihrer auf dem tiroler Landtag
ausgesprochenen Gesinnung vorgeworfen.

Dagegen erhielten die gutgesinnten Abgeordneten Dr. Fischer. Kerer,
Sartori und von Riccabona eine Belobung ihres Muths und ihrer männ¬
lich-charakterfester Gesinnung. Den Redactionen der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung und der Presse endlich wurde die tiefste Verletzung und
Kränkung ausgesprochen über die falschen Beurtheilungen und den Hohn, die
dem tiroler Volk in mehreren ihrer Korrespondenzen widerfahren, und beide
ersucht, „diese Ehrenkränkung'.' in ihr Blatt aufzunehmen. Es mag lange ge¬
dauert haben, bis alle diese Actensiücke von so vielen Bauern unterzeichnet
waren, denn nach der Versicherung derer, welche ihre Unterschriften einsahen,
war die sauere Mühe ihrer Zustcmdebnngung nicht zu verkennen gewesen.
Die Rechtschreibung Vieler erstreckte sich nicht einmal auf den Beisatz der El
genschaft, die sie sich beilegten, manche schienen sich an ihren Namen mit einer
Keilschrift abgemüht zu haben. Solche Vertreter also und keine anderen
vermochte der tiroler Klerus für die Wünsche seines Herzens auszubringen!
Still und unbeachtet kehrten sie in ihre Heunath wieder.

Von den beiden Abgeordneten »n Reichsrath beantwortete jeder das
Mißtrauensvotum abgesondert, Dr. Psretzschner mit dem treffenden Vorwurf,
daß die muthvollen Unterzeichner nur „von Anderen vorgeschobene und geführte
Marionetten" seien, und „nichts Besseres thun konnten, als hinter ihren Pflug
und in ihre Werkstätten, von wo man sie gerufen, zurückkehren", Baron v. In¬
gram aber, schon vom Kremsierer Reichstag her als ein „Crösus an Amende-
ments" bekannt, mit der Versicherung, daß er zwar festhalte an seiner Erklä¬
rung beim Landtage über das Wünschenswerihe der Glaubenseinheit, sich aber
dennoch sein selbständiges Urtheil in dieser Frage bis auf bessere Zeiten vor¬
behalte und still in seiner Brust bewahre.

Mittlerweile erhob der Siegelbewahrer der katholischen Glaubenseinheit
auf dem Bischofsstühle zu Treue, der wol aus Wien neuere Winke hatte,
als sein klösterlicher Amtsgenosse in Brixen und sie diesem von Zeit zu Zeit
mittheilte, von Neuem die Stimme, und befahl in einem Pastoralschreiben
vom ö. Juli all' seinen verehrten Brüdern „ihre Predigten sollen nichts ent¬
halten, was politische Gegenstände berührt, keine Bitterkeit und Persönlichkeit,
was Alles der guten Sache, anstatt zu nützen, nur zum größten Schaden ge¬
reicht", forderte sie aber gleichwol auf, die'Irrthümer der Akatholiken mit
Gründlichkeit und steter Nutzanwendung zu widerlegen, und erklärte nach einem
Ausfall auf die „von der Revolution besoldeten oder getäuschten Zeitungen":
„die Waffen sollen nicht weggeworfen, vielmehr muß tapfer und gesetzmäßig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/67>, abgerufen am 25.08.2024.