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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Im Lande selbst bereitete der Klerus mittlerweile auf Antrieb und Wei¬
sung des katholischen Vereins in Innsbruck neue Petitionen. Adressen und
selbst eine Deputation an den Kaiser vor. Die Verbündeten und Spione in
Wien hatten Kunde erhalten von der Entscheidung, die im Werke war und
von der bekannten frommen Hospartei hintertrieben werden wollte. Die laute
Summe der deutschen Bevölkerung Tirols, namentlich der bäuerlichen, sollte
dem Gewaltstreich mit unabweislicher Kraft entgegentreten, eine ansehnliche
Anzahl Bauern, man nannte deren über 100, dem Kaiser selbst ihren festen
Entschluß, von ihrem Begehren nicht abzulassen, in unverhüllter Erregung be¬
theuern, ja noch mehr ahnen lassen, als man aus Ehrfurcht vor der Maje¬
stät auszusprechen wagte. Daß diese Erleuchtung aus dein sürstbischöflichen
Eabinele zu Brixen kam, las sich am Rande, der Borstand des katholischen
Bereins. I. Greuter. war ja die Drahtpuppe des Vincenz Gaffer. Auch der
Abgeordnete Dr. Ftscher in Wien bestellte durch seinen Getreuen, den Advo-
caten Dr. Eathrein in Imst, 60 Bauern aus dem Oberinnthal, von deren
Auszug im Eostüm man eine entsprechende Wirkung erwartete. Bon den Adressen
aber sollte eine an den Kaiser um Aushebung des freimaurerischen Patents
vom 8. April, eine zweite an den Papst um Androhung des Bannfluchs für
den Kalt der tai>ert>a)en Ablehnung, endlich eine dritte an den Schutzpatron
des in stille Betrübniß versunkenen Klerus, den Erzherzog-Statthalter, um Für¬
sprache und Beistand beim Kaiser gerichtet werden. Erzherzog Karl Ludwig
war durch seine Freunde von Allem geuau unterrichtet, es schien aber nicht
mehr im Vortheil seiner Stellung zu liegen, die Wogen der Agitation noch
höher zu schwellen und ihren Gischt bis an die Stufen des Kaiserthrones zu
spülen, am allerwenigsten mochte er in dieser Zeit als Sprecher der Abge¬
ordneten aus den tiroler Alpen auftreten. Versucht hatte er es allerdings, dem
Kaiser dies Schauspiel zu bieten, die Antwort lautete aber nicht günstig.
Dies drängte ihn, seinen lieben Freunden, den Bischöfen, einen Wink zuge¬
ben, sie möchten vorerst von Adressen und Deputationen ablassen. Im glei¬
chen Sinne erging an alle Bezirksämter Tirols am 17. Juni folgendes
Schreiben:

"Ich habe aus zuverlässiger Quelle ur Erfahrung gebracht, daß in meh¬
reren Beznken Tirols nur Umgehung der Behörden Unterschriften in den Ge¬
meinden für eine Petition zur Erhaltung der Glaubenseinheit gesammelt, und
die Absendung einer zahlreichen Deputation nach Wien zur Ueberreichung der¬
selben an Se. k. k. apostolische Majestät beabsichtigt werde. Dieses Unter¬
nehmen soll (?) vorzugsweise von der Geistlichkeit ausgehen, und so viel thun¬
lich im Geheimen betrieben werden. Da Se. Majestät der Kaiser die Ab¬
sendung einer solchen Deputation nicht zu genehmigen geruht haben, so er¬
theile ich dem k. k. Bezirksamte den Auftrag, den Vorbereitungen und Adressen-


Im Lande selbst bereitete der Klerus mittlerweile auf Antrieb und Wei¬
sung des katholischen Vereins in Innsbruck neue Petitionen. Adressen und
selbst eine Deputation an den Kaiser vor. Die Verbündeten und Spione in
Wien hatten Kunde erhalten von der Entscheidung, die im Werke war und
von der bekannten frommen Hospartei hintertrieben werden wollte. Die laute
Summe der deutschen Bevölkerung Tirols, namentlich der bäuerlichen, sollte
dem Gewaltstreich mit unabweislicher Kraft entgegentreten, eine ansehnliche
Anzahl Bauern, man nannte deren über 100, dem Kaiser selbst ihren festen
Entschluß, von ihrem Begehren nicht abzulassen, in unverhüllter Erregung be¬
theuern, ja noch mehr ahnen lassen, als man aus Ehrfurcht vor der Maje¬
stät auszusprechen wagte. Daß diese Erleuchtung aus dein sürstbischöflichen
Eabinele zu Brixen kam, las sich am Rande, der Borstand des katholischen
Bereins. I. Greuter. war ja die Drahtpuppe des Vincenz Gaffer. Auch der
Abgeordnete Dr. Ftscher in Wien bestellte durch seinen Getreuen, den Advo-
caten Dr. Eathrein in Imst, 60 Bauern aus dem Oberinnthal, von deren
Auszug im Eostüm man eine entsprechende Wirkung erwartete. Bon den Adressen
aber sollte eine an den Kaiser um Aushebung des freimaurerischen Patents
vom 8. April, eine zweite an den Papst um Androhung des Bannfluchs für
den Kalt der tai>ert>a)en Ablehnung, endlich eine dritte an den Schutzpatron
des in stille Betrübniß versunkenen Klerus, den Erzherzog-Statthalter, um Für¬
sprache und Beistand beim Kaiser gerichtet werden. Erzherzog Karl Ludwig
war durch seine Freunde von Allem geuau unterrichtet, es schien aber nicht
mehr im Vortheil seiner Stellung zu liegen, die Wogen der Agitation noch
höher zu schwellen und ihren Gischt bis an die Stufen des Kaiserthrones zu
spülen, am allerwenigsten mochte er in dieser Zeit als Sprecher der Abge¬
ordneten aus den tiroler Alpen auftreten. Versucht hatte er es allerdings, dem
Kaiser dies Schauspiel zu bieten, die Antwort lautete aber nicht günstig.
Dies drängte ihn, seinen lieben Freunden, den Bischöfen, einen Wink zuge¬
ben, sie möchten vorerst von Adressen und Deputationen ablassen. Im glei¬
chen Sinne erging an alle Bezirksämter Tirols am 17. Juni folgendes
Schreiben:

„Ich habe aus zuverlässiger Quelle ur Erfahrung gebracht, daß in meh¬
reren Beznken Tirols nur Umgehung der Behörden Unterschriften in den Ge¬
meinden für eine Petition zur Erhaltung der Glaubenseinheit gesammelt, und
die Absendung einer zahlreichen Deputation nach Wien zur Ueberreichung der¬
selben an Se. k. k. apostolische Majestät beabsichtigt werde. Dieses Unter¬
nehmen soll (?) vorzugsweise von der Geistlichkeit ausgehen, und so viel thun¬
lich im Geheimen betrieben werden. Da Se. Majestät der Kaiser die Ab¬
sendung einer solchen Deputation nicht zu genehmigen geruht haben, so er¬
theile ich dem k. k. Bezirksamte den Auftrag, den Vorbereitungen und Adressen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/58>, abgerufen am 23.07.2024.