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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Fischer endlich, der im Jahre 1848 Protestanten wie Juden an sein liberales
Herz schloß, nur genöthigt von Stadion den Statthalterposten in Oberöstreich
annahm, sobald er den Unrath der Reaction witterte, sich mit Bach zerschlug,
dennoch aber, wie wir durch das Büchlein "Aus meinem Amtslcben" erfahren,
eine stille Sympathie sür die Machtstellung und die Freiheiten der orthodoxen
Kirche in tiefer Brust verborgen trug. Es hatte ihn sehr verdrossen, seine al¬
ten Tage unbemerkt, einsam, ja herabgesunken von der einstigen schwindeln¬
den Höhe vertrauern zu sollen. Da bot er denn schlicht und gerade, wie er
immer war, der Kirche, die reuige Sünder mit Freude aufnimmt, die Hand
zum nimmer zu lösenden Bunde, er bot sie auch dem Schutzherrn der histo¬
risch-politischen Nationalitäten, dem Minister der Zukunft, dem Grafen Clam-
Martiniz an, und soll, wenn wir recht unterrichtet sind, des Portefeuilles des
Innern so gut wie versichert sein. Dr. Fischer brach auch gleich bei der
Adrcßdcbatte vom 11. Mai für die Ausbildung und Vervollständigung der
Landcevertretungen seine erste Lanze, später vernahm man ihn unsres Wissens
nur am 25. Juni wieder, als er die Tiroler wegen ihres tiefen Gemüths-
lebens gegen fanatischen Mord und Todtschlag in Schutz nahm, siedet aber
eigentlich eine Ehrenrettung des Klerus im Auge hatte, der, wie er ver¬
sicherte, weder die Revolution im Jahre 1849 noch die letzten Wühlereien
angestiftet. Die bayerische Regierung und die östreichische wissen dies frei¬
lich besser. Von den andern fünf Vertretern Tirols, die auf der Linken
Platz nahmen, ist wenig zu berichten. Nach ihrer Abstimmung beim Land¬
tagsbeschlusse 'des denkwürdigen 17. Aprils würde ihr Freimut!) anderswo
kaum in die Wage fallen. Nur Dr. Pfrctzschner. der blondbärtige stämmige
Germane, ließ sich jetzt, von seiner Umgebung gehoben, mit dem Muthe der
Entschiedenheit vernehmen.

Dem Staatsminister Schmerling konnte die Anregung der zarten tiroler
Frage im Reichsrath nur willkommen sein. Erzherzog Karl Ludwig und die
Camarilla waren unermüdlich in ihren Vorbilder für das treue Volk, das die
Freiheit und alles Glück, das ihm die Welt geben kann, nur in der Neinbe¬
wahrung des Glaubens seiner Väter sucht. Auch die beiden Bischöfe hatten
versucht, dem Minister das Gewicht ihrer Gründe fühlen zu lassen, er hatte
ihnen aber mit so seiner Ironie geantwortet, daß sie still und beschämt seine
Schwelle verließen.

Endlich mußte man aber doch zum Entschlüsse kommen, es drängte dazu
die fortgesetzte Wühlerei in den Bergen, deren Duldung als Schwäche oder
Nachgibigkeit gelten konnte, noch mehr die Ehre, das Festhalten am Prin¬
cip, die Einhaltung der feierlichst verkündeten Zusagen. Leider sprach man
sich nicht so klar aus, als wünschenswert!) gewesen. Die Bitte des Landtags
an den Kaiser wegen Untersuchung der öffentlichen Religionsübung, Gemeinde-


Fischer endlich, der im Jahre 1848 Protestanten wie Juden an sein liberales
Herz schloß, nur genöthigt von Stadion den Statthalterposten in Oberöstreich
annahm, sobald er den Unrath der Reaction witterte, sich mit Bach zerschlug,
dennoch aber, wie wir durch das Büchlein „Aus meinem Amtslcben" erfahren,
eine stille Sympathie sür die Machtstellung und die Freiheiten der orthodoxen
Kirche in tiefer Brust verborgen trug. Es hatte ihn sehr verdrossen, seine al¬
ten Tage unbemerkt, einsam, ja herabgesunken von der einstigen schwindeln¬
den Höhe vertrauern zu sollen. Da bot er denn schlicht und gerade, wie er
immer war, der Kirche, die reuige Sünder mit Freude aufnimmt, die Hand
zum nimmer zu lösenden Bunde, er bot sie auch dem Schutzherrn der histo¬
risch-politischen Nationalitäten, dem Minister der Zukunft, dem Grafen Clam-
Martiniz an, und soll, wenn wir recht unterrichtet sind, des Portefeuilles des
Innern so gut wie versichert sein. Dr. Fischer brach auch gleich bei der
Adrcßdcbatte vom 11. Mai für die Ausbildung und Vervollständigung der
Landcevertretungen seine erste Lanze, später vernahm man ihn unsres Wissens
nur am 25. Juni wieder, als er die Tiroler wegen ihres tiefen Gemüths-
lebens gegen fanatischen Mord und Todtschlag in Schutz nahm, siedet aber
eigentlich eine Ehrenrettung des Klerus im Auge hatte, der, wie er ver¬
sicherte, weder die Revolution im Jahre 1849 noch die letzten Wühlereien
angestiftet. Die bayerische Regierung und die östreichische wissen dies frei¬
lich besser. Von den andern fünf Vertretern Tirols, die auf der Linken
Platz nahmen, ist wenig zu berichten. Nach ihrer Abstimmung beim Land¬
tagsbeschlusse 'des denkwürdigen 17. Aprils würde ihr Freimut!) anderswo
kaum in die Wage fallen. Nur Dr. Pfrctzschner. der blondbärtige stämmige
Germane, ließ sich jetzt, von seiner Umgebung gehoben, mit dem Muthe der
Entschiedenheit vernehmen.

Dem Staatsminister Schmerling konnte die Anregung der zarten tiroler
Frage im Reichsrath nur willkommen sein. Erzherzog Karl Ludwig und die
Camarilla waren unermüdlich in ihren Vorbilder für das treue Volk, das die
Freiheit und alles Glück, das ihm die Welt geben kann, nur in der Neinbe¬
wahrung des Glaubens seiner Väter sucht. Auch die beiden Bischöfe hatten
versucht, dem Minister das Gewicht ihrer Gründe fühlen zu lassen, er hatte
ihnen aber mit so seiner Ironie geantwortet, daß sie still und beschämt seine
Schwelle verließen.

Endlich mußte man aber doch zum Entschlüsse kommen, es drängte dazu
die fortgesetzte Wühlerei in den Bergen, deren Duldung als Schwäche oder
Nachgibigkeit gelten konnte, noch mehr die Ehre, das Festhalten am Prin¬
cip, die Einhaltung der feierlichst verkündeten Zusagen. Leider sprach man
sich nicht so klar aus, als wünschenswert!) gewesen. Die Bitte des Landtags
an den Kaiser wegen Untersuchung der öffentlichen Religionsübung, Gemeinde-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/56>, abgerufen am 23.07.2024.