Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.Welcker mußten 1833 ihr Lehramt in Freiburg niederlegen und in den Ruhe¬ Welcker mußten 1833 ihr Lehramt in Freiburg niederlegen und in den Ruhe¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113022"/> <p xml:id="ID_1618" prev="#ID_1617" next="#ID_1619"> Welcker mußten 1833 ihr Lehramt in Freiburg niederlegen und in den Ruhe¬<lb/> stand treten. Die Machthaber hatten einen Streich geführt, der mit zehn¬<lb/> facher Wucht auf sie zurückfiel. Denn die beiden gelehrten Vorkämpfer des<lb/> Rechtsstaats und der bürgerlichen Freiheit blieben in der Kammer, gewannen<lb/> aber außerdem Muße, das Staatslexikon herauszugeben, welches schon dem<lb/> Namen der Herausgeber eine große Verbreitung im Süden, besonders auch<lb/> in Oestreich, verdankte. Nach Rottecks frühzeitigem Tode setzte Welcker allein<lb/> das große Werk fort, welches zehn Jahre hindurch, bis 1843, das Metternich'sche<lb/> System, die Karlsbader Beschlüsse und ihre lieblichen Früchte nachdrücklich be¬<lb/> kämpfte. Nach Beendigung der ersten Auflage brachte Welcker die „Wichtigen<lb/> Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation", darin die bis dahin<lb/> geheimen Karlsbader Protokolle und die Wiener Conferenzbeschlüsse von<lb/> 1834. Die Wirkung dieser Enthüllungen war eine mächtige und trug wesent¬<lb/> lich dazu bei. gegen die Bewegung der vierziger Jahre das System in die<lb/> Defensive zu treiben, welcher es 1848 erlag, um sich später »och einmal zu<lb/> erheben, aber ohne Schwung und Lebenskraft dahinsiechend. Welcker hatte<lb/> das Vergnügen, als badischer Gesandter die letzten Augenblicke des Bundes¬<lb/> tags mit zu erleben. Seine beiden Feinde, Censur und Bundestag, waren<lb/> ihm geraubt, und es entstand die Frage , was nun? Welcker scheint längere<lb/> Zeit eine bestimmte Antwort auf diese Frage nicht gefunden, und zwischen<lb/> dem geliebten Oestreich, das nichts sagte, und dem geschätzten Preußen, das<lb/> nichts that, hin und her geschwankt zu haben. Bei der Oberhauptsfrage war<lb/> er anfänglich für den Turnus: Oestreich und Preußen sollten abwechselnd das<lb/> Regiment über Deutschland führen. Als die Kremsierer Verfassung erschien-<lb/> erblickte Welker darin eine förmliche Lossagung Oestreichs von Preußen und<lb/> wollte nun ein preußisches Oberhaupt, Sein Antrag kam unvorbereitet und<lb/> wurde abgelehnt. Oestreich aber erklärte, man habe es mißverstanden.<lb/> Zum Glücke wurde Welcker von dem Reichsverweser zu diplomatischen<lb/> Missionen nach Stockholm und Wien verwendet, und dem unerquicklichen<lb/> Zustande in Frankfurt zeitweise entrückt. Die Wiedereinsetzung des Bun¬<lb/> destags gab ihm seinen Feind wieder und was seither vorging, hat seine<lb/> deutsche Politik geklärt und festgestellt. In der vorliegenden Schrift beweist<lb/> Welcker denen, die es noch nicht wissen, daß Oestreich sich von dem er¬<lb/> strebten deutschen staatsrechtlichen Bundesverein unwiderruflich losgesagt hat.<lb/> und daß nun eine solche staatsrechtliche, schützende und einigende Ver¬<lb/> bindung für uns übrige Deutsche vollends ganz unentbehrlich und dringend<lb/> geworden ist. Er gesteht, über jene Absonderung der Deutsch-Oestreicher von<lb/> unserm deutschen Bundesstaat selbst von Schmerz tief durchdrungen und von<lb/> Bedenken gegen dieselbe erfüllt gewesen zu sein — so lange ihre rechtliche<lb/> Unvermeidlichkeit nicht absolut klar war. Jetzt aber billige er die entschiedene</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
Welcker mußten 1833 ihr Lehramt in Freiburg niederlegen und in den Ruhe¬
stand treten. Die Machthaber hatten einen Streich geführt, der mit zehn¬
facher Wucht auf sie zurückfiel. Denn die beiden gelehrten Vorkämpfer des
Rechtsstaats und der bürgerlichen Freiheit blieben in der Kammer, gewannen
aber außerdem Muße, das Staatslexikon herauszugeben, welches schon dem
Namen der Herausgeber eine große Verbreitung im Süden, besonders auch
in Oestreich, verdankte. Nach Rottecks frühzeitigem Tode setzte Welcker allein
das große Werk fort, welches zehn Jahre hindurch, bis 1843, das Metternich'sche
System, die Karlsbader Beschlüsse und ihre lieblichen Früchte nachdrücklich be¬
kämpfte. Nach Beendigung der ersten Auflage brachte Welcker die „Wichtigen
Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation", darin die bis dahin
geheimen Karlsbader Protokolle und die Wiener Conferenzbeschlüsse von
1834. Die Wirkung dieser Enthüllungen war eine mächtige und trug wesent¬
lich dazu bei. gegen die Bewegung der vierziger Jahre das System in die
Defensive zu treiben, welcher es 1848 erlag, um sich später »och einmal zu
erheben, aber ohne Schwung und Lebenskraft dahinsiechend. Welcker hatte
das Vergnügen, als badischer Gesandter die letzten Augenblicke des Bundes¬
tags mit zu erleben. Seine beiden Feinde, Censur und Bundestag, waren
ihm geraubt, und es entstand die Frage , was nun? Welcker scheint längere
Zeit eine bestimmte Antwort auf diese Frage nicht gefunden, und zwischen
dem geliebten Oestreich, das nichts sagte, und dem geschätzten Preußen, das
nichts that, hin und her geschwankt zu haben. Bei der Oberhauptsfrage war
er anfänglich für den Turnus: Oestreich und Preußen sollten abwechselnd das
Regiment über Deutschland führen. Als die Kremsierer Verfassung erschien-
erblickte Welker darin eine förmliche Lossagung Oestreichs von Preußen und
wollte nun ein preußisches Oberhaupt, Sein Antrag kam unvorbereitet und
wurde abgelehnt. Oestreich aber erklärte, man habe es mißverstanden.
Zum Glücke wurde Welcker von dem Reichsverweser zu diplomatischen
Missionen nach Stockholm und Wien verwendet, und dem unerquicklichen
Zustande in Frankfurt zeitweise entrückt. Die Wiedereinsetzung des Bun¬
destags gab ihm seinen Feind wieder und was seither vorging, hat seine
deutsche Politik geklärt und festgestellt. In der vorliegenden Schrift beweist
Welcker denen, die es noch nicht wissen, daß Oestreich sich von dem er¬
strebten deutschen staatsrechtlichen Bundesverein unwiderruflich losgesagt hat.
und daß nun eine solche staatsrechtliche, schützende und einigende Ver¬
bindung für uns übrige Deutsche vollends ganz unentbehrlich und dringend
geworden ist. Er gesteht, über jene Absonderung der Deutsch-Oestreicher von
unserm deutschen Bundesstaat selbst von Schmerz tief durchdrungen und von
Bedenken gegen dieselbe erfüllt gewesen zu sein — so lange ihre rechtliche
Unvermeidlichkeit nicht absolut klar war. Jetzt aber billige er die entschiedene
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |