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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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stoß für einen vereinzelten Streit einiger der Unsrigen mit den feindlichen
Reitern, die. wie wir sehen konnten, uns gefolgt waren. Sofort wurde ich
eines schlimmeren belehrt. Denn es sprengte eine Rotte würtembergischer
Dragoner über den Seitengrnben des Weges auf unseren Zug. der einer der
letzten war, mit den, Ausruf ein: nehmt Pardon! Gleichzeitig kam unser Ritt¬
meister v. Asckenbach von der Töte herangaloppirt und rief, indem er absaß,
unserem Zuge zu: Abgesessen in des Königs Namen!

Ich weiß nicht zu sagen, was mich in dem Augenblicke mehr empörte,
der Augriff der Würtenberger oder der Angstruf des Rittmeisters. Aber mich
erfaßte ein nicht zu bezähmender Ingrimm. Mit den Worten: das thut ein
H --t wie Sie! spornte ich mein träges Roß gegen die Angreifer, in
der frivolen Hoffnung, mich durchzuschlagen. Mit meinem Ukräncr wäre es
mir wol gelungen, denn dessen Anprall konnte kein deutsches Pferd wider¬
stehen und die Dunkelheit sowie des Pferdes Schnelligkeit würde mich der
Verfolgung entzogen haben.

Mein Rappe ließ mich aber gänzlich im Stich. Einige feindliche Säbel¬
hiebe um den Köpf verblüfften ihn so, daß ich ihn nicht von der Stelle vor¬
wärts bringen konnte; dazu kam, daß ein Säbelhieb mir die linke Hand im
Gelenk schwer verletzte; ich wurde nun von den Kameraden, die inzwischen
abgesessen waren und sich ergeben hatten, abgedrängt. Im Kampfe der Ver¬
zweiflung, meine Linke abgehauen wähnend, wehrte ich mich meiner Haut,
aber den Rücken vermochte ich nicht zu decken, diesen bearbeiteten die Dragoner
in einer Weise, von welcher der zersetzte Mantel ein Zeugniß ablegte, welches
mehr zum Beleg ihrer Schlagfertigkeit diente, als daß es für kunstmäßiges
Fechten sprach. Nur wenige Hiebe und Stiche hatten den Leib getroffen, desto
mehrere den Mantel. Ein mitleidiger Dragoner machte endlich dem "Hacken"
ein Ende, indem er mich durch einen Hieb auf den Hinterkopf und einen
Stich durch das rechte Schulterblatt vom Pferde zu Boden streckte. So endete
ein vollkommen zweckloser Widerstand, der sich aus der den, wahrhaft Tapfern
inwohnenden Todesverachtung, die im Leben eines Besiegten keinen Reiz erkennt,
weniger erklären läßt, als vielmehr durch den Grimm, der einen mit großer
Körperstärke ausgestatteten Jüngling packte, als er den plötzlichen Angriff gleich¬
sam für eine persönliche Beleidigung, das unglückliche Commandowort "ab¬
gesessen!" sür eine Ehrlosigkeit nahm.

Ich weiß nicht, wie lange ich in bewußtloser Betäubung gelegen habe,
doch kann es nicht sehr lange gewesen sein. denn, wieder zu mir kommend und
mich aufrichtend nahm ich in der Dunkelheit, die inzwischen eingebrochen war,
verlassene Pferde wahr. Aus Wunden blutend, deren Zahl und Beschaffenheit
ich nicht kannte, und durch den Blutverlust geschwächt, hielt ich mein Lebens-
nde nahe. Dennoch konnte ich mich einer kindischen Freude nicht erwehren,


stoß für einen vereinzelten Streit einiger der Unsrigen mit den feindlichen
Reitern, die. wie wir sehen konnten, uns gefolgt waren. Sofort wurde ich
eines schlimmeren belehrt. Denn es sprengte eine Rotte würtembergischer
Dragoner über den Seitengrnben des Weges auf unseren Zug. der einer der
letzten war, mit den, Ausruf ein: nehmt Pardon! Gleichzeitig kam unser Ritt¬
meister v. Asckenbach von der Töte herangaloppirt und rief, indem er absaß,
unserem Zuge zu: Abgesessen in des Königs Namen!

Ich weiß nicht zu sagen, was mich in dem Augenblicke mehr empörte,
der Augriff der Würtenberger oder der Angstruf des Rittmeisters. Aber mich
erfaßte ein nicht zu bezähmender Ingrimm. Mit den Worten: das thut ein
H —t wie Sie! spornte ich mein träges Roß gegen die Angreifer, in
der frivolen Hoffnung, mich durchzuschlagen. Mit meinem Ukräncr wäre es
mir wol gelungen, denn dessen Anprall konnte kein deutsches Pferd wider¬
stehen und die Dunkelheit sowie des Pferdes Schnelligkeit würde mich der
Verfolgung entzogen haben.

Mein Rappe ließ mich aber gänzlich im Stich. Einige feindliche Säbel¬
hiebe um den Köpf verblüfften ihn so, daß ich ihn nicht von der Stelle vor¬
wärts bringen konnte; dazu kam, daß ein Säbelhieb mir die linke Hand im
Gelenk schwer verletzte; ich wurde nun von den Kameraden, die inzwischen
abgesessen waren und sich ergeben hatten, abgedrängt. Im Kampfe der Ver¬
zweiflung, meine Linke abgehauen wähnend, wehrte ich mich meiner Haut,
aber den Rücken vermochte ich nicht zu decken, diesen bearbeiteten die Dragoner
in einer Weise, von welcher der zersetzte Mantel ein Zeugniß ablegte, welches
mehr zum Beleg ihrer Schlagfertigkeit diente, als daß es für kunstmäßiges
Fechten sprach. Nur wenige Hiebe und Stiche hatten den Leib getroffen, desto
mehrere den Mantel. Ein mitleidiger Dragoner machte endlich dem „Hacken"
ein Ende, indem er mich durch einen Hieb auf den Hinterkopf und einen
Stich durch das rechte Schulterblatt vom Pferde zu Boden streckte. So endete
ein vollkommen zweckloser Widerstand, der sich aus der den, wahrhaft Tapfern
inwohnenden Todesverachtung, die im Leben eines Besiegten keinen Reiz erkennt,
weniger erklären läßt, als vielmehr durch den Grimm, der einen mit großer
Körperstärke ausgestatteten Jüngling packte, als er den plötzlichen Angriff gleich¬
sam für eine persönliche Beleidigung, das unglückliche Commandowort „ab¬
gesessen!" sür eine Ehrlosigkeit nahm.

Ich weiß nicht, wie lange ich in bewußtloser Betäubung gelegen habe,
doch kann es nicht sehr lange gewesen sein. denn, wieder zu mir kommend und
mich aufrichtend nahm ich in der Dunkelheit, die inzwischen eingebrochen war,
verlassene Pferde wahr. Aus Wunden blutend, deren Zahl und Beschaffenheit
ich nicht kannte, und durch den Blutverlust geschwächt, hielt ich mein Lebens-
nde nahe. Dennoch konnte ich mich einer kindischen Freude nicht erwehren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/505>, abgerufen am 23.07.2024.