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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Truppentheile gegen unsere Stellung von Weißenfels her vorzurücken schienen.
Um diese Zeit war es, als der Major Lützow den Rittmeister v. Kropf mit
einem Trompeter als Parlamentär absendete, um nähere Aufklärung über
Absicht und Zweck der feindlichen Bewegungen zu erhalten. Die Antwort war:
die Division Fournier unter Oberbefehl des Herzogs von Padua, Marschalls
Arrighi, habe Ordre uns auf unserem Marsche an die Demarcationslinie zu
folgen und zu beobachten. Feindliches werde nicht beabsichtigt.

Wahrscheinlich argwohnte Lützow, als v> Kropf die Botschaft brachte, daß
der Feind Arges gegen uns im Schilde führe. War solches der Fall, warum
verschaffte er sich nicht auf der Stelle Gewißheit und suchte durch einen kühnen
Angriff die bald folgende Katastrophe abzuwenden? Freilich würden wir bei
der überlegenen Zahl der Feinde einen großen Verlust erlitte" haben, allein
das Corps würde nicht verachtet worden sein und würde durch eine glänzende
Waffenthat seine militärische Ehre haben wahren können. Die ebene Fläche
vor uns, die Frische unserer durch lange Märsche nicht ermüdeten Leute und
Pferde, der Umstand/ daß der Feind eben eist in der Auf- und Umstellung
begriffen war, Alles versprach einen günstigen Erfolg für den Angriff, wenn
er unvermuthet und wohlgeordnet ausgeführt werden konnte. Lützow zog es
vor, sich und die Seinigen gebunden dein Feinde'zu überliefern. Bevor wir
auf der Straße von Leipzig abschwenkten, wurde anbefohlen, daß wir bei
einem etwaigen Zusammentreffen mit dem uns folgenden Feinde uns jeder
feindseligen Handlung zu enthalten hätten, im Falle gegnerischerseits Necke¬
reien vorfallen möchten, sollten wir bei unseren Offizieren um Genugthuung
nachsuchen, aber sie unter keiner Bedingung erwiedern. Der zweiten Schwadron
wurde die Ehre der Nachhut zu Theil, weil Lützow voraussetzen durfte, daß
die gebildeten jungen Leute' dieser Schwadron, weniger empfindlich sein und
etwaiger Ungebühr mit Gleichmuth begegnen würden.

Beim Abmarsch stimmten wir ein Kriegslied an. das mir wie Ironie
erklang und mich mit Mißmuth erfüllte. Wohl keiner der Unsrigen war ohne
Sorge und voll Bangen ob dessen, das da kommen würde; es lag etwas
Unheilschwangercs in der Luft, obschon es ein heiterer Sommertag gewesen war.

In Voraussicht eines Nachtmarsches hatte ich meinen verkürzten Neustüdter
Mantel umgethan; meine Kopfbedeckung bestand in einer rothwollenen Mütze.
-- Mein Czako war schon vor vierzehn Tagen durch meinen wilden Ukräner zer¬
treten worden. -- Mütze wie Mantel wurden Verderber und Retter.

Gegen 9 Uhr Abends kam die Spitze unserer Schwadron, -- Kosaken
und Uhlanen bildeten die Vorhut, dann folgten die beiden andern Schwadronen,
die zweite schloß den Zug -- im Dorfe Klein-Schkorlop an. Um diese Stunde
der Dämmerung hörte ich einen Schuß, den ich für einen Kanonenschuß hielt,
gleich darauf Waffengeklirr. Im ersten Augenblicke nahm ich den Zusammen-


Truppentheile gegen unsere Stellung von Weißenfels her vorzurücken schienen.
Um diese Zeit war es, als der Major Lützow den Rittmeister v. Kropf mit
einem Trompeter als Parlamentär absendete, um nähere Aufklärung über
Absicht und Zweck der feindlichen Bewegungen zu erhalten. Die Antwort war:
die Division Fournier unter Oberbefehl des Herzogs von Padua, Marschalls
Arrighi, habe Ordre uns auf unserem Marsche an die Demarcationslinie zu
folgen und zu beobachten. Feindliches werde nicht beabsichtigt.

Wahrscheinlich argwohnte Lützow, als v> Kropf die Botschaft brachte, daß
der Feind Arges gegen uns im Schilde führe. War solches der Fall, warum
verschaffte er sich nicht auf der Stelle Gewißheit und suchte durch einen kühnen
Angriff die bald folgende Katastrophe abzuwenden? Freilich würden wir bei
der überlegenen Zahl der Feinde einen großen Verlust erlitte» haben, allein
das Corps würde nicht verachtet worden sein und würde durch eine glänzende
Waffenthat seine militärische Ehre haben wahren können. Die ebene Fläche
vor uns, die Frische unserer durch lange Märsche nicht ermüdeten Leute und
Pferde, der Umstand/ daß der Feind eben eist in der Auf- und Umstellung
begriffen war, Alles versprach einen günstigen Erfolg für den Angriff, wenn
er unvermuthet und wohlgeordnet ausgeführt werden konnte. Lützow zog es
vor, sich und die Seinigen gebunden dein Feinde'zu überliefern. Bevor wir
auf der Straße von Leipzig abschwenkten, wurde anbefohlen, daß wir bei
einem etwaigen Zusammentreffen mit dem uns folgenden Feinde uns jeder
feindseligen Handlung zu enthalten hätten, im Falle gegnerischerseits Necke¬
reien vorfallen möchten, sollten wir bei unseren Offizieren um Genugthuung
nachsuchen, aber sie unter keiner Bedingung erwiedern. Der zweiten Schwadron
wurde die Ehre der Nachhut zu Theil, weil Lützow voraussetzen durfte, daß
die gebildeten jungen Leute' dieser Schwadron, weniger empfindlich sein und
etwaiger Ungebühr mit Gleichmuth begegnen würden.

Beim Abmarsch stimmten wir ein Kriegslied an. das mir wie Ironie
erklang und mich mit Mißmuth erfüllte. Wohl keiner der Unsrigen war ohne
Sorge und voll Bangen ob dessen, das da kommen würde; es lag etwas
Unheilschwangercs in der Luft, obschon es ein heiterer Sommertag gewesen war.

In Voraussicht eines Nachtmarsches hatte ich meinen verkürzten Neustüdter
Mantel umgethan; meine Kopfbedeckung bestand in einer rothwollenen Mütze.
— Mein Czako war schon vor vierzehn Tagen durch meinen wilden Ukräner zer¬
treten worden. — Mütze wie Mantel wurden Verderber und Retter.

Gegen 9 Uhr Abends kam die Spitze unserer Schwadron, — Kosaken
und Uhlanen bildeten die Vorhut, dann folgten die beiden andern Schwadronen,
die zweite schloß den Zug — im Dorfe Klein-Schkorlop an. Um diese Stunde
der Dämmerung hörte ich einen Schuß, den ich für einen Kanonenschuß hielt,
gleich darauf Waffengeklirr. Im ersten Augenblicke nahm ich den Zusammen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/504>, abgerufen am 23.07.2024.