Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Am 6. Juni rückten wir in Plauen im Voigtlande ein und hatten hier,
wenn mir recht ist. den ersten Rasttag seit unserem Abmarsch von Stendal.
Während dieses Zeitraums hatten wir die Pferde nie ab-, nur umsatteln
dürfen, und doch hatten die vier Schwadronen nur verhältnißmäßig sehr
wenige gedrückte Pferde, ein Umstand, der unter Berücksichtigung der häufigen
Nachtmärsche gewiß günstig für die Behandlung spricht, welche die Reiter ihren
Pferden angedeihen ließen.

Es scheint, als habe Lützow von Plauen aus bedeutendere Unternehmun¬
gen vorbereiten und endlich dem Corps diejenige Theilnahme an kriegerischen
Ereignissen gönnen wollen, nach welchen wir uns so sehnten.

Während der bedeutendere Theil des Corps nach Adorf. ohnweit der
böhmischen Grenze aufbrach, wurde Rittmeister v. Kropf mit etwa sechzig
Pferden nach Hof detachirt.

Ich befand mich unter der letztgenannten Schaar. Was bezweckt wurde,
ist mir unklar; vielleicht war es nur auf eine Recognoscirung abgesehen, denn
Hof war von baierischer Infanterie besetzt, und ein Ueberfall konnte unserer¬
seits nicht beabsichtigt sein, da wir durch unser Plänkeln vor und in den
Borstädten, wo wir eunge'Gensdarmen aushoben, die Besatzung in der Stadt
alarmirt hatten.

Für mich war dies Plänkeln das erste Kriegsspiel, bei dem ich mitwirken
durfte. Mit einem der Kosaken, die unserer Schaar zugetheilt waren, zog'ich
zum Recognosciren >n der nach Böhmen zu gelegenen Vorstadt umher. Zu der
Kriegserfahrung meines graubärtigen Begleiters, eines schon älteren decorirten
Mannes, hatte ich unbedingtes Vertrauen, da in seiner Haltung Muth und Ent¬
schlossenheit sich ausprägten. Beides wohnte ihm jedenfalls in größerem Maaße
bei als Umsicht und Klugheit, wie ich bald mich zu überzeugen Gelegenheit hatte.
Kaum waren wir Beide nämlich dem von baierischen Schützen besetzten Stadt¬
thore näher gekommen,, als diese mit einem lebhaften Feuer die mit Bäumen
besetzte Heerstraße bestreben.

Um mich dem Feuer nicht unnöthig auszusetzen, hielt ich mich auf dem
Fußpfade, durch die Banmreihe gedeckt. Mein Kricgsgefährte schien dies als
Furchtsamkeit auszulegen, oder er wollte dem neunzehnjährigen Adepten der
Kriegskunst ein eindringliches Beispiel von Todesverachtung geben, oder aber
er beurtheilte die Schußweite unrichtig. Genug er ritt nicht nur in die Mitte
der Heerstraße, also recht eigentlich in die Schußlinie hinein, sondern machte
auch von Zeit zu Zeit gegen das Thor Front und schwenkte höhnend und
herausfordernd seine Lanze gegen die Feinde. Auf meine abmahnenden und
bittenden Geberden achtete er nicht. ritt vielmehr in der Schußlinie in größter
Gelassenheit eine und schien offenbar meiner Furcht zu spotten. Der Spaß
dauerte indessen für ihn nicht lange, denn unter vielen Fehlschüssen traf ihn


62*

Am 6. Juni rückten wir in Plauen im Voigtlande ein und hatten hier,
wenn mir recht ist. den ersten Rasttag seit unserem Abmarsch von Stendal.
Während dieses Zeitraums hatten wir die Pferde nie ab-, nur umsatteln
dürfen, und doch hatten die vier Schwadronen nur verhältnißmäßig sehr
wenige gedrückte Pferde, ein Umstand, der unter Berücksichtigung der häufigen
Nachtmärsche gewiß günstig für die Behandlung spricht, welche die Reiter ihren
Pferden angedeihen ließen.

Es scheint, als habe Lützow von Plauen aus bedeutendere Unternehmun¬
gen vorbereiten und endlich dem Corps diejenige Theilnahme an kriegerischen
Ereignissen gönnen wollen, nach welchen wir uns so sehnten.

Während der bedeutendere Theil des Corps nach Adorf. ohnweit der
böhmischen Grenze aufbrach, wurde Rittmeister v. Kropf mit etwa sechzig
Pferden nach Hof detachirt.

Ich befand mich unter der letztgenannten Schaar. Was bezweckt wurde,
ist mir unklar; vielleicht war es nur auf eine Recognoscirung abgesehen, denn
Hof war von baierischer Infanterie besetzt, und ein Ueberfall konnte unserer¬
seits nicht beabsichtigt sein, da wir durch unser Plänkeln vor und in den
Borstädten, wo wir eunge'Gensdarmen aushoben, die Besatzung in der Stadt
alarmirt hatten.

Für mich war dies Plänkeln das erste Kriegsspiel, bei dem ich mitwirken
durfte. Mit einem der Kosaken, die unserer Schaar zugetheilt waren, zog'ich
zum Recognosciren >n der nach Böhmen zu gelegenen Vorstadt umher. Zu der
Kriegserfahrung meines graubärtigen Begleiters, eines schon älteren decorirten
Mannes, hatte ich unbedingtes Vertrauen, da in seiner Haltung Muth und Ent¬
schlossenheit sich ausprägten. Beides wohnte ihm jedenfalls in größerem Maaße
bei als Umsicht und Klugheit, wie ich bald mich zu überzeugen Gelegenheit hatte.
Kaum waren wir Beide nämlich dem von baierischen Schützen besetzten Stadt¬
thore näher gekommen,, als diese mit einem lebhaften Feuer die mit Bäumen
besetzte Heerstraße bestreben.

Um mich dem Feuer nicht unnöthig auszusetzen, hielt ich mich auf dem
Fußpfade, durch die Banmreihe gedeckt. Mein Kricgsgefährte schien dies als
Furchtsamkeit auszulegen, oder er wollte dem neunzehnjährigen Adepten der
Kriegskunst ein eindringliches Beispiel von Todesverachtung geben, oder aber
er beurtheilte die Schußweite unrichtig. Genug er ritt nicht nur in die Mitte
der Heerstraße, also recht eigentlich in die Schußlinie hinein, sondern machte
auch von Zeit zu Zeit gegen das Thor Front und schwenkte höhnend und
herausfordernd seine Lanze gegen die Feinde. Auf meine abmahnenden und
bittenden Geberden achtete er nicht. ritt vielmehr in der Schußlinie in größter
Gelassenheit eine und schien offenbar meiner Furcht zu spotten. Der Spaß
dauerte indessen für ihn nicht lange, denn unter vielen Fehlschüssen traf ihn


62*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113009"/>
          <p xml:id="ID_1564"> Am 6. Juni rückten wir in Plauen im Voigtlande ein und hatten hier,<lb/>
wenn mir recht ist. den ersten Rasttag seit unserem Abmarsch von Stendal.<lb/>
Während dieses Zeitraums hatten wir die Pferde nie ab-, nur umsatteln<lb/>
dürfen, und doch hatten die vier Schwadronen nur verhältnißmäßig sehr<lb/>
wenige gedrückte Pferde, ein Umstand, der unter Berücksichtigung der häufigen<lb/>
Nachtmärsche gewiß günstig für die Behandlung spricht, welche die Reiter ihren<lb/>
Pferden angedeihen ließen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1565"> Es scheint, als habe Lützow von Plauen aus bedeutendere Unternehmun¬<lb/>
gen vorbereiten und endlich dem Corps diejenige Theilnahme an kriegerischen<lb/>
Ereignissen gönnen wollen, nach welchen wir uns so sehnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1566"> Während der bedeutendere Theil des Corps nach Adorf. ohnweit der<lb/>
böhmischen Grenze aufbrach, wurde Rittmeister v. Kropf mit etwa sechzig<lb/>
Pferden nach Hof detachirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1567"> Ich befand mich unter der letztgenannten Schaar. Was bezweckt wurde,<lb/>
ist mir unklar; vielleicht war es nur auf eine Recognoscirung abgesehen, denn<lb/>
Hof war von baierischer Infanterie besetzt, und ein Ueberfall konnte unserer¬<lb/>
seits nicht beabsichtigt sein, da wir durch unser Plänkeln vor und in den<lb/>
Borstädten, wo wir eunge'Gensdarmen aushoben, die Besatzung in der Stadt<lb/>
alarmirt hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1568"> Für mich war dies Plänkeln das erste Kriegsspiel, bei dem ich mitwirken<lb/>
durfte. Mit einem der Kosaken, die unserer Schaar zugetheilt waren, zog'ich<lb/>
zum Recognosciren &gt;n der nach Böhmen zu gelegenen Vorstadt umher. Zu der<lb/>
Kriegserfahrung meines graubärtigen Begleiters, eines schon älteren decorirten<lb/>
Mannes, hatte ich unbedingtes Vertrauen, da in seiner Haltung Muth und Ent¬<lb/>
schlossenheit sich ausprägten. Beides wohnte ihm jedenfalls in größerem Maaße<lb/>
bei als Umsicht und Klugheit, wie ich bald mich zu überzeugen Gelegenheit hatte.<lb/>
Kaum waren wir Beide nämlich dem von baierischen Schützen besetzten Stadt¬<lb/>
thore näher gekommen,, als diese mit einem lebhaften Feuer die mit Bäumen<lb/>
besetzte Heerstraße bestreben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1569" next="#ID_1570"> Um mich dem Feuer nicht unnöthig auszusetzen, hielt ich mich auf dem<lb/>
Fußpfade, durch die Banmreihe gedeckt. Mein Kricgsgefährte schien dies als<lb/>
Furchtsamkeit auszulegen, oder er wollte dem neunzehnjährigen Adepten der<lb/>
Kriegskunst ein eindringliches Beispiel von Todesverachtung geben, oder aber<lb/>
er beurtheilte die Schußweite unrichtig. Genug er ritt nicht nur in die Mitte<lb/>
der Heerstraße, also recht eigentlich in die Schußlinie hinein, sondern machte<lb/>
auch von Zeit zu Zeit gegen das Thor Front und schwenkte höhnend und<lb/>
herausfordernd seine Lanze gegen die Feinde. Auf meine abmahnenden und<lb/>
bittenden Geberden achtete er nicht. ritt vielmehr in der Schußlinie in größter<lb/>
Gelassenheit eine und schien offenbar meiner Furcht zu spotten. Der Spaß<lb/>
dauerte indessen für ihn nicht lange, denn unter vielen Fehlschüssen traf ihn</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 62*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] Am 6. Juni rückten wir in Plauen im Voigtlande ein und hatten hier, wenn mir recht ist. den ersten Rasttag seit unserem Abmarsch von Stendal. Während dieses Zeitraums hatten wir die Pferde nie ab-, nur umsatteln dürfen, und doch hatten die vier Schwadronen nur verhältnißmäßig sehr wenige gedrückte Pferde, ein Umstand, der unter Berücksichtigung der häufigen Nachtmärsche gewiß günstig für die Behandlung spricht, welche die Reiter ihren Pferden angedeihen ließen. Es scheint, als habe Lützow von Plauen aus bedeutendere Unternehmun¬ gen vorbereiten und endlich dem Corps diejenige Theilnahme an kriegerischen Ereignissen gönnen wollen, nach welchen wir uns so sehnten. Während der bedeutendere Theil des Corps nach Adorf. ohnweit der böhmischen Grenze aufbrach, wurde Rittmeister v. Kropf mit etwa sechzig Pferden nach Hof detachirt. Ich befand mich unter der letztgenannten Schaar. Was bezweckt wurde, ist mir unklar; vielleicht war es nur auf eine Recognoscirung abgesehen, denn Hof war von baierischer Infanterie besetzt, und ein Ueberfall konnte unserer¬ seits nicht beabsichtigt sein, da wir durch unser Plänkeln vor und in den Borstädten, wo wir eunge'Gensdarmen aushoben, die Besatzung in der Stadt alarmirt hatten. Für mich war dies Plänkeln das erste Kriegsspiel, bei dem ich mitwirken durfte. Mit einem der Kosaken, die unserer Schaar zugetheilt waren, zog'ich zum Recognosciren >n der nach Böhmen zu gelegenen Vorstadt umher. Zu der Kriegserfahrung meines graubärtigen Begleiters, eines schon älteren decorirten Mannes, hatte ich unbedingtes Vertrauen, da in seiner Haltung Muth und Ent¬ schlossenheit sich ausprägten. Beides wohnte ihm jedenfalls in größerem Maaße bei als Umsicht und Klugheit, wie ich bald mich zu überzeugen Gelegenheit hatte. Kaum waren wir Beide nämlich dem von baierischen Schützen besetzten Stadt¬ thore näher gekommen,, als diese mit einem lebhaften Feuer die mit Bäumen besetzte Heerstraße bestreben. Um mich dem Feuer nicht unnöthig auszusetzen, hielt ich mich auf dem Fußpfade, durch die Banmreihe gedeckt. Mein Kricgsgefährte schien dies als Furchtsamkeit auszulegen, oder er wollte dem neunzehnjährigen Adepten der Kriegskunst ein eindringliches Beispiel von Todesverachtung geben, oder aber er beurtheilte die Schußweite unrichtig. Genug er ritt nicht nur in die Mitte der Heerstraße, also recht eigentlich in die Schußlinie hinein, sondern machte auch von Zeit zu Zeit gegen das Thor Front und schwenkte höhnend und herausfordernd seine Lanze gegen die Feinde. Auf meine abmahnenden und bittenden Geberden achtete er nicht. ritt vielmehr in der Schußlinie in größter Gelassenheit eine und schien offenbar meiner Furcht zu spotten. Der Spaß dauerte indessen für ihn nicht lange, denn unter vielen Fehlschüssen traf ihn 62*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/501>, abgerufen am 23.07.2024.