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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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waren nicht lange geritten, als ich auf eine sumpfige Stelle aufmerksam machte,
über welche der Fußpfad hinführte und die nur bedenklich schien, v. Thiimmel
sprengte mit den Worten vor: "mein Fuchs kommt schon durch". Sein Fuchs aber,
ein kleine wohlgenährte FuäMute, hatte kaum einige Schritte gemacht, als
sie auch schon bis an den Bauch im Sumpfe steckte und unfähig war, ein
Glied zu regen, so daß ihr Reiter kaum Zeit hatte sich auf trocknes Gebiet
zu retten. Mein Uüäner war inzwischen so unruhig geworden, daß ich ihn
nicht mehr zügeln konnte -- es war seine üble Gewohnheit, kein Pferd sich
vorkommen zu lassen, wenn gekräht oder galoppirt wurde, so daß der Rittmeister
v. Aschenbach, als er mich dem Major v. Lützow in Leipzig vorstellte, mit Rück¬
sicht aufmein Pferd sagte: Dafür stehe ich, daß er ins Car>6e, nicht aber daß er wie¬
der heraus kommt! Ich hielt es daher für das Beste, ihm Vertrauen zu zeigen, gab
ihm die Sporen und feste mit ihm neben v. Thümmels Fuchs durch den
Sumpf. Allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. ' Wir
kamen zwar beide jenseits der sumpfigen Stelle an, ich jedoch als Sand- oder
vielmehr Nasenreiter. Denn bei der ungeheuern Anstrengung, die das Pferd
machte, um dem Versinken zu entgehen, namentlich bei dem letzten Sprung auf's
Trockene rissen alle Sattelgurte, der Sattel hing unter dem Bauch des
Pferdes, und ich fiel wie trocknes Laub zu Boden, während mein Ukrciner das
Weite suchte. Drei Meilen von der verhängnißvollen Stelle, im Standquartier
der Neumarkschen Dragoner wurde das Pferd von diesen erst wieder einge¬
fangen und der Schwadron zugeführt.

v. Thümmels Fuchs wurde mit Hebebäumen aus dem Sumpfe gelüftet,
der dritte Kamerad hatte zur rechten Zeit sich nach Hülfe umsehen tonnen.

Mir wurde wegen wagehalsigen Reitens Arrest angekündigt; ich habe
ihn aber nie zu verbüßen Gelegenheit gehabt.

Von Havelberg ging das Corps der Sandau über die Elbe in die Alt-
Mark. Von erfolgreichen Unternehmungen auf westfälischen Gebiete weiß
ich Nichts zu berichten, als daß hin und wieder in königlichen Stutereien
einige Pferde weggenommen wurden. Bei keiner dieser Expeditionen war ich
beteiligt und hatte dies zu bedauern.

In Stendal wurde ich nämlich als Ordonnanz mit einer Depesche an
den Führer eines unserer Detachements, das in der Gegend von Wolmirstedt
zu finden sein sollte, betraut; ich wurde zur Vorsicht ermahnt, weil feindliche
Truppen der Besatzung von Magdeburg umherstreifen sollten. Mich ersah man
wegen der Schnelligkeit und Ausdauer meines Pferdes zur Ausrichtung des
Auftrages; indessen konnte ich denselben nicht ausrichten, weil meilenweit um
Wolmirstedt weder Detachement noch Führer zu finden war. Unrichtige In¬
formation verleitete mich bis an die Barriöre der Festung Magdeburg zu
reiten, wo ich vernahm, daß nur wenig Truppen in der Festung seien. Die


Grenzboten IV. 1L61, . 62

waren nicht lange geritten, als ich auf eine sumpfige Stelle aufmerksam machte,
über welche der Fußpfad hinführte und die nur bedenklich schien, v. Thiimmel
sprengte mit den Worten vor: „mein Fuchs kommt schon durch". Sein Fuchs aber,
ein kleine wohlgenährte FuäMute, hatte kaum einige Schritte gemacht, als
sie auch schon bis an den Bauch im Sumpfe steckte und unfähig war, ein
Glied zu regen, so daß ihr Reiter kaum Zeit hatte sich auf trocknes Gebiet
zu retten. Mein Uüäner war inzwischen so unruhig geworden, daß ich ihn
nicht mehr zügeln konnte — es war seine üble Gewohnheit, kein Pferd sich
vorkommen zu lassen, wenn gekräht oder galoppirt wurde, so daß der Rittmeister
v. Aschenbach, als er mich dem Major v. Lützow in Leipzig vorstellte, mit Rück¬
sicht aufmein Pferd sagte: Dafür stehe ich, daß er ins Car>6e, nicht aber daß er wie¬
der heraus kommt! Ich hielt es daher für das Beste, ihm Vertrauen zu zeigen, gab
ihm die Sporen und feste mit ihm neben v. Thümmels Fuchs durch den
Sumpf. Allein ich hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. ' Wir
kamen zwar beide jenseits der sumpfigen Stelle an, ich jedoch als Sand- oder
vielmehr Nasenreiter. Denn bei der ungeheuern Anstrengung, die das Pferd
machte, um dem Versinken zu entgehen, namentlich bei dem letzten Sprung auf's
Trockene rissen alle Sattelgurte, der Sattel hing unter dem Bauch des
Pferdes, und ich fiel wie trocknes Laub zu Boden, während mein Ukrciner das
Weite suchte. Drei Meilen von der verhängnißvollen Stelle, im Standquartier
der Neumarkschen Dragoner wurde das Pferd von diesen erst wieder einge¬
fangen und der Schwadron zugeführt.

v. Thümmels Fuchs wurde mit Hebebäumen aus dem Sumpfe gelüftet,
der dritte Kamerad hatte zur rechten Zeit sich nach Hülfe umsehen tonnen.

Mir wurde wegen wagehalsigen Reitens Arrest angekündigt; ich habe
ihn aber nie zu verbüßen Gelegenheit gehabt.

Von Havelberg ging das Corps der Sandau über die Elbe in die Alt-
Mark. Von erfolgreichen Unternehmungen auf westfälischen Gebiete weiß
ich Nichts zu berichten, als daß hin und wieder in königlichen Stutereien
einige Pferde weggenommen wurden. Bei keiner dieser Expeditionen war ich
beteiligt und hatte dies zu bedauern.

In Stendal wurde ich nämlich als Ordonnanz mit einer Depesche an
den Führer eines unserer Detachements, das in der Gegend von Wolmirstedt
zu finden sein sollte, betraut; ich wurde zur Vorsicht ermahnt, weil feindliche
Truppen der Besatzung von Magdeburg umherstreifen sollten. Mich ersah man
wegen der Schnelligkeit und Ausdauer meines Pferdes zur Ausrichtung des
Auftrages; indessen konnte ich denselben nicht ausrichten, weil meilenweit um
Wolmirstedt weder Detachement noch Führer zu finden war. Unrichtige In¬
formation verleitete mich bis an die Barriöre der Festung Magdeburg zu
reiten, wo ich vernahm, daß nur wenig Truppen in der Festung seien. Die


Grenzboten IV. 1L61, . 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/499>, abgerufen am 23.07.2024.