Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.sam werden alle Abfälle, namentlich die Gräten aufgehoben. Trifft sichs. Wir sehen deutlich, daß dieser Weihnachtsschmaus mit seinem Zubehör Grenzboten IV. 1L61. 57
sam werden alle Abfälle, namentlich die Gräten aufgehoben. Trifft sichs. Wir sehen deutlich, daß dieser Weihnachtsschmaus mit seinem Zubehör Grenzboten IV. 1L61. 57
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112967"/> <p xml:id="ID_1405" prev="#ID_1404"> sam werden alle Abfälle, namentlich die Gräten aufgehoben. Trifft sichs.<lb/> daß während der Mahlzeit der Dorfhirt bei seinem Weihnachtsumgang vor<lb/> dem Fenster erscheint und, nachdem er mit der Peitsche geknallt, den herkömm¬<lb/> lichen Vers vo» der Krippe mit dem Jesuskind abhinge, so erhebt sich die<lb/> ganze Tischgesellschaft, bekreuzt sich und ruft: „Christus ist geboren! Freuen<lb/> wir uns!" Nach Tische spielen die Männer in der Regel ein Kartenspiel um<lb/> Nüsse. Die Hausfrau aber geht mit jenen zuerst abgeschnittnen Brot- und<lb/> Striezelscheiben in den Kuhstall, wo sie damit die Thiere füttert, um sie vor<lb/> Unglück zu bewahren. Die übrig bleibenden Brocken wirft sie in den Brun¬<lb/> nen, damit er nicht versiege. In ähnlicher Absicht werden von den Knechten<lb/> die Tischabfälle auf den Aeckern des Bauern verscharrt, damit sie reichlich<lb/> tragen. Die Mägde aber befragen inzwischen allerlei Heiratdsorakel. Sie<lb/> rütteln an der Hnhncrstcige. und wird zuerst der Hahn laut, so kommt im<lb/> nächsten Jahr ein Bräutigam, regt sich zuerst eine Henne, so bleibt die Fra-<lb/> gerin noch ein Jahr ohne Mann. Dann wird der Hofhund vor das Thor<lb/> gebracht und aufgepaßt, nach welcher Seile bin er bellt; denn von dieser wird<lb/> der Freier erscheinen. Da die Neugier auch wissen muh, weß Handwerks der<lb/> Zukünftige ist. so geht sie nach dem nächsten Eise und legt das Ohr daran,<lb/> und Hort sie's darunter hämmern, so wird's ein Schmied, hobelt's, ein Tisch¬<lb/> ler, ansinnt'ö, ein Musikant. Andere gießet, zu dem gleichen Zweck das<lb/> Weiße eines Eies in ein Glas Wasser und errathen ihre Zukunft aus den<lb/> Figuren, die sich daraus am andern Morgen gebildet haben. Wieder andere<lb/> kleben in die Schalen der zuerst von ihnen geöffneten Weihnachtsnüsse Wachs-<lb/> stvckendchcn. zünden sie an und setzen sie, nachdem sie ihnen in Gedanken Na¬<lb/> men von bekannten Burschen der Nachbarschaft gegeben, in ein Gesäß mit<lb/> Wasser. Der, dessen Lichikähnchen zuerst aus das fragende Mädchen zu¬<lb/> schwimmt, wird künstig dessen Bräutigam. Wessen Licht bei der Ceremonie<lb/> verlischt, gilt als dem Tode im nächsten Jahre verfallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406" next="#ID_1407"> Wir sehen deutlich, daß dieser Weihnachtsschmaus mit seinem Zubehör<lb/> ein stark an alte Opfermahle erinnernder, durch das Christenthum nur wenig<lb/> gefärbter und gemodelter Gebrauch ist. Daß es Fische sind, welche die<lb/> Hauptrolle dabei spielen, die Verwendung der ersten Anschnitte durch die Haus¬<lb/> frau, das Vergraben der Ueberbleibsel auf den, Acker, das golone Schweinchen,<lb/> eine Nachklang des Julebcrs und des „goldborstigen" Ebers Fro's. die Be¬<lb/> gleitung des Christkindes durch deu Teufel, in welchem ein alter Gott<lb/> neben dem neuen, das Heiocnthum neben dem Christenthum hergeht, die ver¬<lb/> schiedenen Orakel, Alles erinnert an Ueberlieferungen der Urzeit. Merkwürdig<lb/> aber ist, daß in diesen wie in andern Wcihnachtsgebräuchen Böhmens Alles<lb/> auf die germanische, nichts oder fast nichts auf die slavische Vorzeit hinweist.<lb/> Auf die heidnische Feier folgt die christliche. Die Kirchenglocke läutet,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1L61. 57</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
sam werden alle Abfälle, namentlich die Gräten aufgehoben. Trifft sichs.
daß während der Mahlzeit der Dorfhirt bei seinem Weihnachtsumgang vor
dem Fenster erscheint und, nachdem er mit der Peitsche geknallt, den herkömm¬
lichen Vers vo» der Krippe mit dem Jesuskind abhinge, so erhebt sich die
ganze Tischgesellschaft, bekreuzt sich und ruft: „Christus ist geboren! Freuen
wir uns!" Nach Tische spielen die Männer in der Regel ein Kartenspiel um
Nüsse. Die Hausfrau aber geht mit jenen zuerst abgeschnittnen Brot- und
Striezelscheiben in den Kuhstall, wo sie damit die Thiere füttert, um sie vor
Unglück zu bewahren. Die übrig bleibenden Brocken wirft sie in den Brun¬
nen, damit er nicht versiege. In ähnlicher Absicht werden von den Knechten
die Tischabfälle auf den Aeckern des Bauern verscharrt, damit sie reichlich
tragen. Die Mägde aber befragen inzwischen allerlei Heiratdsorakel. Sie
rütteln an der Hnhncrstcige. und wird zuerst der Hahn laut, so kommt im
nächsten Jahr ein Bräutigam, regt sich zuerst eine Henne, so bleibt die Fra-
gerin noch ein Jahr ohne Mann. Dann wird der Hofhund vor das Thor
gebracht und aufgepaßt, nach welcher Seile bin er bellt; denn von dieser wird
der Freier erscheinen. Da die Neugier auch wissen muh, weß Handwerks der
Zukünftige ist. so geht sie nach dem nächsten Eise und legt das Ohr daran,
und Hort sie's darunter hämmern, so wird's ein Schmied, hobelt's, ein Tisch¬
ler, ansinnt'ö, ein Musikant. Andere gießet, zu dem gleichen Zweck das
Weiße eines Eies in ein Glas Wasser und errathen ihre Zukunft aus den
Figuren, die sich daraus am andern Morgen gebildet haben. Wieder andere
kleben in die Schalen der zuerst von ihnen geöffneten Weihnachtsnüsse Wachs-
stvckendchcn. zünden sie an und setzen sie, nachdem sie ihnen in Gedanken Na¬
men von bekannten Burschen der Nachbarschaft gegeben, in ein Gesäß mit
Wasser. Der, dessen Lichikähnchen zuerst aus das fragende Mädchen zu¬
schwimmt, wird künstig dessen Bräutigam. Wessen Licht bei der Ceremonie
verlischt, gilt als dem Tode im nächsten Jahre verfallen.
Wir sehen deutlich, daß dieser Weihnachtsschmaus mit seinem Zubehör
ein stark an alte Opfermahle erinnernder, durch das Christenthum nur wenig
gefärbter und gemodelter Gebrauch ist. Daß es Fische sind, welche die
Hauptrolle dabei spielen, die Verwendung der ersten Anschnitte durch die Haus¬
frau, das Vergraben der Ueberbleibsel auf den, Acker, das golone Schweinchen,
eine Nachklang des Julebcrs und des „goldborstigen" Ebers Fro's. die Be¬
gleitung des Christkindes durch deu Teufel, in welchem ein alter Gott
neben dem neuen, das Heiocnthum neben dem Christenthum hergeht, die ver¬
schiedenen Orakel, Alles erinnert an Ueberlieferungen der Urzeit. Merkwürdig
aber ist, daß in diesen wie in andern Wcihnachtsgebräuchen Böhmens Alles
auf die germanische, nichts oder fast nichts auf die slavische Vorzeit hinweist.
Auf die heidnische Feier folgt die christliche. Die Kirchenglocke läutet,
Grenzboten IV. 1L61. 57
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