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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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kleinen Schriften kennt, gibt Lehrs aus der Tiefe .seines Wissens einzelne,
stets den Kern der Sache treffende Gedanken, die aber vollkommen zu wür¬
digen eigentlich nur demjenigen möglich ist, der mitten darin steht; Fried¬
länder dagegen bemüht sich auch einem größeren Publicur" die Bedeutung des
Mannes klar zu machen: wer einmal etwas Aehnliches versucht und die
Schwierigkeiten dieses Versuchs erfahren hat, wird dem Geschick, womit er
seine Aufgabe durchgeführt, volle Anerkennung zollen.

Goethe in den Jahren 177 1 bis 1 7 7 5. Von Bernhard Rudolf
Abeken. Hannover. Carl Nümpler, 1861. --

Die verschiedenen Quellen, aus denen man die Details von Goethe's Le¬
ben schöpfen muß, sind so zerstreut, daß der Verfasser Dank verdient, sie,
wenn auch nur für eine kleine Periode, vollständig zusammengestellt zu haben.
Die Breite des Materials tadeln wir also keineswegs; auf die Menge ist da¬
bei ohnehin nicht gerechnet, sondern nur auf die stille Gemeinde. Aber die
Breite wird noch dadurch vermehrt, daß der Verfasser sich bemüht, seine Be¬
geisterung für den Dichter in jeder Zeile , man. möchte sagen in jedem Worte,
durchklingen zu lassen. Es scheint uns ein völliges Verkennen der Aufgabe
eine's Historikers, wenn mau dem Verständniß des Publicums auf eine, man
möchte sagen, so zudringliche Weise zu Hülse kommt. Es gab eine Zeit, wo
man der Rohheit und Geschmacklosigkeit der Menge gegenüber einige Drucker
brauchte, um Goethe's Bedeutung in das rechte Licht zu setzen; diese Zeit ist
glücklicherweise vorüber. Wer ein Buch von dem Umfang des gegenwärtigen
in die Hand nimmt, der weiß schon von vorn herein, was es mit Goethe
im Großen und Ganzen für eine Bewandtnis) hatte, und will nur die Ein¬
zelnheiten in möglichst einfacher und ansprechender Weise erfahren. Ohnehin
stimmt zu Goethe's Wesen diese Ueberschwänglichkcit gar nicht; er selber hat
uns ein Vorbild gegeben, wie man eine große Periode deutlich hervortreten
lassen kann, ohne durch eigene Gefühlsausbrüche dem Eindruck zu Hülfe zu
kommen. -- Diese Ausstellung abgerechnet ist das Buch vortrefflich und em
schätzbarer Beitrag zu jeder Goelhebibliothck. -- Bei dieser Gelegenheit machen
wir noch auf eine andere kleine Schrift aufmerksam,: "Goethe und die Er¬
zählungskunst." Vortrag von Berthold Auerbach. Stuttgart, Cotta'scher Ver¬
lag. Die kleine Schrift hat ein doppeltes Interesse, es ist nicht blos ein
feiner Kenner, der sich vernehmen läßt, um die richtige Würdigung des Dich¬
ters zu fordern, sondern >n seiner Art gleichfalls ein Meister der Kunst, der
uns andeutet, was er seinem großen Vorbild abgelernt bat.

Deutsche Dichter und Prosaisten von ver Mitte des 15. Jahr¬
hunderts bis auf unsere Zeit nach ihrem Leben und Wirken geschildert von
Dr. Friedrich Paldamus. Zweite Abtheilung. (Unter Mitwirkung von
or. Wilhelm Stricker). Zweiter Band. Mit 12 Portraits, und Facsimi-


kleinen Schriften kennt, gibt Lehrs aus der Tiefe .seines Wissens einzelne,
stets den Kern der Sache treffende Gedanken, die aber vollkommen zu wür¬
digen eigentlich nur demjenigen möglich ist, der mitten darin steht; Fried¬
länder dagegen bemüht sich auch einem größeren Publicur» die Bedeutung des
Mannes klar zu machen: wer einmal etwas Aehnliches versucht und die
Schwierigkeiten dieses Versuchs erfahren hat, wird dem Geschick, womit er
seine Aufgabe durchgeführt, volle Anerkennung zollen.

Goethe in den Jahren 177 1 bis 1 7 7 5. Von Bernhard Rudolf
Abeken. Hannover. Carl Nümpler, 1861. —

Die verschiedenen Quellen, aus denen man die Details von Goethe's Le¬
ben schöpfen muß, sind so zerstreut, daß der Verfasser Dank verdient, sie,
wenn auch nur für eine kleine Periode, vollständig zusammengestellt zu haben.
Die Breite des Materials tadeln wir also keineswegs; auf die Menge ist da¬
bei ohnehin nicht gerechnet, sondern nur auf die stille Gemeinde. Aber die
Breite wird noch dadurch vermehrt, daß der Verfasser sich bemüht, seine Be¬
geisterung für den Dichter in jeder Zeile , man. möchte sagen in jedem Worte,
durchklingen zu lassen. Es scheint uns ein völliges Verkennen der Aufgabe
eine's Historikers, wenn mau dem Verständniß des Publicums auf eine, man
möchte sagen, so zudringliche Weise zu Hülse kommt. Es gab eine Zeit, wo
man der Rohheit und Geschmacklosigkeit der Menge gegenüber einige Drucker
brauchte, um Goethe's Bedeutung in das rechte Licht zu setzen; diese Zeit ist
glücklicherweise vorüber. Wer ein Buch von dem Umfang des gegenwärtigen
in die Hand nimmt, der weiß schon von vorn herein, was es mit Goethe
im Großen und Ganzen für eine Bewandtnis) hatte, und will nur die Ein¬
zelnheiten in möglichst einfacher und ansprechender Weise erfahren. Ohnehin
stimmt zu Goethe's Wesen diese Ueberschwänglichkcit gar nicht; er selber hat
uns ein Vorbild gegeben, wie man eine große Periode deutlich hervortreten
lassen kann, ohne durch eigene Gefühlsausbrüche dem Eindruck zu Hülfe zu
kommen. — Diese Ausstellung abgerechnet ist das Buch vortrefflich und em
schätzbarer Beitrag zu jeder Goelhebibliothck. — Bei dieser Gelegenheit machen
wir noch auf eine andere kleine Schrift aufmerksam,: „Goethe und die Er¬
zählungskunst." Vortrag von Berthold Auerbach. Stuttgart, Cotta'scher Ver¬
lag. Die kleine Schrift hat ein doppeltes Interesse, es ist nicht blos ein
feiner Kenner, der sich vernehmen läßt, um die richtige Würdigung des Dich¬
ters zu fordern, sondern >n seiner Art gleichfalls ein Meister der Kunst, der
uns andeutet, was er seinem großen Vorbild abgelernt bat.

Deutsche Dichter und Prosaisten von ver Mitte des 15. Jahr¬
hunderts bis auf unsere Zeit nach ihrem Leben und Wirken geschildert von
Dr. Friedrich Paldamus. Zweite Abtheilung. (Unter Mitwirkung von
or. Wilhelm Stricker). Zweiter Band. Mit 12 Portraits, und Facsimi-


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[0436] kleinen Schriften kennt, gibt Lehrs aus der Tiefe .seines Wissens einzelne, stets den Kern der Sache treffende Gedanken, die aber vollkommen zu wür¬ digen eigentlich nur demjenigen möglich ist, der mitten darin steht; Fried¬ länder dagegen bemüht sich auch einem größeren Publicur» die Bedeutung des Mannes klar zu machen: wer einmal etwas Aehnliches versucht und die Schwierigkeiten dieses Versuchs erfahren hat, wird dem Geschick, womit er seine Aufgabe durchgeführt, volle Anerkennung zollen. Goethe in den Jahren 177 1 bis 1 7 7 5. Von Bernhard Rudolf Abeken. Hannover. Carl Nümpler, 1861. — Die verschiedenen Quellen, aus denen man die Details von Goethe's Le¬ ben schöpfen muß, sind so zerstreut, daß der Verfasser Dank verdient, sie, wenn auch nur für eine kleine Periode, vollständig zusammengestellt zu haben. Die Breite des Materials tadeln wir also keineswegs; auf die Menge ist da¬ bei ohnehin nicht gerechnet, sondern nur auf die stille Gemeinde. Aber die Breite wird noch dadurch vermehrt, daß der Verfasser sich bemüht, seine Be¬ geisterung für den Dichter in jeder Zeile , man. möchte sagen in jedem Worte, durchklingen zu lassen. Es scheint uns ein völliges Verkennen der Aufgabe eine's Historikers, wenn mau dem Verständniß des Publicums auf eine, man möchte sagen, so zudringliche Weise zu Hülse kommt. Es gab eine Zeit, wo man der Rohheit und Geschmacklosigkeit der Menge gegenüber einige Drucker brauchte, um Goethe's Bedeutung in das rechte Licht zu setzen; diese Zeit ist glücklicherweise vorüber. Wer ein Buch von dem Umfang des gegenwärtigen in die Hand nimmt, der weiß schon von vorn herein, was es mit Goethe im Großen und Ganzen für eine Bewandtnis) hatte, und will nur die Ein¬ zelnheiten in möglichst einfacher und ansprechender Weise erfahren. Ohnehin stimmt zu Goethe's Wesen diese Ueberschwänglichkcit gar nicht; er selber hat uns ein Vorbild gegeben, wie man eine große Periode deutlich hervortreten lassen kann, ohne durch eigene Gefühlsausbrüche dem Eindruck zu Hülfe zu kommen. — Diese Ausstellung abgerechnet ist das Buch vortrefflich und em schätzbarer Beitrag zu jeder Goelhebibliothck. — Bei dieser Gelegenheit machen wir noch auf eine andere kleine Schrift aufmerksam,: „Goethe und die Er¬ zählungskunst." Vortrag von Berthold Auerbach. Stuttgart, Cotta'scher Ver¬ lag. Die kleine Schrift hat ein doppeltes Interesse, es ist nicht blos ein feiner Kenner, der sich vernehmen läßt, um die richtige Würdigung des Dich¬ ters zu fordern, sondern >n seiner Art gleichfalls ein Meister der Kunst, der uns andeutet, was er seinem großen Vorbild abgelernt bat. Deutsche Dichter und Prosaisten von ver Mitte des 15. Jahr¬ hunderts bis auf unsere Zeit nach ihrem Leben und Wirken geschildert von Dr. Friedrich Paldamus. Zweite Abtheilung. (Unter Mitwirkung von or. Wilhelm Stricker). Zweiter Band. Mit 12 Portraits, und Facsimi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/436>, abgerufen am 23.07.2024.