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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Vertrauen, welches die Kroaten gegen Oestreich gezeigt haben, ist nicht
riesengroß. Unter demjenigen Theil der Deutsch-Oestreicher, die am Reichs¬
tag Theil nehmen, ist zwar ein erheblicher Patriotismus erwacht, aber auch
dieser dürfte sich mäßigen, sobald man von oben her einer Komödie ein Ende
macht, die zu dem einzig gewünschten Resultat, zur Ausgleichung der Valuta,
nicht geführt hat. '

Zwei Völker, die Italiener und Polen, harren nur auf einen Wink, um
loszubrechen. Die Ersteren verfügen doch bereits über eine ganz respectable
Armee, und die inneren Zwistigkeiten werden aufhören, sobald es zur Action
kommt. Von den Polen ist freilich vorläufig nichts weiter zu erwarten, als"
daß sie Rußland jede Theilnahme an einem europäischen Kampf unmöglich
machen; Rußland, das, ohnehin vollständig gelähmt, in den merkwürdigsten
Zuckungen liegt.

Wir haben diese fragmentarischen Notizen zusammengestellt, um zu zeigen,
daß der Zündstoff seit den letzten Jahren nicht ab-, sondern zugenommen hat.
Im vorigen Jahr hörte man, wenn unser König öffentlich sprach, nicht selten
Aufforderungen zu einem activen Patriotismus. Vielleicht könne die Zeit
bald kommen, wo das Vaterland in Gefahr sei. Die neuesten Aeußerungen
klingen bedeutend friedlicher. Dennoch wäre es gerathen, wenn der Landtag,
der im nächsten Monat zusammenkommt, den schweigsamen Minister zu einer
Auseinandersetzung der Lage veranlassen wollte. Die innern Angelegenheiten,
über die jetzt verhandelt wird, sind wichtig genug, aber noch wichtiger ist, zu
wissen, welcher Zukunft wir voraussichtlich entgegen gehen, was wir vorha¬
ben und wozu wir z. B. unsere Armee verwenden wollen. Bei der Berathung
über das Militärbudget hat man bis jetzt fast ausschließlich den Kostenpunkt
in's Auge gefaßt und sich dabei nicht selten in sehr unliebsame technische
Fragen eingelassen; es wäre gut, wenn man sich auch einmal über
den Zweck dieser ganzen Rüstung verständigen wollte. Von dem Ministerium
ist nicht zu verlangen, daß es seine Geheimnisse bloß legt, aber es kommt
nur auf geschickte Fragen an, um ihm wenigstens nach einer gewissen Seite
1- -j- hin beruhigende Zugestcindnisie zu entlocken.




Vertrauen, welches die Kroaten gegen Oestreich gezeigt haben, ist nicht
riesengroß. Unter demjenigen Theil der Deutsch-Oestreicher, die am Reichs¬
tag Theil nehmen, ist zwar ein erheblicher Patriotismus erwacht, aber auch
dieser dürfte sich mäßigen, sobald man von oben her einer Komödie ein Ende
macht, die zu dem einzig gewünschten Resultat, zur Ausgleichung der Valuta,
nicht geführt hat. '

Zwei Völker, die Italiener und Polen, harren nur auf einen Wink, um
loszubrechen. Die Ersteren verfügen doch bereits über eine ganz respectable
Armee, und die inneren Zwistigkeiten werden aufhören, sobald es zur Action
kommt. Von den Polen ist freilich vorläufig nichts weiter zu erwarten, als"
daß sie Rußland jede Theilnahme an einem europäischen Kampf unmöglich
machen; Rußland, das, ohnehin vollständig gelähmt, in den merkwürdigsten
Zuckungen liegt.

Wir haben diese fragmentarischen Notizen zusammengestellt, um zu zeigen,
daß der Zündstoff seit den letzten Jahren nicht ab-, sondern zugenommen hat.
Im vorigen Jahr hörte man, wenn unser König öffentlich sprach, nicht selten
Aufforderungen zu einem activen Patriotismus. Vielleicht könne die Zeit
bald kommen, wo das Vaterland in Gefahr sei. Die neuesten Aeußerungen
klingen bedeutend friedlicher. Dennoch wäre es gerathen, wenn der Landtag,
der im nächsten Monat zusammenkommt, den schweigsamen Minister zu einer
Auseinandersetzung der Lage veranlassen wollte. Die innern Angelegenheiten,
über die jetzt verhandelt wird, sind wichtig genug, aber noch wichtiger ist, zu
wissen, welcher Zukunft wir voraussichtlich entgegen gehen, was wir vorha¬
ben und wozu wir z. B. unsere Armee verwenden wollen. Bei der Berathung
über das Militärbudget hat man bis jetzt fast ausschließlich den Kostenpunkt
in's Auge gefaßt und sich dabei nicht selten in sehr unliebsame technische
Fragen eingelassen; es wäre gut, wenn man sich auch einmal über
den Zweck dieser ganzen Rüstung verständigen wollte. Von dem Ministerium
ist nicht zu verlangen, daß es seine Geheimnisse bloß legt, aber es kommt
nur auf geschickte Fragen an, um ihm wenigstens nach einer gewissen Seite
1- -j- hin beruhigende Zugestcindnisie zu entlocken.




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[0415] Vertrauen, welches die Kroaten gegen Oestreich gezeigt haben, ist nicht riesengroß. Unter demjenigen Theil der Deutsch-Oestreicher, die am Reichs¬ tag Theil nehmen, ist zwar ein erheblicher Patriotismus erwacht, aber auch dieser dürfte sich mäßigen, sobald man von oben her einer Komödie ein Ende macht, die zu dem einzig gewünschten Resultat, zur Ausgleichung der Valuta, nicht geführt hat. ' Zwei Völker, die Italiener und Polen, harren nur auf einen Wink, um loszubrechen. Die Ersteren verfügen doch bereits über eine ganz respectable Armee, und die inneren Zwistigkeiten werden aufhören, sobald es zur Action kommt. Von den Polen ist freilich vorläufig nichts weiter zu erwarten, als" daß sie Rußland jede Theilnahme an einem europäischen Kampf unmöglich machen; Rußland, das, ohnehin vollständig gelähmt, in den merkwürdigsten Zuckungen liegt. Wir haben diese fragmentarischen Notizen zusammengestellt, um zu zeigen, daß der Zündstoff seit den letzten Jahren nicht ab-, sondern zugenommen hat. Im vorigen Jahr hörte man, wenn unser König öffentlich sprach, nicht selten Aufforderungen zu einem activen Patriotismus. Vielleicht könne die Zeit bald kommen, wo das Vaterland in Gefahr sei. Die neuesten Aeußerungen klingen bedeutend friedlicher. Dennoch wäre es gerathen, wenn der Landtag, der im nächsten Monat zusammenkommt, den schweigsamen Minister zu einer Auseinandersetzung der Lage veranlassen wollte. Die innern Angelegenheiten, über die jetzt verhandelt wird, sind wichtig genug, aber noch wichtiger ist, zu wissen, welcher Zukunft wir voraussichtlich entgegen gehen, was wir vorha¬ ben und wozu wir z. B. unsere Armee verwenden wollen. Bei der Berathung über das Militärbudget hat man bis jetzt fast ausschließlich den Kostenpunkt in's Auge gefaßt und sich dabei nicht selten in sehr unliebsame technische Fragen eingelassen; es wäre gut, wenn man sich auch einmal über den Zweck dieser ganzen Rüstung verständigen wollte. Von dem Ministerium ist nicht zu verlangen, daß es seine Geheimnisse bloß legt, aber es kommt nur auf geschickte Fragen an, um ihm wenigstens nach einer gewissen Seite 1- -j- hin beruhigende Zugestcindnisie zu entlocken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/415>, abgerufen am 23.07.2024.