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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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wurde die neue Negierung Preußens mit einem Mangel an Respect besprochen,
der sehr unvortheilhaft gegen die rücksichtsvolle Sprache der französischen
Presse abstach. Indem man Preußen verdächtigte , es sei ins Geheim geneigt
mit Napoleon sardinische Politik zu treiben, ergriff man seinerseits jede Ge-
legenheit sich mit Frankreich auf guten Fuß zu stellen, um bei einem etwa
entstehenden Conflict sich eine Hinterthür zu wahren. - . ^, ,..," --.1,1

Nicht größern Erfolg hatte das Ministerium Schleinil) in England. Die
Furcht, durch Preußen in einen Krieg gegen Frankreich verwickelt zu werden,
machte Volk und Ministerium kühl. Sie brachen eine nichtssagende Gelegen¬
heit vom Zaune, um Preußen mit den unflätigsten Schmähungen, zu über¬
häufen, deren Refrain immer war: wenn Preußen von - einer Allianz redet,
so knöpfen wir unsere Taschen zu. > ^ . . ,^sMj

Mehr und mehr fühlte man in Preußen, daß auf dem bisherigen Wege
kein Resultat zu erwarten war. Um diese Zeit erfolgte der Rücktritt von
Schleinitz's und gleich darauf die Reise des Königs nach Compiegne. Nir¬
gends wirkte dies Ereigniß so stark wie in England, Die preußische Regierung,
die man bisher wie ein neapolitanisches Lazzaroniregimynt behandelt hatte,
stand nun mit einem Male auf der Höh" der Civilisation, und das preußlslchez
Volk, vor dem man bisher die Taschen zugeknöpft, verwandelte sich in ein Volk
von Brüdern, stammverwandt und alles Mögliche. Die civilistrte Regier"ng
Ustd das stammverwandte Volk wurden nur gewarnt, sich nicht durch die.
Fallstricke Napoleons fangen zu lassen, die einzige, natürliche Allianz Preu¬
ßens sei doch England.

In Preußen selbst erwarteten, wie gesagt, nur einzelne Stimmen e-im
neue Wendung: nicht etwa in dem Sinne einer Allianz mit Frankreich, aber
doch in der Weise, daß die bisherige unerträgliche Spannung einigermaßen
aufhören, daß Preußen und Frankreich ein neutrales Gebiet der Politik suchen
würden, auf dem sie sich verständigen könnten.

Seitdem sind wieder einige Wochen verflossen; von dem Grafen Bernstorff
weiß man freilich vorläufig weiter Nichts, als daß er dreimal die Woche
Gesellschaften gibt, aber die neuesten Begebenheiten in Frankreich zeigen doch
augenscheinlich, daß. die Spannung zwischen Preußen und Frankreich sich eher
vermehrt als vermindert hat.

Napoleon leitet eine neue Aera des Friedens ein. Er läßt sich über seine,
bisherige Finanzverwaltung von seinem neuen Minister Wahrheiten sagen,
wie sie noch nie ein Minister gegen einen Souverain gewagt hat, und er
gibt diesen Wahrheiten seine kaiserliche Sanction. Er verspricht die Einführung
konstitutioneller Schranken gegen finanzielle Willkühr; er läßt sogar dunkel
ahnen, daß eine Reduction der Armee das neue Friedenswerk krönen werde.

Das Alles wäre sehr gut. wenn nicht einige Umstände hinzukamen, -die'!


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wurde die neue Negierung Preußens mit einem Mangel an Respect besprochen,
der sehr unvortheilhaft gegen die rücksichtsvolle Sprache der französischen
Presse abstach. Indem man Preußen verdächtigte , es sei ins Geheim geneigt
mit Napoleon sardinische Politik zu treiben, ergriff man seinerseits jede Ge-
legenheit sich mit Frankreich auf guten Fuß zu stellen, um bei einem etwa
entstehenden Conflict sich eine Hinterthür zu wahren. - . ^, ,..,„ --.1,1

Nicht größern Erfolg hatte das Ministerium Schleinil) in England. Die
Furcht, durch Preußen in einen Krieg gegen Frankreich verwickelt zu werden,
machte Volk und Ministerium kühl. Sie brachen eine nichtssagende Gelegen¬
heit vom Zaune, um Preußen mit den unflätigsten Schmähungen, zu über¬
häufen, deren Refrain immer war: wenn Preußen von - einer Allianz redet,
so knöpfen wir unsere Taschen zu. > ^ . . ,^sMj

Mehr und mehr fühlte man in Preußen, daß auf dem bisherigen Wege
kein Resultat zu erwarten war. Um diese Zeit erfolgte der Rücktritt von
Schleinitz's und gleich darauf die Reise des Königs nach Compiegne. Nir¬
gends wirkte dies Ereigniß so stark wie in England, Die preußische Regierung,
die man bisher wie ein neapolitanisches Lazzaroniregimynt behandelt hatte,
stand nun mit einem Male auf der Höh« der Civilisation, und das preußlslchez
Volk, vor dem man bisher die Taschen zugeknöpft, verwandelte sich in ein Volk
von Brüdern, stammverwandt und alles Mögliche. Die civilistrte Regier»ng
Ustd das stammverwandte Volk wurden nur gewarnt, sich nicht durch die.
Fallstricke Napoleons fangen zu lassen, die einzige, natürliche Allianz Preu¬
ßens sei doch England.

In Preußen selbst erwarteten, wie gesagt, nur einzelne Stimmen e-im
neue Wendung: nicht etwa in dem Sinne einer Allianz mit Frankreich, aber
doch in der Weise, daß die bisherige unerträgliche Spannung einigermaßen
aufhören, daß Preußen und Frankreich ein neutrales Gebiet der Politik suchen
würden, auf dem sie sich verständigen könnten.

Seitdem sind wieder einige Wochen verflossen; von dem Grafen Bernstorff
weiß man freilich vorläufig weiter Nichts, als daß er dreimal die Woche
Gesellschaften gibt, aber die neuesten Begebenheiten in Frankreich zeigen doch
augenscheinlich, daß. die Spannung zwischen Preußen und Frankreich sich eher
vermehrt als vermindert hat.

Napoleon leitet eine neue Aera des Friedens ein. Er läßt sich über seine,
bisherige Finanzverwaltung von seinem neuen Minister Wahrheiten sagen,
wie sie noch nie ein Minister gegen einen Souverain gewagt hat, und er
gibt diesen Wahrheiten seine kaiserliche Sanction. Er verspricht die Einführung
konstitutioneller Schranken gegen finanzielle Willkühr; er läßt sogar dunkel
ahnen, daß eine Reduction der Armee das neue Friedenswerk krönen werde.

Das Alles wäre sehr gut. wenn nicht einige Umstände hinzukamen, -die'!


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[0413] wurde die neue Negierung Preußens mit einem Mangel an Respect besprochen, der sehr unvortheilhaft gegen die rücksichtsvolle Sprache der französischen Presse abstach. Indem man Preußen verdächtigte , es sei ins Geheim geneigt mit Napoleon sardinische Politik zu treiben, ergriff man seinerseits jede Ge- legenheit sich mit Frankreich auf guten Fuß zu stellen, um bei einem etwa entstehenden Conflict sich eine Hinterthür zu wahren. - . ^, ,..,„ --.1,1 Nicht größern Erfolg hatte das Ministerium Schleinil) in England. Die Furcht, durch Preußen in einen Krieg gegen Frankreich verwickelt zu werden, machte Volk und Ministerium kühl. Sie brachen eine nichtssagende Gelegen¬ heit vom Zaune, um Preußen mit den unflätigsten Schmähungen, zu über¬ häufen, deren Refrain immer war: wenn Preußen von - einer Allianz redet, so knöpfen wir unsere Taschen zu. > ^ . . ,^sMj Mehr und mehr fühlte man in Preußen, daß auf dem bisherigen Wege kein Resultat zu erwarten war. Um diese Zeit erfolgte der Rücktritt von Schleinitz's und gleich darauf die Reise des Königs nach Compiegne. Nir¬ gends wirkte dies Ereigniß so stark wie in England, Die preußische Regierung, die man bisher wie ein neapolitanisches Lazzaroniregimynt behandelt hatte, stand nun mit einem Male auf der Höh« der Civilisation, und das preußlslchez Volk, vor dem man bisher die Taschen zugeknöpft, verwandelte sich in ein Volk von Brüdern, stammverwandt und alles Mögliche. Die civilistrte Regier»ng Ustd das stammverwandte Volk wurden nur gewarnt, sich nicht durch die. Fallstricke Napoleons fangen zu lassen, die einzige, natürliche Allianz Preu¬ ßens sei doch England. In Preußen selbst erwarteten, wie gesagt, nur einzelne Stimmen e-im neue Wendung: nicht etwa in dem Sinne einer Allianz mit Frankreich, aber doch in der Weise, daß die bisherige unerträgliche Spannung einigermaßen aufhören, daß Preußen und Frankreich ein neutrales Gebiet der Politik suchen würden, auf dem sie sich verständigen könnten. Seitdem sind wieder einige Wochen verflossen; von dem Grafen Bernstorff weiß man freilich vorläufig weiter Nichts, als daß er dreimal die Woche Gesellschaften gibt, aber die neuesten Begebenheiten in Frankreich zeigen doch augenscheinlich, daß. die Spannung zwischen Preußen und Frankreich sich eher vermehrt als vermindert hat. Napoleon leitet eine neue Aera des Friedens ein. Er läßt sich über seine, bisherige Finanzverwaltung von seinem neuen Minister Wahrheiten sagen, wie sie noch nie ein Minister gegen einen Souverain gewagt hat, und er gibt diesen Wahrheiten seine kaiserliche Sanction. Er verspricht die Einführung konstitutioneller Schranken gegen finanzielle Willkühr; er läßt sogar dunkel ahnen, daß eine Reduction der Armee das neue Friedenswerk krönen werde. Das Alles wäre sehr gut. wenn nicht einige Umstände hinzukamen, -die'! si"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/413>, abgerufen am 23.07.2024.