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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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dazu kam, ein solches Buch einem Fürsten zu widmen, würde unbegreiflich s"i",
wenn man sich's nicht damit erklären dürfte, daß er lange entfernt von unsrer Art
zu empfinden gelebt hat.

Der Esthe und sein Herr. Von einem, der weder ein Esthe noch dessen Herr
ist. Berlin. Verlag von R. Gärtner. 1861.

Eine Beleuchtung der Lag" und des Zustandes der Bauern in Esthland, welche die
dortigen Verhältnisse im traurigsten Licht erscheinen läßt und den Aufstand erklärt, der
vor zwei Jahren unter den esthnischen Bauern ausbrach. Dieselben sind nach den hier
gelieferten sehr ins Detail gehenden Beispielen großentheils sehr schlecht gestellt, Guts¬
herren und Prediger halten es für überflüssig, ja für entwürdigend, sich um ihr geistiges
Wohl zu kümmern. "Während man Missionäre in fremde Welttheile schickt und Kol¬
lerten für die Erziehung von Ncgcrkindern veranstaltet, wachsen unter unsern Augen
arme Christenkinder auf, von zarter Kindheit nur umgeben von Dummheit und Aber¬
glauben, Kinder, denen Niemand edlere besser" Gefühle einflößt, um deren Seelenheil
und Geistesbildung sich Niemand kümmert, als Eltern, die im besten Fall unwissend und
stumpfsinnig, nur zu oft aber auch dem Trunk ergeben, lügnerisch und diebisch sind."
-- Beklagenswert!) genug, aber auch in Deutschland und noch mehr im "erleuchteten
England" zu finden, wenn auch nicht in dem hier geschilderten Grade Auch bei
uns wird Geld für Missionen und Diakonisscnhäuser unter Türken und Hottentotten
gesammelt, das daheim weit verständiger und nutzcnbringendcr angewendet wäre.

Geschichte der Entdeckung Amerikas. VonJ. G.Kohl. Bremen. Druck und
Verlag von Heinrich Strack. 1861.

Eine gute Zusammenstellung des Wissenswertesten im Betreff der Reisen und
Expeditionen, durch welche allmählig ganz Amerika für den Geist und die Interessen
Europas aufgeschlossen wurde. Ueber die älteren Entdecker, Columbus, Magellan
u. a. erfahren wir natürlich nichts Neues; weniger Bekanntes dagegen bringen die
Kapitel, welche sich mit der Wirksamkeit der Jesuiten unter den Rothhäuten des
Mississippithalcs, mit den Zügen der canadischen Pelzjäger im Nordwesten und mit
dem Marsch der Russen durch Sibirien nach Amerika beschäftigen. Auch die Schlu߬
betrachtung über den Einfluß der Entdeckung Amerikas auf Handel, Schifffahrt.
Wissenschaft und Politik ist lesenswerth.

Die Flotte der Zukunft: Eisen oder Holz. Von I. Scott Russell. Ins
Deutsche übertragen von I. L. Stipp erger. Hamburg. P. Salomon u. Co.
1861.

Der bekannte Erbauer des Great Eastern widerlegt hier die Ansicht der in
England zahlreichen Partei, welche, den General Howard Douglas an d"r Spitze,
eiserne Schiffe als für Kriegszwecke nicht verwendbar ansieht, und empfiehlt den Bau
einer eisernen Kriegsflotte, von der er unter Anderem nachzuweisen versucht, daß
sie wohlfeiler sei und weniger Matrosen bedürfe als eine hölzerne. Wir geben in


dazu kam, ein solches Buch einem Fürsten zu widmen, würde unbegreiflich s«i«,
wenn man sich's nicht damit erklären dürfte, daß er lange entfernt von unsrer Art
zu empfinden gelebt hat.

Der Esthe und sein Herr. Von einem, der weder ein Esthe noch dessen Herr
ist. Berlin. Verlag von R. Gärtner. 1861.

Eine Beleuchtung der Lag« und des Zustandes der Bauern in Esthland, welche die
dortigen Verhältnisse im traurigsten Licht erscheinen läßt und den Aufstand erklärt, der
vor zwei Jahren unter den esthnischen Bauern ausbrach. Dieselben sind nach den hier
gelieferten sehr ins Detail gehenden Beispielen großentheils sehr schlecht gestellt, Guts¬
herren und Prediger halten es für überflüssig, ja für entwürdigend, sich um ihr geistiges
Wohl zu kümmern. „Während man Missionäre in fremde Welttheile schickt und Kol¬
lerten für die Erziehung von Ncgcrkindern veranstaltet, wachsen unter unsern Augen
arme Christenkinder auf, von zarter Kindheit nur umgeben von Dummheit und Aber¬
glauben, Kinder, denen Niemand edlere besser« Gefühle einflößt, um deren Seelenheil
und Geistesbildung sich Niemand kümmert, als Eltern, die im besten Fall unwissend und
stumpfsinnig, nur zu oft aber auch dem Trunk ergeben, lügnerisch und diebisch sind."
— Beklagenswert!) genug, aber auch in Deutschland und noch mehr im „erleuchteten
England" zu finden, wenn auch nicht in dem hier geschilderten Grade Auch bei
uns wird Geld für Missionen und Diakonisscnhäuser unter Türken und Hottentotten
gesammelt, das daheim weit verständiger und nutzcnbringendcr angewendet wäre.

Geschichte der Entdeckung Amerikas. VonJ. G.Kohl. Bremen. Druck und
Verlag von Heinrich Strack. 1861.

Eine gute Zusammenstellung des Wissenswertesten im Betreff der Reisen und
Expeditionen, durch welche allmählig ganz Amerika für den Geist und die Interessen
Europas aufgeschlossen wurde. Ueber die älteren Entdecker, Columbus, Magellan
u. a. erfahren wir natürlich nichts Neues; weniger Bekanntes dagegen bringen die
Kapitel, welche sich mit der Wirksamkeit der Jesuiten unter den Rothhäuten des
Mississippithalcs, mit den Zügen der canadischen Pelzjäger im Nordwesten und mit
dem Marsch der Russen durch Sibirien nach Amerika beschäftigen. Auch die Schlu߬
betrachtung über den Einfluß der Entdeckung Amerikas auf Handel, Schifffahrt.
Wissenschaft und Politik ist lesenswerth.

Die Flotte der Zukunft: Eisen oder Holz. Von I. Scott Russell. Ins
Deutsche übertragen von I. L. Stipp erger. Hamburg. P. Salomon u. Co.
1861.

Der bekannte Erbauer des Great Eastern widerlegt hier die Ansicht der in
England zahlreichen Partei, welche, den General Howard Douglas an d«r Spitze,
eiserne Schiffe als für Kriegszwecke nicht verwendbar ansieht, und empfiehlt den Bau
einer eisernen Kriegsflotte, von der er unter Anderem nachzuweisen versucht, daß
sie wohlfeiler sei und weniger Matrosen bedürfe als eine hölzerne. Wir geben in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/408>, abgerufen am 25.08.2024.