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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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ein Kaiserbild war, und zwar ein solches, das den Kaiser als Richter vor¬
stellte. Krone und Dalmatika, Talar und Mantel und der Adler, wenn sie
auch in Folge der vielen Willkürlichkeiten, welche sich das Bild bei seinen
häusigen Erneuerungen im Lauf der Jahrhunderte gefallen lassen mußte, nur
noch bei einzelnen Rolander vorkommen, können nur auf einen deutschen
Kaiser oder König bezogen werden, Das blanke Schwert aber, weiches nie¬
mals fehlt, wo der Urtypus in neuern Umbildungen nicht absichtlich verlassen
worden ist. die zahlreichen Embleme auf den Fußgestellen und die Aufrichtung
des Bildes auf dem Platz, wo das Gericht gehalten wurde, deuten unwider-
sprechlich auf den Richter. Und mit diesen Symbolen steht auch die Idee
der Rolandssäule im Einklang. Nur vom Kaiser konnte die Gerichtsbarkeit
über Hals und Hand erworben werden; denn er war oberster Richter und
Quelle aller Gerichtsbarkeit, und nur er konnte Marktrecht verleihen und
Freiung gewähren. Was lag also näher, als sein Bild in dem Orte aufzu¬
stellen, der durch seine Gnade die größte Wohlthat und die höchste Stufe
der bürgerlichen und politischen Stellung erlangt hatte, welche eine Ortsge¬
meinde in der Zeit vom zehnten bis zum dreizehnten Jahrhundert zu erreichen
wünschen konnte?

Der Roland ist aber nicht bloß ein Kaiserbild, sondern das Bild eines
bestimmten Kaisers. Die Bildschnitzerei des deutschen Mittelalters schuf im
Allgemeinen keine allegorischen Figuren, und so, wie die kirchliche Kunst nie
versuchte einen Heiligen überhaupt darzustellen, sondern nur einen bestimmten
Heiligen bildete, lo kann man im Allgemeinen auch annehmen, daß es ein
bestimmter deutscher König war. der in den Rolandssäulen anfänglich wie¬
dergegeben wurde. Sind die Rolandssäulen aber sehr wahrscheinlich zuerst in der
Periode der Ottonen aufgerichtet worden, so ergibt sich von selbst, daß wir das
Urbild derselben unter den drei Herrschern dieses sächsischen Hauses zu suchen
haben, und wirklich tritt uns aus demselben ein König entgegen, in dessen Cha¬
rakter sich viele Momente vereinigen, welche begreiflich machen, wie gerade ihm
Bildnisse gesetzt werden konnten, weiche die oben bezeichnete juristische Bedeutung
des Bildes im vollsten Einklang mit seiner Individualität erkennen lassen --
Momente, die wir bei keinem andern Kaiser oder König vor oder nach ihm
antreffen. Diese königliche Persönlichkeit ist Otto der Zweite oder, wie ihn die
Urkunden oft bezeichnen "der rothe König Otto." Wo irgend eine Rechtsent¬
wickelung in den sächsischen Gegenden, insbesondere in den Sprengeln der
Erzbischöfe von Magdeburg und Hamburg, vor sich ging, findet man diesen
König dabei thätig. Er beschenkte Magdeburg mit verschiedenen Privilegien
und Freiheiten und namentlich mit einem Obergericht, richtete in Halle einen
Dingstuhl ein und bestätigte und mehrte die Rechte, welche sein Vater den
Städten des Erzbischofs von Hamburg und des Bischofs von Bremen ver-


ein Kaiserbild war, und zwar ein solches, das den Kaiser als Richter vor¬
stellte. Krone und Dalmatika, Talar und Mantel und der Adler, wenn sie
auch in Folge der vielen Willkürlichkeiten, welche sich das Bild bei seinen
häusigen Erneuerungen im Lauf der Jahrhunderte gefallen lassen mußte, nur
noch bei einzelnen Rolander vorkommen, können nur auf einen deutschen
Kaiser oder König bezogen werden, Das blanke Schwert aber, weiches nie¬
mals fehlt, wo der Urtypus in neuern Umbildungen nicht absichtlich verlassen
worden ist. die zahlreichen Embleme auf den Fußgestellen und die Aufrichtung
des Bildes auf dem Platz, wo das Gericht gehalten wurde, deuten unwider-
sprechlich auf den Richter. Und mit diesen Symbolen steht auch die Idee
der Rolandssäule im Einklang. Nur vom Kaiser konnte die Gerichtsbarkeit
über Hals und Hand erworben werden; denn er war oberster Richter und
Quelle aller Gerichtsbarkeit, und nur er konnte Marktrecht verleihen und
Freiung gewähren. Was lag also näher, als sein Bild in dem Orte aufzu¬
stellen, der durch seine Gnade die größte Wohlthat und die höchste Stufe
der bürgerlichen und politischen Stellung erlangt hatte, welche eine Ortsge¬
meinde in der Zeit vom zehnten bis zum dreizehnten Jahrhundert zu erreichen
wünschen konnte?

Der Roland ist aber nicht bloß ein Kaiserbild, sondern das Bild eines
bestimmten Kaisers. Die Bildschnitzerei des deutschen Mittelalters schuf im
Allgemeinen keine allegorischen Figuren, und so, wie die kirchliche Kunst nie
versuchte einen Heiligen überhaupt darzustellen, sondern nur einen bestimmten
Heiligen bildete, lo kann man im Allgemeinen auch annehmen, daß es ein
bestimmter deutscher König war. der in den Rolandssäulen anfänglich wie¬
dergegeben wurde. Sind die Rolandssäulen aber sehr wahrscheinlich zuerst in der
Periode der Ottonen aufgerichtet worden, so ergibt sich von selbst, daß wir das
Urbild derselben unter den drei Herrschern dieses sächsischen Hauses zu suchen
haben, und wirklich tritt uns aus demselben ein König entgegen, in dessen Cha¬
rakter sich viele Momente vereinigen, welche begreiflich machen, wie gerade ihm
Bildnisse gesetzt werden konnten, weiche die oben bezeichnete juristische Bedeutung
des Bildes im vollsten Einklang mit seiner Individualität erkennen lassen —
Momente, die wir bei keinem andern Kaiser oder König vor oder nach ihm
antreffen. Diese königliche Persönlichkeit ist Otto der Zweite oder, wie ihn die
Urkunden oft bezeichnen „der rothe König Otto." Wo irgend eine Rechtsent¬
wickelung in den sächsischen Gegenden, insbesondere in den Sprengeln der
Erzbischöfe von Magdeburg und Hamburg, vor sich ging, findet man diesen
König dabei thätig. Er beschenkte Magdeburg mit verschiedenen Privilegien
und Freiheiten und namentlich mit einem Obergericht, richtete in Halle einen
Dingstuhl ein und bestätigte und mehrte die Rechte, welche sein Vater den
Städten des Erzbischofs von Hamburg und des Bischofs von Bremen ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/390>, abgerufen am 23.07.2024.