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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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landsbildes gewesen zu sei": Hamburg. Bremen und Magdeburg, ursprüng¬
lich bischöfliche "Vilwe" also "Jmmumtates" im engsten Sinne, sogenannte
Mundatcn oder Freiungen waren, ein Charakter, der sich ebenso für die
holsteinischen Rolandsorte Wedel und Bramstcdt, wie für die im Magdebur¬
gischen, Meißnischen und Brandenburgischen noch heute großentheils nach¬
weisen läßt. Andere Orte dieser Art waren alte Königsgüter, nur wenige
Villae oder Dinghöfe weltlicher Grundherrn, und selbst von diesen dürfte sich
nachwerfen lassen, daß sie ursprünglich in geistlicher Hand waren.

Die genannten Privilegien waren ursprünglich nicht den Bürgern, son¬
dern den bischöflichen Herrn der Städte verliehen. So wie sich aber das
städtische Leben weiter entwickelte, die Bürger reich und mächtig wurden, was
M den großen Handelsstädten am Rhein und der Nordsee schon -in ''ehr früher
Zeit der Fall war, und andererseits die Städteherren die Bürger zu allerhand
Lasten herbeizuziehen ansingen, begann em Kampf zu dem Zwecke, jnic Pri¬
vilegien als Rechte der Bürgerschaft i" Besitz zu nehmen, und was sich dein
Bischof nicht in Güte oder durch Aufstand nehmen ließ, das suchte man vom
König unmittelbar gegen Gewährung von Beihilfe an Geld oder streitbarer
Mannschaft zu erhalten. Daraus entwickelte sich allmählig ein höherer Be¬
griff reichsstädtischer Freiheit, und so kam es, daß auch die Rolande
eine andere Bedeutung, die nämlich von Zeichen einer vollen, nur dnrch
die Macht des Königs begrenzten Autonomie, oder von Wahrzeichen - der
Neichsumittelbarkeit der Städte erhielten, in denen sie standen. Indeß ist
diese Bedeutung nie eine allgemeine geworden, sondern beschränkt sich auf
die Orte, welche sich in dem Streit mit ihrem Bischof wirklich in dem gedachten
Besitz behaupteten.

In den kleinern Ortschaften bedeuten sie lediglich, daß in denselben ein
Blutgericht über die Ortsangehöriger und die im One begangenen Verbrechen
gehalten werden konnte (wobei ohne Zweifel vor Besetzung der Gerichte mit
gelehrten Richtern die Gerichtsbeisitzer aus den Ortseingesessen genommen
wurden) und daß der Herr des Städtchens oder Dorfes für dasselbe eure
Freiung und ein Marktrecht erworben hatte.

Wir haben im Vorhergehenden nach Zöpfi zu zeigen versucht: daß sich
bei den Rolandsbildern ein bestimmter Typus nachweisen läßt, dann, daß
diejelben durchgängig Wahrzeichen von drei Gerechtsamen sind, welche von den
ersten Zeiten der Städtegründung in Deutschland, d. h. von den ersten Zei¬
ten der Kaiser aus dem sächsischen Hause an, das juristische Wesen einer Stadt
ausmachten, nämlich das Recht, ein Gericht in der Stadt zu haben, das
Marktrecht und die Freiung von der Gerichtsbarkeit des auswärts lagerten
Land-, Zehnt- und Fehmgerichts. Bringen wir diese Ergebnisse mit einander
in Verbindung, so ist kaum noch zu zweifeln, daß der Roland ursprünglich


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landsbildes gewesen zu sei«: Hamburg. Bremen und Magdeburg, ursprüng¬
lich bischöfliche „Vilwe" also „Jmmumtates" im engsten Sinne, sogenannte
Mundatcn oder Freiungen waren, ein Charakter, der sich ebenso für die
holsteinischen Rolandsorte Wedel und Bramstcdt, wie für die im Magdebur¬
gischen, Meißnischen und Brandenburgischen noch heute großentheils nach¬
weisen läßt. Andere Orte dieser Art waren alte Königsgüter, nur wenige
Villae oder Dinghöfe weltlicher Grundherrn, und selbst von diesen dürfte sich
nachwerfen lassen, daß sie ursprünglich in geistlicher Hand waren.

Die genannten Privilegien waren ursprünglich nicht den Bürgern, son¬
dern den bischöflichen Herrn der Städte verliehen. So wie sich aber das
städtische Leben weiter entwickelte, die Bürger reich und mächtig wurden, was
M den großen Handelsstädten am Rhein und der Nordsee schon -in ''ehr früher
Zeit der Fall war, und andererseits die Städteherren die Bürger zu allerhand
Lasten herbeizuziehen ansingen, begann em Kampf zu dem Zwecke, jnic Pri¬
vilegien als Rechte der Bürgerschaft i» Besitz zu nehmen, und was sich dein
Bischof nicht in Güte oder durch Aufstand nehmen ließ, das suchte man vom
König unmittelbar gegen Gewährung von Beihilfe an Geld oder streitbarer
Mannschaft zu erhalten. Daraus entwickelte sich allmählig ein höherer Be¬
griff reichsstädtischer Freiheit, und so kam es, daß auch die Rolande
eine andere Bedeutung, die nämlich von Zeichen einer vollen, nur dnrch
die Macht des Königs begrenzten Autonomie, oder von Wahrzeichen - der
Neichsumittelbarkeit der Städte erhielten, in denen sie standen. Indeß ist
diese Bedeutung nie eine allgemeine geworden, sondern beschränkt sich auf
die Orte, welche sich in dem Streit mit ihrem Bischof wirklich in dem gedachten
Besitz behaupteten.

In den kleinern Ortschaften bedeuten sie lediglich, daß in denselben ein
Blutgericht über die Ortsangehöriger und die im One begangenen Verbrechen
gehalten werden konnte (wobei ohne Zweifel vor Besetzung der Gerichte mit
gelehrten Richtern die Gerichtsbeisitzer aus den Ortseingesessen genommen
wurden) und daß der Herr des Städtchens oder Dorfes für dasselbe eure
Freiung und ein Marktrecht erworben hatte.

Wir haben im Vorhergehenden nach Zöpfi zu zeigen versucht: daß sich
bei den Rolandsbildern ein bestimmter Typus nachweisen läßt, dann, daß
diejelben durchgängig Wahrzeichen von drei Gerechtsamen sind, welche von den
ersten Zeiten der Städtegründung in Deutschland, d. h. von den ersten Zei¬
ten der Kaiser aus dem sächsischen Hause an, das juristische Wesen einer Stadt
ausmachten, nämlich das Recht, ein Gericht in der Stadt zu haben, das
Marktrecht und die Freiung von der Gerichtsbarkeit des auswärts lagerten
Land-, Zehnt- und Fehmgerichts. Bringen wir diese Ergebnisse mit einander
in Verbindung, so ist kaum noch zu zweifeln, daß der Roland ursprünglich


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[0389] landsbildes gewesen zu sei«: Hamburg. Bremen und Magdeburg, ursprüng¬ lich bischöfliche „Vilwe" also „Jmmumtates" im engsten Sinne, sogenannte Mundatcn oder Freiungen waren, ein Charakter, der sich ebenso für die holsteinischen Rolandsorte Wedel und Bramstcdt, wie für die im Magdebur¬ gischen, Meißnischen und Brandenburgischen noch heute großentheils nach¬ weisen läßt. Andere Orte dieser Art waren alte Königsgüter, nur wenige Villae oder Dinghöfe weltlicher Grundherrn, und selbst von diesen dürfte sich nachwerfen lassen, daß sie ursprünglich in geistlicher Hand waren. Die genannten Privilegien waren ursprünglich nicht den Bürgern, son¬ dern den bischöflichen Herrn der Städte verliehen. So wie sich aber das städtische Leben weiter entwickelte, die Bürger reich und mächtig wurden, was M den großen Handelsstädten am Rhein und der Nordsee schon -in ''ehr früher Zeit der Fall war, und andererseits die Städteherren die Bürger zu allerhand Lasten herbeizuziehen ansingen, begann em Kampf zu dem Zwecke, jnic Pri¬ vilegien als Rechte der Bürgerschaft i» Besitz zu nehmen, und was sich dein Bischof nicht in Güte oder durch Aufstand nehmen ließ, das suchte man vom König unmittelbar gegen Gewährung von Beihilfe an Geld oder streitbarer Mannschaft zu erhalten. Daraus entwickelte sich allmählig ein höherer Be¬ griff reichsstädtischer Freiheit, und so kam es, daß auch die Rolande eine andere Bedeutung, die nämlich von Zeichen einer vollen, nur dnrch die Macht des Königs begrenzten Autonomie, oder von Wahrzeichen - der Neichsumittelbarkeit der Städte erhielten, in denen sie standen. Indeß ist diese Bedeutung nie eine allgemeine geworden, sondern beschränkt sich auf die Orte, welche sich in dem Streit mit ihrem Bischof wirklich in dem gedachten Besitz behaupteten. In den kleinern Ortschaften bedeuten sie lediglich, daß in denselben ein Blutgericht über die Ortsangehöriger und die im One begangenen Verbrechen gehalten werden konnte (wobei ohne Zweifel vor Besetzung der Gerichte mit gelehrten Richtern die Gerichtsbeisitzer aus den Ortseingesessen genommen wurden) und daß der Herr des Städtchens oder Dorfes für dasselbe eure Freiung und ein Marktrecht erworben hatte. Wir haben im Vorhergehenden nach Zöpfi zu zeigen versucht: daß sich bei den Rolandsbildern ein bestimmter Typus nachweisen läßt, dann, daß diejelben durchgängig Wahrzeichen von drei Gerechtsamen sind, welche von den ersten Zeiten der Städtegründung in Deutschland, d. h. von den ersten Zei¬ ten der Kaiser aus dem sächsischen Hause an, das juristische Wesen einer Stadt ausmachten, nämlich das Recht, ein Gericht in der Stadt zu haben, das Marktrecht und die Freiung von der Gerichtsbarkeit des auswärts lagerten Land-, Zehnt- und Fehmgerichts. Bringen wir diese Ergebnisse mit einander in Verbindung, so ist kaum noch zu zweifeln, daß der Roland ursprünglich 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/389>, abgerufen am 23.07.2024.