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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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derselben nicht aus einem Stück mit dem Bilde, sondern aufgesetzt waren und
nicht als wesentliches Attribut galten. Die Bildung ist verschieden, viele
Rolande tragen den Ritterharnisch des fünfzehnten Jahrhunderts/ einige
römische Tracht. Den ältesten Typus in dieser Beziehung zeigt der Roland von
Halle, den gegenwärtig noch die kaiserliche Tunica schmückt, welche sich auf
Bildnissen und Siegeln aus der ottomschen Zeit findet. Die Füße sind mit
alleiniger Ausnahme des Rolands zu Belgern, welcher in voller Rüstung,
aber baarfuß ist, bekleidet. Einige tragen Handschuhe, wie z. B. der von
Bremen. Nie oder nur bei zufälliger Verstümmlung oder absichtlicher Ab¬
weichung von der Urform fehlendes Attribut des Roland ist das große, grade
und entblößte Schwert, welches er meist in steifer Haltung oder etwas schräg,
wie die alten Königsbilder, in der Rechten trägt, und welches, wie bekannt,
das Symbol hoher obrigkeitlicher Gewalt und insbesondere königlicher Blut-
gerichtsbarkcit ist. Einen Schild haben die Statuen aller Wahrscheinlichkeit
nach in der ältesten Zeit nicht gehabt, und wo derselbe hinzukam, geschah
es in Folge der hohen Bedeutung, welche sich mit dem kaiserlichen Schilde
als einem uralten, zur Gerichtsverfassung in unmittelbarer Beziehung stehenden
Symbole schon vor der Periode der Ottonen verband. Ein Schild mußte
aufgehängt oder aufgestellt sein, wo ein echtes Ding (Gericht) unter Königs¬
bann gehalten werden sollte.

Reitende Rolande hat es nie gegeben. Der zu Magdeburg ist ein
Standbild Otto's des Ersten, in dessen Nähe bis zur Zerstörung der Stadt
durch Tilly ein echtes Rolandsbild stand, der zu Ncuhaldensleoen eine
Statue Heinrich's des Löwen. Die Embleme, die sich an einigen Rolander
fanden oder noch finden, weisen beinahe sämmtlich mehr oder minder deutlich
darauf hin, daß die Statue in späterer Zeit als Symbol der bürgerlichen
Gerichtsbarkeit aufgefaßt wurde.

Insgemein ist dem Roland sein Standort auf dem Marktplatz der Städte
und Ortschaften vor dem Rathhaus, dein Schoppen-, Kauf- oder Gildehaus
angewiesen worden, was deutlich darauf hinweist, daß er mit gewissen Ge¬
rechtsamen der Gemeinden in Verbindung steht. Da die Kirchhöfe regelmäßig
die Marktplatze wurden, wenn der Ort Stadt- oder Marktrecht erhielt, und
da bekanntlich auf den Kirchhöfen, als den größten, wo nicht einzigen freien
Plätzen im Mittelalter auch die Genchtsversammlungen gehalten wurden, so
ist zwischen den seltnen Angaben, welche die Aufstellung eines Rolands
auf einem Kirchhof erwähnen, und den zahlreichen Nachrichten von Aufrich¬
tung solcher Statuen auf Marktplatzen wol keine wesentliche Verschiedenheit zu
erkennen.

Fragen wir nun nach der Bedeutung unserer Bilder, so müssen wir von
Thatsachen ausgehen. die unzweifelhaft feststehen. Eine solche ist wirklich


Grenjboten IV. 1S61. 48

derselben nicht aus einem Stück mit dem Bilde, sondern aufgesetzt waren und
nicht als wesentliches Attribut galten. Die Bildung ist verschieden, viele
Rolande tragen den Ritterharnisch des fünfzehnten Jahrhunderts/ einige
römische Tracht. Den ältesten Typus in dieser Beziehung zeigt der Roland von
Halle, den gegenwärtig noch die kaiserliche Tunica schmückt, welche sich auf
Bildnissen und Siegeln aus der ottomschen Zeit findet. Die Füße sind mit
alleiniger Ausnahme des Rolands zu Belgern, welcher in voller Rüstung,
aber baarfuß ist, bekleidet. Einige tragen Handschuhe, wie z. B. der von
Bremen. Nie oder nur bei zufälliger Verstümmlung oder absichtlicher Ab¬
weichung von der Urform fehlendes Attribut des Roland ist das große, grade
und entblößte Schwert, welches er meist in steifer Haltung oder etwas schräg,
wie die alten Königsbilder, in der Rechten trägt, und welches, wie bekannt,
das Symbol hoher obrigkeitlicher Gewalt und insbesondere königlicher Blut-
gerichtsbarkcit ist. Einen Schild haben die Statuen aller Wahrscheinlichkeit
nach in der ältesten Zeit nicht gehabt, und wo derselbe hinzukam, geschah
es in Folge der hohen Bedeutung, welche sich mit dem kaiserlichen Schilde
als einem uralten, zur Gerichtsverfassung in unmittelbarer Beziehung stehenden
Symbole schon vor der Periode der Ottonen verband. Ein Schild mußte
aufgehängt oder aufgestellt sein, wo ein echtes Ding (Gericht) unter Königs¬
bann gehalten werden sollte.

Reitende Rolande hat es nie gegeben. Der zu Magdeburg ist ein
Standbild Otto's des Ersten, in dessen Nähe bis zur Zerstörung der Stadt
durch Tilly ein echtes Rolandsbild stand, der zu Ncuhaldensleoen eine
Statue Heinrich's des Löwen. Die Embleme, die sich an einigen Rolander
fanden oder noch finden, weisen beinahe sämmtlich mehr oder minder deutlich
darauf hin, daß die Statue in späterer Zeit als Symbol der bürgerlichen
Gerichtsbarkeit aufgefaßt wurde.

Insgemein ist dem Roland sein Standort auf dem Marktplatz der Städte
und Ortschaften vor dem Rathhaus, dein Schoppen-, Kauf- oder Gildehaus
angewiesen worden, was deutlich darauf hinweist, daß er mit gewissen Ge¬
rechtsamen der Gemeinden in Verbindung steht. Da die Kirchhöfe regelmäßig
die Marktplatze wurden, wenn der Ort Stadt- oder Marktrecht erhielt, und
da bekanntlich auf den Kirchhöfen, als den größten, wo nicht einzigen freien
Plätzen im Mittelalter auch die Genchtsversammlungen gehalten wurden, so
ist zwischen den seltnen Angaben, welche die Aufstellung eines Rolands
auf einem Kirchhof erwähnen, und den zahlreichen Nachrichten von Aufrich¬
tung solcher Statuen auf Marktplatzen wol keine wesentliche Verschiedenheit zu
erkennen.

Fragen wir nun nach der Bedeutung unserer Bilder, so müssen wir von
Thatsachen ausgehen. die unzweifelhaft feststehen. Eine solche ist wirklich


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[0387] derselben nicht aus einem Stück mit dem Bilde, sondern aufgesetzt waren und nicht als wesentliches Attribut galten. Die Bildung ist verschieden, viele Rolande tragen den Ritterharnisch des fünfzehnten Jahrhunderts/ einige römische Tracht. Den ältesten Typus in dieser Beziehung zeigt der Roland von Halle, den gegenwärtig noch die kaiserliche Tunica schmückt, welche sich auf Bildnissen und Siegeln aus der ottomschen Zeit findet. Die Füße sind mit alleiniger Ausnahme des Rolands zu Belgern, welcher in voller Rüstung, aber baarfuß ist, bekleidet. Einige tragen Handschuhe, wie z. B. der von Bremen. Nie oder nur bei zufälliger Verstümmlung oder absichtlicher Ab¬ weichung von der Urform fehlendes Attribut des Roland ist das große, grade und entblößte Schwert, welches er meist in steifer Haltung oder etwas schräg, wie die alten Königsbilder, in der Rechten trägt, und welches, wie bekannt, das Symbol hoher obrigkeitlicher Gewalt und insbesondere königlicher Blut- gerichtsbarkcit ist. Einen Schild haben die Statuen aller Wahrscheinlichkeit nach in der ältesten Zeit nicht gehabt, und wo derselbe hinzukam, geschah es in Folge der hohen Bedeutung, welche sich mit dem kaiserlichen Schilde als einem uralten, zur Gerichtsverfassung in unmittelbarer Beziehung stehenden Symbole schon vor der Periode der Ottonen verband. Ein Schild mußte aufgehängt oder aufgestellt sein, wo ein echtes Ding (Gericht) unter Königs¬ bann gehalten werden sollte. Reitende Rolande hat es nie gegeben. Der zu Magdeburg ist ein Standbild Otto's des Ersten, in dessen Nähe bis zur Zerstörung der Stadt durch Tilly ein echtes Rolandsbild stand, der zu Ncuhaldensleoen eine Statue Heinrich's des Löwen. Die Embleme, die sich an einigen Rolander fanden oder noch finden, weisen beinahe sämmtlich mehr oder minder deutlich darauf hin, daß die Statue in späterer Zeit als Symbol der bürgerlichen Gerichtsbarkeit aufgefaßt wurde. Insgemein ist dem Roland sein Standort auf dem Marktplatz der Städte und Ortschaften vor dem Rathhaus, dein Schoppen-, Kauf- oder Gildehaus angewiesen worden, was deutlich darauf hinweist, daß er mit gewissen Ge¬ rechtsamen der Gemeinden in Verbindung steht. Da die Kirchhöfe regelmäßig die Marktplatze wurden, wenn der Ort Stadt- oder Marktrecht erhielt, und da bekanntlich auf den Kirchhöfen, als den größten, wo nicht einzigen freien Plätzen im Mittelalter auch die Genchtsversammlungen gehalten wurden, so ist zwischen den seltnen Angaben, welche die Aufstellung eines Rolands auf einem Kirchhof erwähnen, und den zahlreichen Nachrichten von Aufrich¬ tung solcher Statuen auf Marktplatzen wol keine wesentliche Verschiedenheit zu erkennen. Fragen wir nun nach der Bedeutung unserer Bilder, so müssen wir von Thatsachen ausgehen. die unzweifelhaft feststehen. Eine solche ist wirklich Grenjboten IV. 1S61. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/387>, abgerufen am 23.07.2024.