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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Außenseite zu wesentlich, als daß sie dieselbe hinter der inneren Bedeutung
des Motivs hätte zurücktreten lassen. Schon damals wurden Klagen laut,
daß die Maler dem Beiwerk zu viel Spielraum gönnten, daß Stoffe und Ge-
räthe sich vordrängten. Es kennzeichnet die ganze Schule, daß Revoil selber
eine bedeutende Sammlung von allerlei alterthümlichen Waffen, Trachten und
Meubeln allmülig zusammenbrachte, und die Gefahr lag nur zu nahe, daß
der Maler zum Antiquar und der Antiquar zum Maler wurde.

An diese Maler wandten sich der König und seine Familie mit ihren
Bestellungen; auch ihnen kam es mehr darauf an, ihre Vorfahren in friedlichen
Situationen als in der Entscheidung weltgeschichtlicher Kämpfe dargestellt zu
sehen. Die neue Richtung fand Anklang und breitete sich aus. Bald ließen
sich auch die übrigen Schüler Davids und die Regnaults und Vincents --
die alle, wie wir gesehen, mehr oder minder der Anschauungsweise Davids
folgten -- herbei, die ideale Welt zu verlassen und ihre Stoffe der französischen
Geschichte, dann der neueren überhaupt zu entnehmen. Es traf sich öfters
auf den damaligen Ausstellungen, daß derselbe Vorgang von verschiedenen
Malern, sei es auf Bestellung, sei es aus freier Wahl behandelt war (so auf
der Ausstellung von 181? "der Tod des heiligen Ludwig" von Menjaud, Ary
Scheffer und Mcynier). Auch diese Nachfolger der classischen Kunst wußte
die Regierung zu verwerthen. Sie gab ihnen die Motive, zu deren Darstellung
eine gewisse Größe der Auffassung und des Ausdrucks erforderlich war. Es
ist oben bemerkt, daß G6rard den Einzug Franz des Ersten in Paris zu malen
hatte, und ähnlich hatten Joseph Blondel, Schüler Regnaults, Charles
Meyiner, Schüler Vincents, Georges Rouget und Alexandre Frago-
naro, beide Schüler Davids, solche Episoden aus der Geschichte der franzö¬
sischen Könige auszuführen, die mit dem Geschicke des Landes in einem tieferen
Zusammenhang stehen. Von größerer Bedeutung ist nur das Bild von G6-
rard, und deshalb war auch nur dieses von anregender Wirkung auf die spä¬
tere Kunst.

Andererseits war schon unter Napoleon die Kirche wieder zu Ehren ge¬
kommen, und hier war die Literatur der bildenden Kunst vorangegangen, hier
hatten Chateaubriand und Lammenais die Restauration vollzogen. Nun war
auch der religiösen Malerei wieder Raum gegeben, und die bourbonische Re¬
gierung hatte nichts Eiligeres zu thun, als die Kirchen mit christlichen und
Heiligen-Bildern von Neuem zu füllen. Auch dies Geschäft wurde den Aus¬
läufern der Dcwid'schen Richtung übertragen. Außer den oben Genannten
waren hier besonders, Franyois Joseph Heim und Gassies, beide Schüler
Vincents, und Abel de Pujol, Schüler Davids, thätig. Endlich ließ es
auch die Regierung an idealen Darstellungen Nicht fehlen, damit unter ihr auch
die Kunst des monumentalen Styls einen neuen Aufschwung nehme; doch fallen


Grenzboten IV. 1S61. 4

Außenseite zu wesentlich, als daß sie dieselbe hinter der inneren Bedeutung
des Motivs hätte zurücktreten lassen. Schon damals wurden Klagen laut,
daß die Maler dem Beiwerk zu viel Spielraum gönnten, daß Stoffe und Ge-
räthe sich vordrängten. Es kennzeichnet die ganze Schule, daß Revoil selber
eine bedeutende Sammlung von allerlei alterthümlichen Waffen, Trachten und
Meubeln allmülig zusammenbrachte, und die Gefahr lag nur zu nahe, daß
der Maler zum Antiquar und der Antiquar zum Maler wurde.

An diese Maler wandten sich der König und seine Familie mit ihren
Bestellungen; auch ihnen kam es mehr darauf an, ihre Vorfahren in friedlichen
Situationen als in der Entscheidung weltgeschichtlicher Kämpfe dargestellt zu
sehen. Die neue Richtung fand Anklang und breitete sich aus. Bald ließen
sich auch die übrigen Schüler Davids und die Regnaults und Vincents —
die alle, wie wir gesehen, mehr oder minder der Anschauungsweise Davids
folgten — herbei, die ideale Welt zu verlassen und ihre Stoffe der französischen
Geschichte, dann der neueren überhaupt zu entnehmen. Es traf sich öfters
auf den damaligen Ausstellungen, daß derselbe Vorgang von verschiedenen
Malern, sei es auf Bestellung, sei es aus freier Wahl behandelt war (so auf
der Ausstellung von 181? „der Tod des heiligen Ludwig" von Menjaud, Ary
Scheffer und Mcynier). Auch diese Nachfolger der classischen Kunst wußte
die Regierung zu verwerthen. Sie gab ihnen die Motive, zu deren Darstellung
eine gewisse Größe der Auffassung und des Ausdrucks erforderlich war. Es
ist oben bemerkt, daß G6rard den Einzug Franz des Ersten in Paris zu malen
hatte, und ähnlich hatten Joseph Blondel, Schüler Regnaults, Charles
Meyiner, Schüler Vincents, Georges Rouget und Alexandre Frago-
naro, beide Schüler Davids, solche Episoden aus der Geschichte der franzö¬
sischen Könige auszuführen, die mit dem Geschicke des Landes in einem tieferen
Zusammenhang stehen. Von größerer Bedeutung ist nur das Bild von G6-
rard, und deshalb war auch nur dieses von anregender Wirkung auf die spä¬
tere Kunst.

Andererseits war schon unter Napoleon die Kirche wieder zu Ehren ge¬
kommen, und hier war die Literatur der bildenden Kunst vorangegangen, hier
hatten Chateaubriand und Lammenais die Restauration vollzogen. Nun war
auch der religiösen Malerei wieder Raum gegeben, und die bourbonische Re¬
gierung hatte nichts Eiligeres zu thun, als die Kirchen mit christlichen und
Heiligen-Bildern von Neuem zu füllen. Auch dies Geschäft wurde den Aus¬
läufern der Dcwid'schen Richtung übertragen. Außer den oben Genannten
waren hier besonders, Franyois Joseph Heim und Gassies, beide Schüler
Vincents, und Abel de Pujol, Schüler Davids, thätig. Endlich ließ es
auch die Regierung an idealen Darstellungen Nicht fehlen, damit unter ihr auch
die Kunst des monumentalen Styls einen neuen Aufschwung nehme; doch fallen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/35>, abgerufen am 23.07.2024.