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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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gar werden (das trojanische Pferd). Im Lager angekommen, wurden die
Palankine hingestellt, und Bhiemsi erhielt eine halbe Stunde Zeit, um sich
von seiner Gattin, die aber nicht wirtlich mit erschienen war, auf ewig
zu verabschieden. Dann wurde der Hindufürst in eine Sänfte gelegt, um
nach der Festung zurückgebracht zu werden. Aber Alauddin wollte sich nicht
von seinem Gefangenen trennen. Eben hatte er Befehl gegeben, ihn wieder
festzunehmen, als die Krieger (wie einst die Hellenen aus dem trojanischen
Pferde) herbeisprarigen. Sie erlagen in tapferen Kampf, aber Bhiemsi entkam,
erreichte Chietore und setzte hier die Vertheidigung gegen die Feinde sort.
Lange währte der Streit, Wunder des Heldenmutlis wurden verrichtet, viele
der edelsten Krieger sielen, auch Bhiemsi, aber die Stadt wurde gerettet und
die Ehre der schönen Pudmani bewahrt. Alauddin zog für diesmal ab. ohne
Chietore eingenommen zu haben. Den verwundet aus der Schlacht heim¬
kehrenden Batut (er zählte erst zwölf Jahre) fragte Pudmani, wie ihr Gatte
und Herr gekämpft habe. "Er war", antwortete der Ermattete, "der
Schnitter der Schlachtcnerntc. Ich folgte seinen Schritten, demüthig Nach¬
lese haltend. Auf dem blutigen Bette der Ehre breitete er einen Teppich von
Erschlagenen aus. Em Barbarenfürst ward sein Ruhekissen, er streckte ihn
nieder und schläft nun umgeben von todten Feinden." Noch einmal fragt
sie ihn: "Sage mir, Batut. wie meine Liebe sich benahm?" -- "O Mutter,
wie soll ich Dir weiter seine Thaten schildern, wie ihn preisen, der keinen
Feind übrig ließ, ihn zu fürchte" oder zu bewundern!" Sie lächelte dem
Knaben zu, und mit dem Ruf-. "Mein Herr wird meiner warten" sprang
die schöne Wittwe in die Flammen des Scheiterhaufens.

Wie blutig und grausam die Götter waren, welche damals herrschten,
zeigt der weitere Verlauf des Krieges. Nach einiger Zeit kehrte Alauddin
zurück, und ein andrer Fürst suchte mit Hülfe seiner zwölf Söhne die Mauern
von Chietore zu vertheidigen. Während er nach einem hartnäckigen Kampf
sorgenvoll auf seinem Ruhebett lag und die Zukunft erwog, rief eine Stimme
durch die Todtenstille der Nacht: "Ich bin hungrig!" und als er seine Augen
nach der Stelle hinrichtete, sah er zwischen den Granitsäulen die erhabene Er¬
scheinung der SchiMötlin des Landes. "Noch nicht gesättigt?" fragte der
Nana, "obgleich achttausend meines Geschlechts dir geopfert sind." -- "Ich
muß königliche Opfer haben." antwortete die Göttin, "und wenn nicht zwölf
von denen, die das Diadem tragen, für Chietore bluten, so wird das Land
dir genommen werden." Mit diesen Worten verschwand sie.

AIs der Nana am Morgen den Häuptlingen erzählte, was ihm begegnet,
hielten sie es für einen Traum. Er gebot ihnen, die folgende Nacht ihm zur
Seite zu bleiben. Und siehe da, die Göttin erschien abermals und wiederholte
ihr Verlangen. "Wenn auch Tausende von Barbaren die Erde bedecken." so


gar werden (das trojanische Pferd). Im Lager angekommen, wurden die
Palankine hingestellt, und Bhiemsi erhielt eine halbe Stunde Zeit, um sich
von seiner Gattin, die aber nicht wirtlich mit erschienen war, auf ewig
zu verabschieden. Dann wurde der Hindufürst in eine Sänfte gelegt, um
nach der Festung zurückgebracht zu werden. Aber Alauddin wollte sich nicht
von seinem Gefangenen trennen. Eben hatte er Befehl gegeben, ihn wieder
festzunehmen, als die Krieger (wie einst die Hellenen aus dem trojanischen
Pferde) herbeisprarigen. Sie erlagen in tapferen Kampf, aber Bhiemsi entkam,
erreichte Chietore und setzte hier die Vertheidigung gegen die Feinde sort.
Lange währte der Streit, Wunder des Heldenmutlis wurden verrichtet, viele
der edelsten Krieger sielen, auch Bhiemsi, aber die Stadt wurde gerettet und
die Ehre der schönen Pudmani bewahrt. Alauddin zog für diesmal ab. ohne
Chietore eingenommen zu haben. Den verwundet aus der Schlacht heim¬
kehrenden Batut (er zählte erst zwölf Jahre) fragte Pudmani, wie ihr Gatte
und Herr gekämpft habe. „Er war", antwortete der Ermattete, „der
Schnitter der Schlachtcnerntc. Ich folgte seinen Schritten, demüthig Nach¬
lese haltend. Auf dem blutigen Bette der Ehre breitete er einen Teppich von
Erschlagenen aus. Em Barbarenfürst ward sein Ruhekissen, er streckte ihn
nieder und schläft nun umgeben von todten Feinden." Noch einmal fragt
sie ihn: „Sage mir, Batut. wie meine Liebe sich benahm?" — „O Mutter,
wie soll ich Dir weiter seine Thaten schildern, wie ihn preisen, der keinen
Feind übrig ließ, ihn zu fürchte» oder zu bewundern!" Sie lächelte dem
Knaben zu, und mit dem Ruf-. „Mein Herr wird meiner warten" sprang
die schöne Wittwe in die Flammen des Scheiterhaufens.

Wie blutig und grausam die Götter waren, welche damals herrschten,
zeigt der weitere Verlauf des Krieges. Nach einiger Zeit kehrte Alauddin
zurück, und ein andrer Fürst suchte mit Hülfe seiner zwölf Söhne die Mauern
von Chietore zu vertheidigen. Während er nach einem hartnäckigen Kampf
sorgenvoll auf seinem Ruhebett lag und die Zukunft erwog, rief eine Stimme
durch die Todtenstille der Nacht: „Ich bin hungrig!" und als er seine Augen
nach der Stelle hinrichtete, sah er zwischen den Granitsäulen die erhabene Er¬
scheinung der SchiMötlin des Landes. „Noch nicht gesättigt?" fragte der
Nana, „obgleich achttausend meines Geschlechts dir geopfert sind." — „Ich
muß königliche Opfer haben." antwortete die Göttin, „und wenn nicht zwölf
von denen, die das Diadem tragen, für Chietore bluten, so wird das Land
dir genommen werden." Mit diesen Worten verschwand sie.

AIs der Nana am Morgen den Häuptlingen erzählte, was ihm begegnet,
hielten sie es für einen Traum. Er gebot ihnen, die folgende Nacht ihm zur
Seite zu bleiben. Und siehe da, die Göttin erschien abermals und wiederholte
ihr Verlangen. „Wenn auch Tausende von Barbaren die Erde bedecken." so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/348>, abgerufen am 23.07.2024.