Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.Ein ganz eigenthümlicher Stamm Indiens sind die Radschputen, die im In der Zeit, wo in Chietore, der Hauptstadt Mewars, das Kind Nana Die Kunde von dieser Treulosigkeit verbreitet Verzweiflung in Chietore. Grenzboten IV. 1861. 43
Ein ganz eigenthümlicher Stamm Indiens sind die Radschputen, die im In der Zeit, wo in Chietore, der Hauptstadt Mewars, das Kind Nana Die Kunde von dieser Treulosigkeit verbreitet Verzweiflung in Chietore. Grenzboten IV. 1861. 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112855"/> <p xml:id="ID_1034"> Ein ganz eigenthümlicher Stamm Indiens sind die Radschputen, die im<lb/> Nordwesten von Hindostan wohnen und ein stolzes, kriegerisches Geschlecht<lb/> sind. Wahrend der demüthige Hindu das Rind heilig hält und nur von<lb/> Früchten. Kräutern und Wasser lebt, schlachtet der Radschpute Büffel, jagt<lb/> und ißt den Eber und den Hirsch und schießt wildes Geflügel. Er liebt das<lb/> Blut, bringt seinem Kriegsgott Har Blut und Wein als Opfer und bedient<lb/> sich eines Mcnschenschädels als Opferbecher, verehrt sein Roß, sein Schwert<lb/> und dort lieber Kriegsgesänge, als die Litanei des Brahmanen. Selbst der<lb/> Arme bewahrt den Stolz seiner Ahnen, ost sein einziges Erbtheil. Er verab¬<lb/> scheut den Pflug und will sich seiner Lanze nur zu Pferde bedienen. Das Volk<lb/> zerfällt in verschiedene Rangstufen. Fürsten, höhern und niedern Adel. Die Ge¬<lb/> schichte der verschiedenen Staaten des Volkes ist äußerst blutig. Ein Beispiel<lb/> ist der Staat Mewar, aus dessen Annalen wir eine Episode erzählen, die in<lb/> einigen ihrer Züge an den trojanischen Krieg erinnert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1035"> In der Zeit, wo in Chietore, der Hauptstadt Mewars, das Kind Nana<lb/> Lakunsi unter der Vormundschaft seines Oheims Bhiemsi regierte, zog der<lb/> Tartarenkönig Alauddin mit einem zahllosen Heer heran, aber nicht um das<lb/> Land zu erobern, sondern um die Gemahlin Bhiemsi's, des Reichsverwesers<lb/> zu gewinnen. Dieselbe, Pudmani genannt, „war du Schönste ihres Ge¬<lb/> schlechts, dadurch aber die Ursache vieler Uebel" (wie Helena). Ihre Schön¬<lb/> heit und ihr Schicksal ist der Gegenstand der beliebtesten Bardengesänge.<lb/> Nach langer vergeblicher Belagerung der Stadt begnügt sich Alauddin mit<lb/> dem Wunsch, nur einmal ihre unaussprechlichen Reize zu schauen, und erklärt<lb/> sich damit zufrieden, daß man sie ihm im Spiegel zeigt. Dem Worte des<lb/> Radschputenfüisten vertrauend, betritt er im Gefolge weniger Getreuer das<lb/> feste Chietore, und nachdem sein Wunsch erfüllt worden, kehrt er zurück.<lb/> Bhiemsi will ihm an Vertraue» nicht nachstehe», und so begleitet er ihn eine<lb/> Strecke, hier aber wird er verrätherischer Weise von den Tartaren ergriffen<lb/> und in deren Lager geschleppt. Seine Freiheit soll ihm nur wiedergeschenkt<lb/> werden, wenn er Pudmani ausliefert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1036" next="#ID_1037"> Die Kunde von dieser Treulosigkeit verbreitet Verzweiflung in Chietore.<lb/> Pudmani erklärt sich bereit, sich dem Feinde zu ergeben, sinnt aber mit ihrem<lb/> Oheim Gorah und ihrem Neffen Badui eine List aus, um ihre Ehre unbe¬<lb/> fleckt zu erhalten und doch ihren Gatten zu befreien. An den Tartarcnfürsten<lb/> wird die Antwort gesandt, daß sie an dem Tage, wo er die Belagerung<lb/> aufhebe, mit einer ihrem Range angemessenen Begleitung von Dienerinnen<lb/> zu ihm kommen wevde. An dem verabredeten Tage begibt sich ein Zug von<lb/> siebenhundert Palankmen nach dem königlichen Lager, dem Anschein nach<lb/> Mit jenen Dienerinnen, in Wahrheit aber mit den tapfersten Kriegern der<lb/> Stadt besetzt, die von je sechs andern in Träger verkleideten Kämpfern gctra-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1861. 43</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0347]
Ein ganz eigenthümlicher Stamm Indiens sind die Radschputen, die im
Nordwesten von Hindostan wohnen und ein stolzes, kriegerisches Geschlecht
sind. Wahrend der demüthige Hindu das Rind heilig hält und nur von
Früchten. Kräutern und Wasser lebt, schlachtet der Radschpute Büffel, jagt
und ißt den Eber und den Hirsch und schießt wildes Geflügel. Er liebt das
Blut, bringt seinem Kriegsgott Har Blut und Wein als Opfer und bedient
sich eines Mcnschenschädels als Opferbecher, verehrt sein Roß, sein Schwert
und dort lieber Kriegsgesänge, als die Litanei des Brahmanen. Selbst der
Arme bewahrt den Stolz seiner Ahnen, ost sein einziges Erbtheil. Er verab¬
scheut den Pflug und will sich seiner Lanze nur zu Pferde bedienen. Das Volk
zerfällt in verschiedene Rangstufen. Fürsten, höhern und niedern Adel. Die Ge¬
schichte der verschiedenen Staaten des Volkes ist äußerst blutig. Ein Beispiel
ist der Staat Mewar, aus dessen Annalen wir eine Episode erzählen, die in
einigen ihrer Züge an den trojanischen Krieg erinnert.
In der Zeit, wo in Chietore, der Hauptstadt Mewars, das Kind Nana
Lakunsi unter der Vormundschaft seines Oheims Bhiemsi regierte, zog der
Tartarenkönig Alauddin mit einem zahllosen Heer heran, aber nicht um das
Land zu erobern, sondern um die Gemahlin Bhiemsi's, des Reichsverwesers
zu gewinnen. Dieselbe, Pudmani genannt, „war du Schönste ihres Ge¬
schlechts, dadurch aber die Ursache vieler Uebel" (wie Helena). Ihre Schön¬
heit und ihr Schicksal ist der Gegenstand der beliebtesten Bardengesänge.
Nach langer vergeblicher Belagerung der Stadt begnügt sich Alauddin mit
dem Wunsch, nur einmal ihre unaussprechlichen Reize zu schauen, und erklärt
sich damit zufrieden, daß man sie ihm im Spiegel zeigt. Dem Worte des
Radschputenfüisten vertrauend, betritt er im Gefolge weniger Getreuer das
feste Chietore, und nachdem sein Wunsch erfüllt worden, kehrt er zurück.
Bhiemsi will ihm an Vertraue» nicht nachstehe», und so begleitet er ihn eine
Strecke, hier aber wird er verrätherischer Weise von den Tartaren ergriffen
und in deren Lager geschleppt. Seine Freiheit soll ihm nur wiedergeschenkt
werden, wenn er Pudmani ausliefert.
Die Kunde von dieser Treulosigkeit verbreitet Verzweiflung in Chietore.
Pudmani erklärt sich bereit, sich dem Feinde zu ergeben, sinnt aber mit ihrem
Oheim Gorah und ihrem Neffen Badui eine List aus, um ihre Ehre unbe¬
fleckt zu erhalten und doch ihren Gatten zu befreien. An den Tartarcnfürsten
wird die Antwort gesandt, daß sie an dem Tage, wo er die Belagerung
aufhebe, mit einer ihrem Range angemessenen Begleitung von Dienerinnen
zu ihm kommen wevde. An dem verabredeten Tage begibt sich ein Zug von
siebenhundert Palankmen nach dem königlichen Lager, dem Anschein nach
Mit jenen Dienerinnen, in Wahrheit aber mit den tapfersten Kriegern der
Stadt besetzt, die von je sechs andern in Träger verkleideten Kämpfern gctra-
Grenzboten IV. 1861. 43
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |