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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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daher wenig. Dabei will man in dem Könige wol augenblickliche Entschlossen¬
heit, aber wenig beharrlichen Muth anerkennen, er wendet sich von den Hinder¬
nissen, auf die er stößt, unwillig ab, zürnt, schimpft und gibt wohl nach,
aber darum keineswegs auf. Die Geschäftsmänner haben es dabei schlimm,
ihr Eifer genügt dem Könige nie, und doch hemmt er ihn wieder am meisten,
denn er versagt ihnen den Nachdruck, den sie nur von ihm bekommen können;
er freilich verlangt, sie sollen ihn aus der Sache und aus der eigenen Ueber¬
zeugung schöpfen! In solchem Sinne klagen auch schon die Frömmler über
den König, daß er ihnen nur zustimmt, aber nie beisteht; in solchem Sinne
klagen die Minister v. Thiele, v. Savigny, und -- sinnlicher und wehmüthi¬
ger -- Eichhorn. Noch eine Probe kann der König machen und die fürchtet
man für ihn am meisten, nämlich seine eigentlichen Günstlinge an die Spitze
der Geschäfte zu stellen, Bunsen und Radowitz, und man erwartet bestimmt,
diese noch einst als Minister zu sehen. -- Humboldt ist dem Könige, behauptet
man, durchaus unleidlich, ein wahrer Plagegeist, ein beständiger Vorwurf; er
möchte ihn los sein, kann ihn aber freilich nickt los werden, denn er bedarf
seiner zu vielen Sachen und besonders auch als Fahne des Ruhmes, er kann
diesen Glanz nicht missen. Humboldt muß in Glanz und Ehre am Hofe sterben,
bis dahin muß man ihn schon ertragen."

Ueber den damaligen Prinzen von Preußen, über seinen Charakter und
seine politischen Ansichten finden sich, auch einige Bemerkungen, die aber nichts
Neues lehren. Dagegen verdient eine Stelle über Gentz in Betracht gezogen zu
werden (3. October 1841), weil Varnhagen sich anderwärts nicht so ausdrückt.
Er behauptet. Gentz habe bei allen Genüssen doch eigentlich ein trauriges
Leben geführt. "Er selbst wollte sich hierüber täuschen, aber im Hintergrunde
gestand er es wol ein. Er hatte sich den Höchsten und Vornehmsten durch
Geistesüberlegenheit und Geistesthätigkeit zum Gleichen heraufgearbeitet und
lebte mit ihnen als solcher; aber er fühlte wol, daß er diese Stellung nur
durch täglich erneuerte Arbeiten und Dienste behaupten konnte und daß man
ihn doch nur gelten ließ als ein nothwendiges Uebel. Eigentliche Achtung
genoß er nicht, nur die größte Berücksichtigung und Schonung; daß er darauf
gestellt war von den Mächten und Höfen immer große Geschenke zu empfan¬
gen, setzte ihn auch sehr herab in der Meinung. Und. welcher Art waren oft
seine Arbeiten! Mir hätte das Herz dabei geblutet, ich hätte sie dem Minister
v. Metternich vor-die Füße geworfen und gesagt, der Teufel möge sie machen!
Ueberall wo es eine Unterdrückung frischer VolkSregung galt, überall wo
Altes. Verdorbenes mit Gewalt zu erhalten war, trieb ihn sein Amt voran,
und auch sein Eifer, denn er war wirklich darin aufrichtig und glaubte die
gute Sache zu vertreten, Der arme, arme Gentz! Und was hat er mitunter
für Gesellschaft sich gefallen lassen! Allen Schund von alten Diplomaten aller


daher wenig. Dabei will man in dem Könige wol augenblickliche Entschlossen¬
heit, aber wenig beharrlichen Muth anerkennen, er wendet sich von den Hinder¬
nissen, auf die er stößt, unwillig ab, zürnt, schimpft und gibt wohl nach,
aber darum keineswegs auf. Die Geschäftsmänner haben es dabei schlimm,
ihr Eifer genügt dem Könige nie, und doch hemmt er ihn wieder am meisten,
denn er versagt ihnen den Nachdruck, den sie nur von ihm bekommen können;
er freilich verlangt, sie sollen ihn aus der Sache und aus der eigenen Ueber¬
zeugung schöpfen! In solchem Sinne klagen auch schon die Frömmler über
den König, daß er ihnen nur zustimmt, aber nie beisteht; in solchem Sinne
klagen die Minister v. Thiele, v. Savigny, und — sinnlicher und wehmüthi¬
ger — Eichhorn. Noch eine Probe kann der König machen und die fürchtet
man für ihn am meisten, nämlich seine eigentlichen Günstlinge an die Spitze
der Geschäfte zu stellen, Bunsen und Radowitz, und man erwartet bestimmt,
diese noch einst als Minister zu sehen. — Humboldt ist dem Könige, behauptet
man, durchaus unleidlich, ein wahrer Plagegeist, ein beständiger Vorwurf; er
möchte ihn los sein, kann ihn aber freilich nickt los werden, denn er bedarf
seiner zu vielen Sachen und besonders auch als Fahne des Ruhmes, er kann
diesen Glanz nicht missen. Humboldt muß in Glanz und Ehre am Hofe sterben,
bis dahin muß man ihn schon ertragen."

Ueber den damaligen Prinzen von Preußen, über seinen Charakter und
seine politischen Ansichten finden sich, auch einige Bemerkungen, die aber nichts
Neues lehren. Dagegen verdient eine Stelle über Gentz in Betracht gezogen zu
werden (3. October 1841), weil Varnhagen sich anderwärts nicht so ausdrückt.
Er behauptet. Gentz habe bei allen Genüssen doch eigentlich ein trauriges
Leben geführt. „Er selbst wollte sich hierüber täuschen, aber im Hintergrunde
gestand er es wol ein. Er hatte sich den Höchsten und Vornehmsten durch
Geistesüberlegenheit und Geistesthätigkeit zum Gleichen heraufgearbeitet und
lebte mit ihnen als solcher; aber er fühlte wol, daß er diese Stellung nur
durch täglich erneuerte Arbeiten und Dienste behaupten konnte und daß man
ihn doch nur gelten ließ als ein nothwendiges Uebel. Eigentliche Achtung
genoß er nicht, nur die größte Berücksichtigung und Schonung; daß er darauf
gestellt war von den Mächten und Höfen immer große Geschenke zu empfan¬
gen, setzte ihn auch sehr herab in der Meinung. Und. welcher Art waren oft
seine Arbeiten! Mir hätte das Herz dabei geblutet, ich hätte sie dem Minister
v. Metternich vor-die Füße geworfen und gesagt, der Teufel möge sie machen!
Ueberall wo es eine Unterdrückung frischer VolkSregung galt, überall wo
Altes. Verdorbenes mit Gewalt zu erhalten war, trieb ihn sein Amt voran,
und auch sein Eifer, denn er war wirklich darin aufrichtig und glaubte die
gute Sache zu vertreten, Der arme, arme Gentz! Und was hat er mitunter
für Gesellschaft sich gefallen lassen! Allen Schund von alten Diplomaten aller


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[0335] daher wenig. Dabei will man in dem Könige wol augenblickliche Entschlossen¬ heit, aber wenig beharrlichen Muth anerkennen, er wendet sich von den Hinder¬ nissen, auf die er stößt, unwillig ab, zürnt, schimpft und gibt wohl nach, aber darum keineswegs auf. Die Geschäftsmänner haben es dabei schlimm, ihr Eifer genügt dem Könige nie, und doch hemmt er ihn wieder am meisten, denn er versagt ihnen den Nachdruck, den sie nur von ihm bekommen können; er freilich verlangt, sie sollen ihn aus der Sache und aus der eigenen Ueber¬ zeugung schöpfen! In solchem Sinne klagen auch schon die Frömmler über den König, daß er ihnen nur zustimmt, aber nie beisteht; in solchem Sinne klagen die Minister v. Thiele, v. Savigny, und — sinnlicher und wehmüthi¬ ger — Eichhorn. Noch eine Probe kann der König machen und die fürchtet man für ihn am meisten, nämlich seine eigentlichen Günstlinge an die Spitze der Geschäfte zu stellen, Bunsen und Radowitz, und man erwartet bestimmt, diese noch einst als Minister zu sehen. — Humboldt ist dem Könige, behauptet man, durchaus unleidlich, ein wahrer Plagegeist, ein beständiger Vorwurf; er möchte ihn los sein, kann ihn aber freilich nickt los werden, denn er bedarf seiner zu vielen Sachen und besonders auch als Fahne des Ruhmes, er kann diesen Glanz nicht missen. Humboldt muß in Glanz und Ehre am Hofe sterben, bis dahin muß man ihn schon ertragen." Ueber den damaligen Prinzen von Preußen, über seinen Charakter und seine politischen Ansichten finden sich, auch einige Bemerkungen, die aber nichts Neues lehren. Dagegen verdient eine Stelle über Gentz in Betracht gezogen zu werden (3. October 1841), weil Varnhagen sich anderwärts nicht so ausdrückt. Er behauptet. Gentz habe bei allen Genüssen doch eigentlich ein trauriges Leben geführt. „Er selbst wollte sich hierüber täuschen, aber im Hintergrunde gestand er es wol ein. Er hatte sich den Höchsten und Vornehmsten durch Geistesüberlegenheit und Geistesthätigkeit zum Gleichen heraufgearbeitet und lebte mit ihnen als solcher; aber er fühlte wol, daß er diese Stellung nur durch täglich erneuerte Arbeiten und Dienste behaupten konnte und daß man ihn doch nur gelten ließ als ein nothwendiges Uebel. Eigentliche Achtung genoß er nicht, nur die größte Berücksichtigung und Schonung; daß er darauf gestellt war von den Mächten und Höfen immer große Geschenke zu empfan¬ gen, setzte ihn auch sehr herab in der Meinung. Und. welcher Art waren oft seine Arbeiten! Mir hätte das Herz dabei geblutet, ich hätte sie dem Minister v. Metternich vor-die Füße geworfen und gesagt, der Teufel möge sie machen! Ueberall wo es eine Unterdrückung frischer VolkSregung galt, überall wo Altes. Verdorbenes mit Gewalt zu erhalten war, trieb ihn sein Amt voran, und auch sein Eifer, denn er war wirklich darin aufrichtig und glaubte die gute Sache zu vertreten, Der arme, arme Gentz! Und was hat er mitunter für Gesellschaft sich gefallen lassen! Allen Schund von alten Diplomaten aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/335>, abgerufen am 29.12.2024.