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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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ohne Saft und Kraft, in seinem halbdurchsichtigen Schleim ist er herange-
krochen an Staat und Kirche, und besudelt beide." -- Wir theilen zwar die
Begeisterung keineswegs, die in den legten Jahren für Bunsens religiösen
Liberalismus in Schwang gekommen ist, aber es wäre wohl der Mühe werth,
daß ein Sachverständiger ohne Liebe und Haß von diesem einflußreichen Mann
ein zusammenhängendes Bild entwürfe.

Eine ähnliche Unsicherheit herrscht in den Urtheilen über Eichhorn, Se>-
vigny u. s. w.; die Stimmung des Publicums gibt jedesmal den Ausschlag.
Vom General Gerlach erfahren wir. daß er seinen Witz auch im Frömmeln
nicht lassen konnte; ein jedes Wort über Nadowitz wird von. ihm mitgetheilt:
er käme immer mit vollem Beutel an. als ob er alle Welt'bewirthen wolle,
und reise so leer ab, daß er nicht die letzte Wirthshausrechnung zu bezahlen
im Stande jei. Und wie das zugeht? "Das ist ganz einfach! Es theilt
Jemand eine Idee mit, sie wird lebhaft ergriffen, sie soll eifrig ausgeführt
werden, der Vorschlagende wird berufen, in seiner Sache bestärkt, nun soll er
an's Werk. Da kommen andere Leute mit in's Spiel, dn treten Schwierig¬
keiten, Widerspruch und Widerlegung auf. zum wenigsten starke Hindernisse,
die aus dem Wege zu räumen entschiedener Machtwille nöthig wäre, allein
dieser fehlt, im Gegentheil, der Eifer wird matt, die öftere Wiederaufnahme
der bestrittenen Sache wird verdrießlich, langweilig, wird abgelehnt und die
Idee bleibt unausgeführt hängen." --

Nach dem Eindruck, den der Briefwechsel mit Humboldt gemacht hat,
wird man in diesem Buche auf Enthüllungen über die höchsten Personen neu¬
gierig sein, sie sind aber nicht bedeutend. Für den verstorbenen König scheint
Varnhagen auf seine Art eine wirkliche Zuneigung gehabt zu haben, wenn
er auch nicht unterlassen kann, von ihm eine Anzahl mißliebiger Anekdoten
mitzutheilen. Ein Wort über ihn scheint uns rührend und bedeutend, obgleich
auch daraus hervorgeht, daß Varnhagen's Urtheile immer nur aus zweiter
Hand sind. -- Er schreibt 2. März 1844! "Ungeachtet der liebenswürdigen
Heiterkeit und ost ausgelassene" Lustigkeit, welche der König zeigt, und durch
die er besonders Fremde so leicht einnimmt, hegt er in seinem Innern, so
wird behauptet, solche Stimmung keineswegs: im Gegentheil, diese sei ver¬
düstert, unmuthig, von schreckenden Gefühlen aller Art durchfressen, zum Ueber -
druß und Ekel ermüdet und erschöpft. Mes. was er in die Hände nimmt,
bricht oder welkt; seine liebsten Vorstellungen sind mißkannt. verfehlt; er klagt,
daß Niemand, aber auch Niemand ihn verstehe, ihn unterstütze; den praktischen,
ordnenden Verstand, den er zur Seite habe" müßte, als befreundeten Gehilfen,
findet er nur auf der Gegenseite, als feindlichen Widerspruch, und die Lieb¬
linge, welche seinen Neigungen dienen, haben kein Vertrauen bei Anderen,
sind dem Volke verhaßt, schaden den Neiguage" ungeheuer und helfen ihnen


ohne Saft und Kraft, in seinem halbdurchsichtigen Schleim ist er herange-
krochen an Staat und Kirche, und besudelt beide." — Wir theilen zwar die
Begeisterung keineswegs, die in den legten Jahren für Bunsens religiösen
Liberalismus in Schwang gekommen ist, aber es wäre wohl der Mühe werth,
daß ein Sachverständiger ohne Liebe und Haß von diesem einflußreichen Mann
ein zusammenhängendes Bild entwürfe.

Eine ähnliche Unsicherheit herrscht in den Urtheilen über Eichhorn, Se>-
vigny u. s. w.; die Stimmung des Publicums gibt jedesmal den Ausschlag.
Vom General Gerlach erfahren wir. daß er seinen Witz auch im Frömmeln
nicht lassen konnte; ein jedes Wort über Nadowitz wird von. ihm mitgetheilt:
er käme immer mit vollem Beutel an. als ob er alle Welt'bewirthen wolle,
und reise so leer ab, daß er nicht die letzte Wirthshausrechnung zu bezahlen
im Stande jei. Und wie das zugeht? „Das ist ganz einfach! Es theilt
Jemand eine Idee mit, sie wird lebhaft ergriffen, sie soll eifrig ausgeführt
werden, der Vorschlagende wird berufen, in seiner Sache bestärkt, nun soll er
an's Werk. Da kommen andere Leute mit in's Spiel, dn treten Schwierig¬
keiten, Widerspruch und Widerlegung auf. zum wenigsten starke Hindernisse,
die aus dem Wege zu räumen entschiedener Machtwille nöthig wäre, allein
dieser fehlt, im Gegentheil, der Eifer wird matt, die öftere Wiederaufnahme
der bestrittenen Sache wird verdrießlich, langweilig, wird abgelehnt und die
Idee bleibt unausgeführt hängen." —

Nach dem Eindruck, den der Briefwechsel mit Humboldt gemacht hat,
wird man in diesem Buche auf Enthüllungen über die höchsten Personen neu¬
gierig sein, sie sind aber nicht bedeutend. Für den verstorbenen König scheint
Varnhagen auf seine Art eine wirkliche Zuneigung gehabt zu haben, wenn
er auch nicht unterlassen kann, von ihm eine Anzahl mißliebiger Anekdoten
mitzutheilen. Ein Wort über ihn scheint uns rührend und bedeutend, obgleich
auch daraus hervorgeht, daß Varnhagen's Urtheile immer nur aus zweiter
Hand sind. — Er schreibt 2. März 1844! „Ungeachtet der liebenswürdigen
Heiterkeit und ost ausgelassene» Lustigkeit, welche der König zeigt, und durch
die er besonders Fremde so leicht einnimmt, hegt er in seinem Innern, so
wird behauptet, solche Stimmung keineswegs: im Gegentheil, diese sei ver¬
düstert, unmuthig, von schreckenden Gefühlen aller Art durchfressen, zum Ueber -
druß und Ekel ermüdet und erschöpft. Mes. was er in die Hände nimmt,
bricht oder welkt; seine liebsten Vorstellungen sind mißkannt. verfehlt; er klagt,
daß Niemand, aber auch Niemand ihn verstehe, ihn unterstütze; den praktischen,
ordnenden Verstand, den er zur Seite habe» müßte, als befreundeten Gehilfen,
findet er nur auf der Gegenseite, als feindlichen Widerspruch, und die Lieb¬
linge, welche seinen Neigungen dienen, haben kein Vertrauen bei Anderen,
sind dem Volke verhaßt, schaden den Neiguage» ungeheuer und helfen ihnen


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[0334] ohne Saft und Kraft, in seinem halbdurchsichtigen Schleim ist er herange- krochen an Staat und Kirche, und besudelt beide." — Wir theilen zwar die Begeisterung keineswegs, die in den legten Jahren für Bunsens religiösen Liberalismus in Schwang gekommen ist, aber es wäre wohl der Mühe werth, daß ein Sachverständiger ohne Liebe und Haß von diesem einflußreichen Mann ein zusammenhängendes Bild entwürfe. Eine ähnliche Unsicherheit herrscht in den Urtheilen über Eichhorn, Se>- vigny u. s. w.; die Stimmung des Publicums gibt jedesmal den Ausschlag. Vom General Gerlach erfahren wir. daß er seinen Witz auch im Frömmeln nicht lassen konnte; ein jedes Wort über Nadowitz wird von. ihm mitgetheilt: er käme immer mit vollem Beutel an. als ob er alle Welt'bewirthen wolle, und reise so leer ab, daß er nicht die letzte Wirthshausrechnung zu bezahlen im Stande jei. Und wie das zugeht? „Das ist ganz einfach! Es theilt Jemand eine Idee mit, sie wird lebhaft ergriffen, sie soll eifrig ausgeführt werden, der Vorschlagende wird berufen, in seiner Sache bestärkt, nun soll er an's Werk. Da kommen andere Leute mit in's Spiel, dn treten Schwierig¬ keiten, Widerspruch und Widerlegung auf. zum wenigsten starke Hindernisse, die aus dem Wege zu räumen entschiedener Machtwille nöthig wäre, allein dieser fehlt, im Gegentheil, der Eifer wird matt, die öftere Wiederaufnahme der bestrittenen Sache wird verdrießlich, langweilig, wird abgelehnt und die Idee bleibt unausgeführt hängen." — Nach dem Eindruck, den der Briefwechsel mit Humboldt gemacht hat, wird man in diesem Buche auf Enthüllungen über die höchsten Personen neu¬ gierig sein, sie sind aber nicht bedeutend. Für den verstorbenen König scheint Varnhagen auf seine Art eine wirkliche Zuneigung gehabt zu haben, wenn er auch nicht unterlassen kann, von ihm eine Anzahl mißliebiger Anekdoten mitzutheilen. Ein Wort über ihn scheint uns rührend und bedeutend, obgleich auch daraus hervorgeht, daß Varnhagen's Urtheile immer nur aus zweiter Hand sind. — Er schreibt 2. März 1844! „Ungeachtet der liebenswürdigen Heiterkeit und ost ausgelassene» Lustigkeit, welche der König zeigt, und durch die er besonders Fremde so leicht einnimmt, hegt er in seinem Innern, so wird behauptet, solche Stimmung keineswegs: im Gegentheil, diese sei ver¬ düstert, unmuthig, von schreckenden Gefühlen aller Art durchfressen, zum Ueber - druß und Ekel ermüdet und erschöpft. Mes. was er in die Hände nimmt, bricht oder welkt; seine liebsten Vorstellungen sind mißkannt. verfehlt; er klagt, daß Niemand, aber auch Niemand ihn verstehe, ihn unterstütze; den praktischen, ordnenden Verstand, den er zur Seite habe» müßte, als befreundeten Gehilfen, findet er nur auf der Gegenseite, als feindlichen Widerspruch, und die Lieb¬ linge, welche seinen Neigungen dienen, haben kein Vertrauen bei Anderen, sind dem Volke verhaßt, schaden den Neiguage» ungeheuer und helfen ihnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/334>, abgerufen am 29.12.2024.