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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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große Stufenleiter. Daß der Juristencongreß keine blos geduldete Versamm
lung war, wurde durch das Festprogramm genugsam erwiesen. Man könnte
eher annehmen, daß er auf dem Wege sei verwöhnt zu werden. Wenn nach
Dresden noch Steigerungen stattfinden sollten, wenn noch mehr geschehen sollte,
als Bewirthungen von Seiten des Ministeriums, tägliche Spazierfahrten mit
Eisenbahn und Dampfschiff, Festlichkeiten und die vollste Rücksicht sogar für
die Damen der Herren Juristen, so müßte nothgedrungen der Juristenverein
übermüthig werden. Die Nachrichten von solchen Festordnungen werden in
Zukunft vollends alle juristischen Frauen und Töchter alarmiren und dem
Juristencongreß einen Schönheitscongreß anschließen, der an Zahl und Be¬
deutsamkeit kaum nachsteht.

Doch Scherz bei Seite. Eine gewisse Gefahr liegt sicherlich in der zu
großen Reichhaltigkeit der Festivitäten. Nicht blos in der Richtung, daß dadurch
die Aufmerksamkeit von der ernsten Aufgabe abgewendet werden mag. Es
sind noch andere Gründe, welche namentlich gegen die officiellen Ehrenbezeu¬
gungen n. tgi. sprechen. Erfahrungsmäßig haben sich die Versammlungen
am besten befunden, welche sich von allen dergleichen Verpflichtungen, seien
es auch nur Verpflichtungen der höflichen Sitte, frei wußten. Indessen sei es
ferne, dem Dresdner Comitö einen Vorwurf machen zu wollen. Wer noch so
sehr für das genügsamste Beisammensein eingenommen, wer vollständig be¬
friedigt wäre, wenn nur eben den Mitgliedern Zeit, Ort und Raum nicht
fehlte, in Bequemlichkeit einander zu finden und auszusprechen, mußte hier sich
gefallen lassen, auf die liebenswürdigste Art, namentlich von dem unermüdlichen
Festordner, dem Vorsitzenden des Localcomit^'s, von Lustbarkeit zu Lustbarkeit
geführt zu werden. Die volle Gemüthlichkeit wurde nirgends vermißt. Man
bewegte sich stets vollkommen zwanglos, und so waren die Bedingungen des
erwünschten persönlichen Verkehrs durchaus erfüllt.

Wirklich wird im Ganzen ein Jeder in dieser Richtung alle seine Wünsche
erfüllt erklären müssen. Daß sich mehr als siebenhundert Mitglieder nicht in
der ersten Stunde zu kennen und zu gruppiren vermögen, versteht sich von selbst;
noch weniger ließ sich erwarten, daß am ersten Abend ein jeder Einzelne die¬
jenigen ausfinden mochte, für die er ein Interesse hegte. Allmälig schieden
sich die Gruppen, wovon die abendlichen Zusammenkünfte nach vollbrachtem
Hauptvergnügen Zeugniß gaben, und allmälig war es möglich, daß alle die¬
jenigen, welche sich zueinander hingezogen fühlten, sich begegneten. In dieser
Hinsicht war es wenigstens eigene Schuld, wenn dem Einzelnen das entging,
was er gehofft hatte.

Gewiß ist es kein Kleines und ein Verdienst des diesjährigen Vorortes,
daß so der persönliche Verkehr trotz der hohen Zahl der Anwesenden sich voll¬
kommen entwickeln konnte. Und wäre weiter gar Nichts geschehen, so würden


große Stufenleiter. Daß der Juristencongreß keine blos geduldete Versamm
lung war, wurde durch das Festprogramm genugsam erwiesen. Man könnte
eher annehmen, daß er auf dem Wege sei verwöhnt zu werden. Wenn nach
Dresden noch Steigerungen stattfinden sollten, wenn noch mehr geschehen sollte,
als Bewirthungen von Seiten des Ministeriums, tägliche Spazierfahrten mit
Eisenbahn und Dampfschiff, Festlichkeiten und die vollste Rücksicht sogar für
die Damen der Herren Juristen, so müßte nothgedrungen der Juristenverein
übermüthig werden. Die Nachrichten von solchen Festordnungen werden in
Zukunft vollends alle juristischen Frauen und Töchter alarmiren und dem
Juristencongreß einen Schönheitscongreß anschließen, der an Zahl und Be¬
deutsamkeit kaum nachsteht.

Doch Scherz bei Seite. Eine gewisse Gefahr liegt sicherlich in der zu
großen Reichhaltigkeit der Festivitäten. Nicht blos in der Richtung, daß dadurch
die Aufmerksamkeit von der ernsten Aufgabe abgewendet werden mag. Es
sind noch andere Gründe, welche namentlich gegen die officiellen Ehrenbezeu¬
gungen n. tgi. sprechen. Erfahrungsmäßig haben sich die Versammlungen
am besten befunden, welche sich von allen dergleichen Verpflichtungen, seien
es auch nur Verpflichtungen der höflichen Sitte, frei wußten. Indessen sei es
ferne, dem Dresdner Comitö einen Vorwurf machen zu wollen. Wer noch so
sehr für das genügsamste Beisammensein eingenommen, wer vollständig be¬
friedigt wäre, wenn nur eben den Mitgliedern Zeit, Ort und Raum nicht
fehlte, in Bequemlichkeit einander zu finden und auszusprechen, mußte hier sich
gefallen lassen, auf die liebenswürdigste Art, namentlich von dem unermüdlichen
Festordner, dem Vorsitzenden des Localcomit^'s, von Lustbarkeit zu Lustbarkeit
geführt zu werden. Die volle Gemüthlichkeit wurde nirgends vermißt. Man
bewegte sich stets vollkommen zwanglos, und so waren die Bedingungen des
erwünschten persönlichen Verkehrs durchaus erfüllt.

Wirklich wird im Ganzen ein Jeder in dieser Richtung alle seine Wünsche
erfüllt erklären müssen. Daß sich mehr als siebenhundert Mitglieder nicht in
der ersten Stunde zu kennen und zu gruppiren vermögen, versteht sich von selbst;
noch weniger ließ sich erwarten, daß am ersten Abend ein jeder Einzelne die¬
jenigen ausfinden mochte, für die er ein Interesse hegte. Allmälig schieden
sich die Gruppen, wovon die abendlichen Zusammenkünfte nach vollbrachtem
Hauptvergnügen Zeugniß gaben, und allmälig war es möglich, daß alle die¬
jenigen, welche sich zueinander hingezogen fühlten, sich begegneten. In dieser
Hinsicht war es wenigstens eigene Schuld, wenn dem Einzelnen das entging,
was er gehofft hatte.

Gewiß ist es kein Kleines und ein Verdienst des diesjährigen Vorortes,
daß so der persönliche Verkehr trotz der hohen Zahl der Anwesenden sich voll¬
kommen entwickeln konnte. Und wäre weiter gar Nichts geschehen, so würden


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[0274] große Stufenleiter. Daß der Juristencongreß keine blos geduldete Versamm lung war, wurde durch das Festprogramm genugsam erwiesen. Man könnte eher annehmen, daß er auf dem Wege sei verwöhnt zu werden. Wenn nach Dresden noch Steigerungen stattfinden sollten, wenn noch mehr geschehen sollte, als Bewirthungen von Seiten des Ministeriums, tägliche Spazierfahrten mit Eisenbahn und Dampfschiff, Festlichkeiten und die vollste Rücksicht sogar für die Damen der Herren Juristen, so müßte nothgedrungen der Juristenverein übermüthig werden. Die Nachrichten von solchen Festordnungen werden in Zukunft vollends alle juristischen Frauen und Töchter alarmiren und dem Juristencongreß einen Schönheitscongreß anschließen, der an Zahl und Be¬ deutsamkeit kaum nachsteht. Doch Scherz bei Seite. Eine gewisse Gefahr liegt sicherlich in der zu großen Reichhaltigkeit der Festivitäten. Nicht blos in der Richtung, daß dadurch die Aufmerksamkeit von der ernsten Aufgabe abgewendet werden mag. Es sind noch andere Gründe, welche namentlich gegen die officiellen Ehrenbezeu¬ gungen n. tgi. sprechen. Erfahrungsmäßig haben sich die Versammlungen am besten befunden, welche sich von allen dergleichen Verpflichtungen, seien es auch nur Verpflichtungen der höflichen Sitte, frei wußten. Indessen sei es ferne, dem Dresdner Comitö einen Vorwurf machen zu wollen. Wer noch so sehr für das genügsamste Beisammensein eingenommen, wer vollständig be¬ friedigt wäre, wenn nur eben den Mitgliedern Zeit, Ort und Raum nicht fehlte, in Bequemlichkeit einander zu finden und auszusprechen, mußte hier sich gefallen lassen, auf die liebenswürdigste Art, namentlich von dem unermüdlichen Festordner, dem Vorsitzenden des Localcomit^'s, von Lustbarkeit zu Lustbarkeit geführt zu werden. Die volle Gemüthlichkeit wurde nirgends vermißt. Man bewegte sich stets vollkommen zwanglos, und so waren die Bedingungen des erwünschten persönlichen Verkehrs durchaus erfüllt. Wirklich wird im Ganzen ein Jeder in dieser Richtung alle seine Wünsche erfüllt erklären müssen. Daß sich mehr als siebenhundert Mitglieder nicht in der ersten Stunde zu kennen und zu gruppiren vermögen, versteht sich von selbst; noch weniger ließ sich erwarten, daß am ersten Abend ein jeder Einzelne die¬ jenigen ausfinden mochte, für die er ein Interesse hegte. Allmälig schieden sich die Gruppen, wovon die abendlichen Zusammenkünfte nach vollbrachtem Hauptvergnügen Zeugniß gaben, und allmälig war es möglich, daß alle die¬ jenigen, welche sich zueinander hingezogen fühlten, sich begegneten. In dieser Hinsicht war es wenigstens eigene Schuld, wenn dem Einzelnen das entging, was er gehofft hatte. Gewiß ist es kein Kleines und ein Verdienst des diesjährigen Vorortes, daß so der persönliche Verkehr trotz der hohen Zahl der Anwesenden sich voll¬ kommen entwickeln konnte. Und wäre weiter gar Nichts geschehen, so würden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/274>, abgerufen am 23.07.2024.