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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Alles bringt eine Stimmung hervor, die sich wie eine süße Schwermuth Ms
das Gemüth des Beschauers legt. Der Zug dieser eigenthümlichen Melancholie
ist auch in den größeren italienischen Gestalten des Meisters; dazu kommt eine
Behandlung, welche die feste Form, ohne sie aufzulösen, in einen bläulichen
zarten Duft wie verzittern läßt. ' In ähnlicher Weise suchen Auguste Gendron
(florentinische Scene aus dem 15. Jahrhundert) und Alfred de Carzon
eine zugleich malerische und poetische, die Empfindung anregende Wirkung zu
erreiche"; Ialabcrt's und Cabanel's (poete nor mein), die zum Theil auch
hierher zählen, ist schon bei den Idealisten gedacht. Jean Andere hält sich
mehr an classische Gestalten, die er in eine sentimentale Beziehung bringt.
Rodolphe Lehmann und Pigneroile, eine Art Nachfolger von Robett,
gehen mehr auf colonstischen Reiz aus. Keiner von diesen allen kann sich
mit Hebert messen. Was die ganze Gattung kennzeichnet, ist "in merkliches
Hervorheben des Malerischen, -das zugleich durch irgend einen poetischen Reiz
der modernen Gefühlsweise entgegenkommen soll. -- Ein eigenthümliches
Talent ist Narcisse Diaz, der mit anmuthigem, etwas leichtfertigen Spiel
der Phantasie die Nymphen und Götter der alten Welt in Busch und Wald
verklingen, verschweben läßt, um über sie den Zauber einer romantischen Welt
auszugießen. Diese ungewisse Schwebe zwischen beiden Welten drückt sich
denn auch in der Behandlung aus: alle Formen und Bewegungen zerfließen
wie in Waldesduft; es ist ein Gaukeln und Lächeln von unbestimmten Traum¬
gebilden, die auch wol mit verführerischen Reiz an die Sinnlichkeit sich wenden,
und das Ganze ist schließlich wie das musikalische Ausklingen einer mührchen-
haften Stimmung.

Srnd alle diese Maler von einer gewissen Absichtlichkeit, mit welcher
sie zu der malerischen die poetische Wirkung fügen, nicht freizusprechen: so
macht sich neben ihnen eine Klasse von Künstlern, denen es vornehmlich
um Eleganz zu thun ist. durch eine absolute Leere an poetischer Empfindung
bemerklich. Es sind die Modemaler, welche die verschiedensten malerischen
Motive mit einer und derselben charakterlosen, hohl lächelnden, geleckten Ma¬
nier behandeln, in der Form und Bewegung weibisch kokett sind, Seide und
Sammet eben frisch aus dem Laden gekommen zu malen verstehen und durch
eine glatte äußerliche Vollendung dem Publicum imponiren. Der ältere
Dubufe und Fred. Chopin eröffnen diese Richtung (Letzterer mit preten-
twsen Geschichtsbildern), ihnen folgen der jüngere Dubufe, Winterhalter
und Charles Louis Müller. Die schönsten Motive werden durch sie zur
naturlosen Eleganz verzerrt; sie erhalten eine salonfähige Toilette, in der
sie bei einem absoluten Mangel alles inneren Lebens die Liebenswürdigen zu
spielen suchen. Ob sich diese Künstler große tragische Momente oder anmuthige
Scenen heiteren Lebensgenusses zum Borwurf nehmen (Müller thut beides),


Alles bringt eine Stimmung hervor, die sich wie eine süße Schwermuth Ms
das Gemüth des Beschauers legt. Der Zug dieser eigenthümlichen Melancholie
ist auch in den größeren italienischen Gestalten des Meisters; dazu kommt eine
Behandlung, welche die feste Form, ohne sie aufzulösen, in einen bläulichen
zarten Duft wie verzittern läßt. ' In ähnlicher Weise suchen Auguste Gendron
(florentinische Scene aus dem 15. Jahrhundert) und Alfred de Carzon
eine zugleich malerische und poetische, die Empfindung anregende Wirkung zu
erreiche»; Ialabcrt's und Cabanel's (poete nor mein), die zum Theil auch
hierher zählen, ist schon bei den Idealisten gedacht. Jean Andere hält sich
mehr an classische Gestalten, die er in eine sentimentale Beziehung bringt.
Rodolphe Lehmann und Pigneroile, eine Art Nachfolger von Robett,
gehen mehr auf colonstischen Reiz aus. Keiner von diesen allen kann sich
mit Hebert messen. Was die ganze Gattung kennzeichnet, ist «in merkliches
Hervorheben des Malerischen, -das zugleich durch irgend einen poetischen Reiz
der modernen Gefühlsweise entgegenkommen soll. — Ein eigenthümliches
Talent ist Narcisse Diaz, der mit anmuthigem, etwas leichtfertigen Spiel
der Phantasie die Nymphen und Götter der alten Welt in Busch und Wald
verklingen, verschweben läßt, um über sie den Zauber einer romantischen Welt
auszugießen. Diese ungewisse Schwebe zwischen beiden Welten drückt sich
denn auch in der Behandlung aus: alle Formen und Bewegungen zerfließen
wie in Waldesduft; es ist ein Gaukeln und Lächeln von unbestimmten Traum¬
gebilden, die auch wol mit verführerischen Reiz an die Sinnlichkeit sich wenden,
und das Ganze ist schließlich wie das musikalische Ausklingen einer mührchen-
haften Stimmung.

Srnd alle diese Maler von einer gewissen Absichtlichkeit, mit welcher
sie zu der malerischen die poetische Wirkung fügen, nicht freizusprechen: so
macht sich neben ihnen eine Klasse von Künstlern, denen es vornehmlich
um Eleganz zu thun ist. durch eine absolute Leere an poetischer Empfindung
bemerklich. Es sind die Modemaler, welche die verschiedensten malerischen
Motive mit einer und derselben charakterlosen, hohl lächelnden, geleckten Ma¬
nier behandeln, in der Form und Bewegung weibisch kokett sind, Seide und
Sammet eben frisch aus dem Laden gekommen zu malen verstehen und durch
eine glatte äußerliche Vollendung dem Publicum imponiren. Der ältere
Dubufe und Fred. Chopin eröffnen diese Richtung (Letzterer mit preten-
twsen Geschichtsbildern), ihnen folgen der jüngere Dubufe, Winterhalter
und Charles Louis Müller. Die schönsten Motive werden durch sie zur
naturlosen Eleganz verzerrt; sie erhalten eine salonfähige Toilette, in der
sie bei einem absoluten Mangel alles inneren Lebens die Liebenswürdigen zu
spielen suchen. Ob sich diese Künstler große tragische Momente oder anmuthige
Scenen heiteren Lebensgenusses zum Borwurf nehmen (Müller thut beides),


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[0265] Alles bringt eine Stimmung hervor, die sich wie eine süße Schwermuth Ms das Gemüth des Beschauers legt. Der Zug dieser eigenthümlichen Melancholie ist auch in den größeren italienischen Gestalten des Meisters; dazu kommt eine Behandlung, welche die feste Form, ohne sie aufzulösen, in einen bläulichen zarten Duft wie verzittern läßt. ' In ähnlicher Weise suchen Auguste Gendron (florentinische Scene aus dem 15. Jahrhundert) und Alfred de Carzon eine zugleich malerische und poetische, die Empfindung anregende Wirkung zu erreiche»; Ialabcrt's und Cabanel's (poete nor mein), die zum Theil auch hierher zählen, ist schon bei den Idealisten gedacht. Jean Andere hält sich mehr an classische Gestalten, die er in eine sentimentale Beziehung bringt. Rodolphe Lehmann und Pigneroile, eine Art Nachfolger von Robett, gehen mehr auf colonstischen Reiz aus. Keiner von diesen allen kann sich mit Hebert messen. Was die ganze Gattung kennzeichnet, ist «in merkliches Hervorheben des Malerischen, -das zugleich durch irgend einen poetischen Reiz der modernen Gefühlsweise entgegenkommen soll. — Ein eigenthümliches Talent ist Narcisse Diaz, der mit anmuthigem, etwas leichtfertigen Spiel der Phantasie die Nymphen und Götter der alten Welt in Busch und Wald verklingen, verschweben läßt, um über sie den Zauber einer romantischen Welt auszugießen. Diese ungewisse Schwebe zwischen beiden Welten drückt sich denn auch in der Behandlung aus: alle Formen und Bewegungen zerfließen wie in Waldesduft; es ist ein Gaukeln und Lächeln von unbestimmten Traum¬ gebilden, die auch wol mit verführerischen Reiz an die Sinnlichkeit sich wenden, und das Ganze ist schließlich wie das musikalische Ausklingen einer mührchen- haften Stimmung. Srnd alle diese Maler von einer gewissen Absichtlichkeit, mit welcher sie zu der malerischen die poetische Wirkung fügen, nicht freizusprechen: so macht sich neben ihnen eine Klasse von Künstlern, denen es vornehmlich um Eleganz zu thun ist. durch eine absolute Leere an poetischer Empfindung bemerklich. Es sind die Modemaler, welche die verschiedensten malerischen Motive mit einer und derselben charakterlosen, hohl lächelnden, geleckten Ma¬ nier behandeln, in der Form und Bewegung weibisch kokett sind, Seide und Sammet eben frisch aus dem Laden gekommen zu malen verstehen und durch eine glatte äußerliche Vollendung dem Publicum imponiren. Der ältere Dubufe und Fred. Chopin eröffnen diese Richtung (Letzterer mit preten- twsen Geschichtsbildern), ihnen folgen der jüngere Dubufe, Winterhalter und Charles Louis Müller. Die schönsten Motive werden durch sie zur naturlosen Eleganz verzerrt; sie erhalten eine salonfähige Toilette, in der sie bei einem absoluten Mangel alles inneren Lebens die Liebenswürdigen zu spielen suchen. Ob sich diese Künstler große tragische Momente oder anmuthige Scenen heiteren Lebensgenusses zum Borwurf nehmen (Müller thut beides),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/265>, abgerufen am 23.07.2024.