Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.lichen Motive sind nur ein Vorwand , um uns die schönen Menschen und Aus der neuern Zeit werden vornehmlich das 17. und 18. Jahrhundert lichen Motive sind nur ein Vorwand , um uns die schönen Menschen und Aus der neuern Zeit werden vornehmlich das 17. und 18. Jahrhundert <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112770"/> <p xml:id="ID_775" prev="#ID_774"> lichen Motive sind nur ein Vorwand , um uns die schönen Menschen und<lb/> Culturformen der alten Welt in der Bestimmtheit des gewöhnlichen Lebens<lb/> vorzuführen. Die ungewohnte Anschauung, ein feines Verständniß für die<lb/> Form und Bewegung des Körpers, dazu die sorgfältigste Ausführung geben<lb/> den Bildern einen eigenthümlichen Reiz, aber fast in allen ist eine triviale,<lb/> oft unedle Auffassung der geistigen Beziehung (griechisches Lupanar. Phryne<lb/> vor den Richtern, der beiden Augurn). Von reinerer Wirkung sind insofern<lb/> einige Genrebilder aus der neueren Zeit (Duell nach dem Maskenbälle, rufst'<lb/> sche Soldaten). — In einer andern Weise behandelt Louis Hamon antike<lb/> Menschen in der Gewöhnung des täglichen Daseins. Er gibt Phantastege-<lb/> vilde; er schiebt seinen Gestalten gerne novellistische Beziehungen moderner Art<lb/> unter, bringt auch wol seine hell, leicht, anmuihig hingehauchten Figuren, denen<lb/> deshalb doch die Bestimmtheit der Form nicht fehlt, in ein ganz räthselhaftes<lb/> Verhältniß (Na soöur n'^ est L!om6ale uurnams, Huart ä'ueurs as Rabelais,<lb/> u. s. f.) Die Bilder sprechen eben durch dieses Spiel der Phantasie an, das<lb/> in jener zarten, duftigen Behandlung seinen angemessenen Ausdruck findet. —<lb/> In ähnlicher Art, wie diese Vorgänger, aber ohne sie zu erreichen, nehmen<lb/> Picon. Jsambert, Jobbe' Duval ihre Motive aus dem Gattungsleben<lb/> der alten Welt.</p><lb/> <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Aus der neuern Zeit werden vornehmlich das 17. und 18. Jahrhundert<lb/> mit Vorliebe behandelt. Für jenes haben die Holländer Gerard Dow, Mieris<lb/> und Metzü die Anregung gegeben; in den meisten Fällen sind sie geradezu<lb/> zum Muster genommen worden — und unerreicht geblieben. Gerade hier<lb/> wird der Mangel an innerem Leben am fühlbarsten, den eine solche künstliche<lb/> RückVersetzung in die alltägliche Wirklichkeit eines vergangenen Jahrhunderts<lb/> mit sich bringt. (Beispiele: Brellouin und Dubasty). Denn hier ist keine<lb/> That, keine durch die Geschichte überlieferte Situation, die dem Künstler, wie<lb/> dem Beschauer ein tieferes Interesse einflößt-, die bloße Gewöhnung aber, die<lb/> Sitte einer Zeit ist in der Kunst nur dann von wahrem Reiz, wenn aus den<lb/> Gestalten die Kraft und Fülle des innern Lebensgrundes herausleuchtet, und<lb/> das gelingt nur dem Künstler, der aus demselben Boden steht. — Besser wissen<lb/> die Franzosen mit der Darstellung des Rococo umzugehen: die Zeit des Puters, der<lb/> Zierlichkeit und des feinen Lebensgenusses ist von Frankreich ausgegangen, und<lb/> in diese kokette, geschmückte Welt, in dieses Leben voll Lächeln. Spiel und<lb/> Lust verstehen auch die heutigen Franzosen sich wohl hineinzufühlen. Vor<lb/> Allem ist es Ernest Meissonnier, der die Menschen des 18. Jahrhunderts<lb/> nicht blos in ihrem Costüm und ihrer häuslichen Umgebung, sondern auch in<lb/> ihrer Lebensweise, den Umgangsformen, ihrem geistigen Typus zu treffen weiß.<lb/> Er nimmt sich meistens die stille, harmlose Seite des Lebens zum Vorwurf,<lb/> musicirende, lesende, spielende, gemüthlich beim Glase Wein versammelte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
lichen Motive sind nur ein Vorwand , um uns die schönen Menschen und
Culturformen der alten Welt in der Bestimmtheit des gewöhnlichen Lebens
vorzuführen. Die ungewohnte Anschauung, ein feines Verständniß für die
Form und Bewegung des Körpers, dazu die sorgfältigste Ausführung geben
den Bildern einen eigenthümlichen Reiz, aber fast in allen ist eine triviale,
oft unedle Auffassung der geistigen Beziehung (griechisches Lupanar. Phryne
vor den Richtern, der beiden Augurn). Von reinerer Wirkung sind insofern
einige Genrebilder aus der neueren Zeit (Duell nach dem Maskenbälle, rufst'
sche Soldaten). — In einer andern Weise behandelt Louis Hamon antike
Menschen in der Gewöhnung des täglichen Daseins. Er gibt Phantastege-
vilde; er schiebt seinen Gestalten gerne novellistische Beziehungen moderner Art
unter, bringt auch wol seine hell, leicht, anmuihig hingehauchten Figuren, denen
deshalb doch die Bestimmtheit der Form nicht fehlt, in ein ganz räthselhaftes
Verhältniß (Na soöur n'^ est L!om6ale uurnams, Huart ä'ueurs as Rabelais,
u. s. f.) Die Bilder sprechen eben durch dieses Spiel der Phantasie an, das
in jener zarten, duftigen Behandlung seinen angemessenen Ausdruck findet. —
In ähnlicher Art, wie diese Vorgänger, aber ohne sie zu erreichen, nehmen
Picon. Jsambert, Jobbe' Duval ihre Motive aus dem Gattungsleben
der alten Welt.
Aus der neuern Zeit werden vornehmlich das 17. und 18. Jahrhundert
mit Vorliebe behandelt. Für jenes haben die Holländer Gerard Dow, Mieris
und Metzü die Anregung gegeben; in den meisten Fällen sind sie geradezu
zum Muster genommen worden — und unerreicht geblieben. Gerade hier
wird der Mangel an innerem Leben am fühlbarsten, den eine solche künstliche
RückVersetzung in die alltägliche Wirklichkeit eines vergangenen Jahrhunderts
mit sich bringt. (Beispiele: Brellouin und Dubasty). Denn hier ist keine
That, keine durch die Geschichte überlieferte Situation, die dem Künstler, wie
dem Beschauer ein tieferes Interesse einflößt-, die bloße Gewöhnung aber, die
Sitte einer Zeit ist in der Kunst nur dann von wahrem Reiz, wenn aus den
Gestalten die Kraft und Fülle des innern Lebensgrundes herausleuchtet, und
das gelingt nur dem Künstler, der aus demselben Boden steht. — Besser wissen
die Franzosen mit der Darstellung des Rococo umzugehen: die Zeit des Puters, der
Zierlichkeit und des feinen Lebensgenusses ist von Frankreich ausgegangen, und
in diese kokette, geschmückte Welt, in dieses Leben voll Lächeln. Spiel und
Lust verstehen auch die heutigen Franzosen sich wohl hineinzufühlen. Vor
Allem ist es Ernest Meissonnier, der die Menschen des 18. Jahrhunderts
nicht blos in ihrem Costüm und ihrer häuslichen Umgebung, sondern auch in
ihrer Lebensweise, den Umgangsformen, ihrem geistigen Typus zu treffen weiß.
Er nimmt sich meistens die stille, harmlose Seite des Lebens zum Vorwurf,
musicirende, lesende, spielende, gemüthlich beim Glase Wein versammelte
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