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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Frieden von den letzteren ein leichtes Examen und geben ihnen Gelegenheit in
den Regimentsschulen u. s. w. das Entsprechende zu lernen. Gleichzeitig
orgamsiren wir die Militärverwaltung dergestalt, daß sie aus Offizieren be¬
setzt wird, und schaffen dadurch jenen aus dem Unteroffizierstande hervorge¬
gangenen Offizieren die Aussicht auf Erfolg und lohnende Carriere.

Die Ausbildungsweise in der preußischen Armee. Um nicht
zu lang zu werden und nur bei mir ganz bekannten Dingen stehen zu bleiben,
will ich diesen Punkt vorzüglich bei der einen Waffe, der Infanterie, abhandeln.

Die Infanterie muß hierbei entscheiden, da sie den größten Theil der
Armee und unbestritten die wichtigste Waffe bildet.

Die Ausbildung der Armee zerfällt in zwei wesentlich verschiedene und doch
stets in einander greifende Theile: 1) die Ausbildung der Offiziere und Unter¬
offiziere, des Stammes einer Truppe; 2) die Ausbildung der stets wechseln¬
den Mannschaften.

Der erstere Theil ist der entschieden wichtigere > denn er sorgt für das
bleibende, das lebengebende Element, für die Seele des Körpers, und doch
wird gerade auf diesen Theil bei uns der allergeringste Accent gelegt. Wa¬
rum? -- Im Allgemeinen nicht aus Mangel an Erkenntniß, sondern aus
Mangel an Zeit, da diese letztere durch den zweiten Theil vollständig in An¬
spruch genommen wird.

Die neuere Kriegführung macht an den einzelnen Jnfanteristen so be¬
deutende Ansprüche, fordert von ihm eine derartige Entwicklung des Geistes
und des Körpers, daß im Lause eines Jahres, welche Dauer unsere Aus¬
bildungsperiode einnimmt, er kaum im Stande ist alle nothwendigen Beschäf¬
tigungen durchzumachen. Der Infanterist wird zuerst zu einem seine Glieder
regelrecht, regelmäßig und womöglich auch schön tragenden und brauchenden
Menschen gemacht, dann lernt er den Gebrauch seiner Waffe, sowie auch die
gewöhnlichen kantischen Formen und gleichzeitig wird er mit der Theorie seines
Dienstes vertraut gemacht, um der Maschine den nothwendigen Geist zu
geben. Alsdann muß er ein guter Schütze werden, das Terrain schätzen und
gebrauchen lernen. Der Schützen- und Felddienst, die Bewegung im Großen
und Kleinen, die Fatigue und die Eleganz, daneben Turnen, Fechten und
Schwimmen. Artillerie- und Pioniedienst, das Alles muß 'praktisch und theo¬
retisch gelernt und gelehrt werden. Das Alles wird in den Zeitraum eines
Jahres zusammengedrängt und deshalb eben nur beigebracht, oberflächlich ge¬
zeigt. Die meiste Zeit wird dazu noch aus die äußere Form verwendet, zu¬
nächst, weil wohl etwas zu viel Werth darauf gelegt wird, und dann, weil
diese Art des Exercitiums, gemeiniglich "Drill" genannt, die wenigste körper¬
liche und geistige Anstrengung des Hauptmanns u. s. w. fordert und doch
die Zeit ausfüllt.


Frieden von den letzteren ein leichtes Examen und geben ihnen Gelegenheit in
den Regimentsschulen u. s. w. das Entsprechende zu lernen. Gleichzeitig
orgamsiren wir die Militärverwaltung dergestalt, daß sie aus Offizieren be¬
setzt wird, und schaffen dadurch jenen aus dem Unteroffizierstande hervorge¬
gangenen Offizieren die Aussicht auf Erfolg und lohnende Carriere.

Die Ausbildungsweise in der preußischen Armee. Um nicht
zu lang zu werden und nur bei mir ganz bekannten Dingen stehen zu bleiben,
will ich diesen Punkt vorzüglich bei der einen Waffe, der Infanterie, abhandeln.

Die Infanterie muß hierbei entscheiden, da sie den größten Theil der
Armee und unbestritten die wichtigste Waffe bildet.

Die Ausbildung der Armee zerfällt in zwei wesentlich verschiedene und doch
stets in einander greifende Theile: 1) die Ausbildung der Offiziere und Unter¬
offiziere, des Stammes einer Truppe; 2) die Ausbildung der stets wechseln¬
den Mannschaften.

Der erstere Theil ist der entschieden wichtigere > denn er sorgt für das
bleibende, das lebengebende Element, für die Seele des Körpers, und doch
wird gerade auf diesen Theil bei uns der allergeringste Accent gelegt. Wa¬
rum? — Im Allgemeinen nicht aus Mangel an Erkenntniß, sondern aus
Mangel an Zeit, da diese letztere durch den zweiten Theil vollständig in An¬
spruch genommen wird.

Die neuere Kriegführung macht an den einzelnen Jnfanteristen so be¬
deutende Ansprüche, fordert von ihm eine derartige Entwicklung des Geistes
und des Körpers, daß im Lause eines Jahres, welche Dauer unsere Aus¬
bildungsperiode einnimmt, er kaum im Stande ist alle nothwendigen Beschäf¬
tigungen durchzumachen. Der Infanterist wird zuerst zu einem seine Glieder
regelrecht, regelmäßig und womöglich auch schön tragenden und brauchenden
Menschen gemacht, dann lernt er den Gebrauch seiner Waffe, sowie auch die
gewöhnlichen kantischen Formen und gleichzeitig wird er mit der Theorie seines
Dienstes vertraut gemacht, um der Maschine den nothwendigen Geist zu
geben. Alsdann muß er ein guter Schütze werden, das Terrain schätzen und
gebrauchen lernen. Der Schützen- und Felddienst, die Bewegung im Großen
und Kleinen, die Fatigue und die Eleganz, daneben Turnen, Fechten und
Schwimmen. Artillerie- und Pioniedienst, das Alles muß 'praktisch und theo¬
retisch gelernt und gelehrt werden. Das Alles wird in den Zeitraum eines
Jahres zusammengedrängt und deshalb eben nur beigebracht, oberflächlich ge¬
zeigt. Die meiste Zeit wird dazu noch aus die äußere Form verwendet, zu¬
nächst, weil wohl etwas zu viel Werth darauf gelegt wird, und dann, weil
diese Art des Exercitiums, gemeiniglich „Drill" genannt, die wenigste körper¬
liche und geistige Anstrengung des Hauptmanns u. s. w. fordert und doch
die Zeit ausfüllt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/26>, abgerufen am 25.08.2024.