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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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verstimmt und gegen einzelne Persönlichkeiten eingenommen haben, bin ich
überzeugt, daß sie bei dem ersten frischen Luftzug eines Feldlagers gesühnt
und vergessen sein werden. Es ist schwerer, Soldat im Frieden zu sein, als
der Civilist denkt. Denn das volle Gefühl der Tüchtigkeit erhält der Soldat
erst im Kriege.

Ich habe gesagt, daß ich mit der bisherigen und beibehaltenen Ergän-
zungsweise der Offiziere einverstanden bin, und daß ich trotzdem es für noth¬
wendig halte, daß unsere Unteroffiziere Offizier werden können. Es ist das
ein anscheinender Widerspruch und meines Erachtens doch richtig. Wir er¬
kennen auch das Wünschenswerthe einer grundbesitzenden Aristokratie, und
doch verwerfen wir den Kastengeist, verurtheilen das Hervortreten einzelner
Stände, fordern, daß ein Uebergang zwischen den Berufsklassen möglich ist.
In England sichert man dasselbe Princip durch die Käuflichkeit der Ofsizier-
stellen. Nur die besitzenden Klassen und in diesen nur diejenigen, welche ein
Capital für eine äußere Stellung, für Ehre, nicht für Zinsen anlegen, haben
Aussicht vorwärts zu kommen. In Oestreich hat man leider nicht ein Prin¬
cip, sondern die Familienverbindung, die Konnexion, den Nepotismus als
Garantie jenes Ergänzungswesens eingeführt, und man hat dadurch die Auf¬
lösung in die Offiziercorps gelegt. In Frankreich ist das conservative Ele¬
ment auf die Seite geschoben, es fehlt daher auch in der Armee. Beide Napo¬
leons suchten dasselbe wieder in der Armee zu wecken, zu schaffen, aber ver¬
gebens. Das Alterssystem, nach welchem in gewissen Jahren Niemand
mehr aus einer Stufe in die höhere rücken kann, soll die höheren Stellen
denjenigen Offizieren sichern, welche, aus den Militärschulen hervorgegangen,
in jungen Jahren den Ofsiziergrad erreicht und nicht die langsame Carriere
des Unteroffizierstandes durchgemacht haben. Aber die Jahre 48 und 49
haben die Aufnahme in die Militärschulen dem Einfluß der Regierung ent¬
zogen. Dieselbe hängt nicht mehr von ihrem gouvernementalen Ermessen,
sondern von einer Concurrenz, von einem Examen ab, zu welchem sich die
intelligentesten Kinder der untern Stände drängen. Diesen fällt die Armee
nach und nach in die Hände, so sehr sich auch Napoleon dagegen sträubt.
Wir finden daher in der französischen Armee, in der den Staat conservirenden
Gewalt, ein wild vorwärts treibendes Element der Demokratie auch im Offi¬
ziercorps. Bei den Russen gehört die ganze obere Leitung ausschließlich der
Aristokratie, es ist gar keine Concurrenz und also auch keine Leistung vor¬
handen.

Ich wollte hier nur meine Ansichten andeuten, nicht ausführen, und darin
eine Begründung suchen, daß folgender Vorschlag ausführbar ist: Wir geben
ein Altersgesetz für unsere subaltern-Ofsizierstellen, räumen im Frieden eine
Offizierstelle per Compagnie u. s. w. den Unteroffizieren ein, verlangen im


verstimmt und gegen einzelne Persönlichkeiten eingenommen haben, bin ich
überzeugt, daß sie bei dem ersten frischen Luftzug eines Feldlagers gesühnt
und vergessen sein werden. Es ist schwerer, Soldat im Frieden zu sein, als
der Civilist denkt. Denn das volle Gefühl der Tüchtigkeit erhält der Soldat
erst im Kriege.

Ich habe gesagt, daß ich mit der bisherigen und beibehaltenen Ergän-
zungsweise der Offiziere einverstanden bin, und daß ich trotzdem es für noth¬
wendig halte, daß unsere Unteroffiziere Offizier werden können. Es ist das
ein anscheinender Widerspruch und meines Erachtens doch richtig. Wir er¬
kennen auch das Wünschenswerthe einer grundbesitzenden Aristokratie, und
doch verwerfen wir den Kastengeist, verurtheilen das Hervortreten einzelner
Stände, fordern, daß ein Uebergang zwischen den Berufsklassen möglich ist.
In England sichert man dasselbe Princip durch die Käuflichkeit der Ofsizier-
stellen. Nur die besitzenden Klassen und in diesen nur diejenigen, welche ein
Capital für eine äußere Stellung, für Ehre, nicht für Zinsen anlegen, haben
Aussicht vorwärts zu kommen. In Oestreich hat man leider nicht ein Prin¬
cip, sondern die Familienverbindung, die Konnexion, den Nepotismus als
Garantie jenes Ergänzungswesens eingeführt, und man hat dadurch die Auf¬
lösung in die Offiziercorps gelegt. In Frankreich ist das conservative Ele¬
ment auf die Seite geschoben, es fehlt daher auch in der Armee. Beide Napo¬
leons suchten dasselbe wieder in der Armee zu wecken, zu schaffen, aber ver¬
gebens. Das Alterssystem, nach welchem in gewissen Jahren Niemand
mehr aus einer Stufe in die höhere rücken kann, soll die höheren Stellen
denjenigen Offizieren sichern, welche, aus den Militärschulen hervorgegangen,
in jungen Jahren den Ofsiziergrad erreicht und nicht die langsame Carriere
des Unteroffizierstandes durchgemacht haben. Aber die Jahre 48 und 49
haben die Aufnahme in die Militärschulen dem Einfluß der Regierung ent¬
zogen. Dieselbe hängt nicht mehr von ihrem gouvernementalen Ermessen,
sondern von einer Concurrenz, von einem Examen ab, zu welchem sich die
intelligentesten Kinder der untern Stände drängen. Diesen fällt die Armee
nach und nach in die Hände, so sehr sich auch Napoleon dagegen sträubt.
Wir finden daher in der französischen Armee, in der den Staat conservirenden
Gewalt, ein wild vorwärts treibendes Element der Demokratie auch im Offi¬
ziercorps. Bei den Russen gehört die ganze obere Leitung ausschließlich der
Aristokratie, es ist gar keine Concurrenz und also auch keine Leistung vor¬
handen.

Ich wollte hier nur meine Ansichten andeuten, nicht ausführen, und darin
eine Begründung suchen, daß folgender Vorschlag ausführbar ist: Wir geben
ein Altersgesetz für unsere subaltern-Ofsizierstellen, räumen im Frieden eine
Offizierstelle per Compagnie u. s. w. den Unteroffizieren ein, verlangen im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/25>, abgerufen am 23.07.2024.