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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Handlung heraushebt: in der Welt des Krieges. Er war Schüler seines
Vaters, und des Schlachtenmalers Gros; jener, der das Menschen- und
Thiergetümmel des Kampfes mit Beachtung der strategischen Disposition
(Schlacht von Marengo) ganz geschickt darzustellen wußte, war sein Vorläufer;
dieser regte ihn an, mit der realistischen Lebendigkeit eine gewisse Größe des
Ausdrucks, einen edeln Schwung der Bewegung zu verbinden. In der malerischen
Behandlung lernte er von der romantischen Schule; er verstand es, seinen
Bildern die volle, fette Farbe des Lebens zu geben und sie in einem hellen,
warmen Meer von Licht und Luft schwimmen zu lassen, ohne der Bestimmt¬
heit der einzelnen Erscheinung Eintrag zu thun. So haben seine guten Bil¬
der eine nicht gewöhnliche Wahrheit der Wirkung: stimmungsvoll aufgefaßt,
malerisch angeordnet, frisch und flott ausgeführt, wie mit einem Schlag aus
der Phantasie auf die Leinwand geworfen und doch zugleich dem Leben ab¬
gelauscht. Nur erwarte man keinen tiefen Ernst der Anschauung, kein ideales
Eindringen in die menschliche Form, keine Größe des künstlerischen Gedankens,
nicht den Adel eines mächtigen, nur in sich ruhenden Daseins.

Seine Arbeiten sind bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit seines Ta¬
lentes sehr ungleich. Den Beginn seiner Laufbahn bezeichnen einige anspruchs¬
lose, aber höchst anziehende Bilder aus dem Kriegsleben: Erinnerungen an
den Glanz der Kaiserzeit mit leisem sentimentalen Anflug (1.6 tromxott" mort
solclat laboureui-, Schlachtfeld von Waterloo u. s. f. Die Werke von weh/
idealem Style, die größtentheils während seines italienischen Aufenthalte"
entstanden, sind, wie schon bemerkt, viel schwächer und werden von der jungen
Künstlerwelt nicht mit Unrecht geradezu gering geschützt. (Judith und Holo-
fernes. Raphael und Michelangelo u. s. f.) Von großem Reiz sind dagegei
seine Bilder aus dem Morgenlande: er ist hier ebensowohl in die Stimmunz
der Menschen als in die der Natur eingedrungen und versteht es. hierin einen
zarten Hauch über das Ganze auszubreiten, in der Haltung, Bewegung der
Figuren, dem Nebeneinander der Dinge anklingen zu lassen (der Erzähler im
Kreise der Araber; der Araber nach der Bärenjagd u. s. f.) -- Auch seine
Schlachtenbilder -- die in den dreißiger und vierziger Jahren massenweise
entstanden -- sind von sehr verschiedenem Werthe. Die einzelnen Vorgänze
auf dem Schlachtfelde, das Thun Und Leiden des künftigen Soldaten, die
rührenden und erhebenden Episoden des Kampfes: das Alles ist fast
durchweg vortrefflich; so auch die charakteristische Behandlung 'des Loccils.
Weniger dagegen will es ihm gelingen, in der Komposition des Ganzen die
Bedeutung der Begebenheit hervortreten zu lassen, und so ist er auch meistens
in der Darstellung seines Helden, wo dieser den Mittelpunkt der Schlacht
bildet, nicht glücklich. Das ist es übrigens, was den modernen Schlachten-
maier immer als ein hartes unflüssiges Element in der Production hemmen


Handlung heraushebt: in der Welt des Krieges. Er war Schüler seines
Vaters, und des Schlachtenmalers Gros; jener, der das Menschen- und
Thiergetümmel des Kampfes mit Beachtung der strategischen Disposition
(Schlacht von Marengo) ganz geschickt darzustellen wußte, war sein Vorläufer;
dieser regte ihn an, mit der realistischen Lebendigkeit eine gewisse Größe des
Ausdrucks, einen edeln Schwung der Bewegung zu verbinden. In der malerischen
Behandlung lernte er von der romantischen Schule; er verstand es, seinen
Bildern die volle, fette Farbe des Lebens zu geben und sie in einem hellen,
warmen Meer von Licht und Luft schwimmen zu lassen, ohne der Bestimmt¬
heit der einzelnen Erscheinung Eintrag zu thun. So haben seine guten Bil¬
der eine nicht gewöhnliche Wahrheit der Wirkung: stimmungsvoll aufgefaßt,
malerisch angeordnet, frisch und flott ausgeführt, wie mit einem Schlag aus
der Phantasie auf die Leinwand geworfen und doch zugleich dem Leben ab¬
gelauscht. Nur erwarte man keinen tiefen Ernst der Anschauung, kein ideales
Eindringen in die menschliche Form, keine Größe des künstlerischen Gedankens,
nicht den Adel eines mächtigen, nur in sich ruhenden Daseins.

Seine Arbeiten sind bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit seines Ta¬
lentes sehr ungleich. Den Beginn seiner Laufbahn bezeichnen einige anspruchs¬
lose, aber höchst anziehende Bilder aus dem Kriegsleben: Erinnerungen an
den Glanz der Kaiserzeit mit leisem sentimentalen Anflug (1.6 tromxott« mort
solclat laboureui-, Schlachtfeld von Waterloo u. s. f. Die Werke von weh/
idealem Style, die größtentheils während seines italienischen Aufenthalte«
entstanden, sind, wie schon bemerkt, viel schwächer und werden von der jungen
Künstlerwelt nicht mit Unrecht geradezu gering geschützt. (Judith und Holo-
fernes. Raphael und Michelangelo u. s. f.) Von großem Reiz sind dagegei
seine Bilder aus dem Morgenlande: er ist hier ebensowohl in die Stimmunz
der Menschen als in die der Natur eingedrungen und versteht es. hierin einen
zarten Hauch über das Ganze auszubreiten, in der Haltung, Bewegung der
Figuren, dem Nebeneinander der Dinge anklingen zu lassen (der Erzähler im
Kreise der Araber; der Araber nach der Bärenjagd u. s. f.) — Auch seine
Schlachtenbilder — die in den dreißiger und vierziger Jahren massenweise
entstanden — sind von sehr verschiedenem Werthe. Die einzelnen Vorgänze
auf dem Schlachtfelde, das Thun Und Leiden des künftigen Soldaten, die
rührenden und erhebenden Episoden des Kampfes: das Alles ist fast
durchweg vortrefflich; so auch die charakteristische Behandlung 'des Loccils.
Weniger dagegen will es ihm gelingen, in der Komposition des Ganzen die
Bedeutung der Begebenheit hervortreten zu lassen, und so ist er auch meistens
in der Darstellung seines Helden, wo dieser den Mittelpunkt der Schlacht
bildet, nicht glücklich. Das ist es übrigens, was den modernen Schlachten-
maier immer als ein hartes unflüssiges Element in der Production hemmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/240>, abgerufen am 23.07.2024.