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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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der dreißiger Jahre blieb, wenn wir von den Wenigen absehen, die zu der
vorraphaelschen Anschauungsweise zurückgingen (zu ihnen gehörte eine Zeit
lang auch der früher erwähnte Emile Lignol). ohne erhebliche Wirkung.
Die kirchlichen Bilder nahmen wol zu, wurden aber nicht besser: zu den
älteren Malern kamen Forestier, Lariviöre, Vauchellet, Riefener,
Caminade hinzu, ohne ein belebendes Element mitzubringen. Nur Einer
tritt aus der Zahl dieser Künstler mit einer gewissen Eigenthümlichkeit hervor:
Ziegler, aus der Schule von Ingres, der sich bemühte, mit dessen stylvoller
Auffassung ein wärmeres Colorit und eine derbere Bewegtheit zu vereinigen.
Doch wollte ihm dies nicht recht gelingen: seine Arbeiten machen sich nur
durch ein anspruchsvolles Aussehen bemerklich, ohne deshalb mehr Leben und
Ausdruck zu haben, als die Werke jener Akademiker.

Es ist schon die Rede davon gewesen, weshalb es mit der religiösen
Kunst vorbei war; auch die jüngste Zeit hat ihr, wie wir gesehen, keine neue
Seele einhauchen können. Als man in den vierziger Jahren genauer mit
dem Morgenlande bekannt wurde, suchte man den biblischen Stoffen durch
das Gewand und die Farbe des orientalischen Locals einen neuen Reiz und
eine belebtere Erscheinung zu geben; man erreichte damit nur eine genreartige
weltliche Mannigfaltigkeit und Bewegtheit, die den religiösen Inhalt des
Motivs gradezu verleugnet.

Indessen wird, trotz des Gegensatzes der beiden Richtungen,, doch bald eine
Einwirkung der romantischen auf die classische Kunst bemerklich. Dies zeigt sich
schon in den späteren allegorischen Plafonds des Louvre aus dem Ende der
zwanziger Jahre. Die Maler gaben zwar das Streben nach idealer Würde
der Darstellung, das sie von David überkommen hatten, nicht auf; aber sie
suchten mit der hergebrachten stullfirenden Auffassung einen lehafteren Farben¬
schein, eine größere Freiheit der Bewegungen, eine keckere Behandlung zu ver¬
binden. Es sind Drolling. Hera, Fragonard. Mauzaisse, Alaux.
die sich auf diese Weise einen gewissen Ruf erworben haben. Ein eigenthüm¬
lich hervortretendes Talent ist keiner von ihnen; auch Heim nicht, den man
dafür hat erklären wollen. Eine so äußerliche Vermittlung ist für die Kunst
nie ein Gewinn. Was jene von David hätten behalten sollen, die Kenntniß
und strenge Ausführung der Form, ging bald verloren; dagegen blieb ihnen
das Gespreizte der akademischen Manier, und was sie Neues sich aneigneten,
beschränkte sich auf eine kokette Buntheit der Erscheinung und eine flüchtige
Bravour der Darstellung, die den idealen Motiven am wenigsten anstehen.

Doch sollte eine tiefere Vermittlung. weiche sich auf die Zeitströmung
gründete und daher die Gegensätze wirklich in einander überführte, nicht aus¬
bleiben. Schon oben ist bemerkt', wie die romantische Kunst nach der einen
Seite hin in ihren Anfängen zur Geschichte des Mittelalters und der Renaissance


der dreißiger Jahre blieb, wenn wir von den Wenigen absehen, die zu der
vorraphaelschen Anschauungsweise zurückgingen (zu ihnen gehörte eine Zeit
lang auch der früher erwähnte Emile Lignol). ohne erhebliche Wirkung.
Die kirchlichen Bilder nahmen wol zu, wurden aber nicht besser: zu den
älteren Malern kamen Forestier, Lariviöre, Vauchellet, Riefener,
Caminade hinzu, ohne ein belebendes Element mitzubringen. Nur Einer
tritt aus der Zahl dieser Künstler mit einer gewissen Eigenthümlichkeit hervor:
Ziegler, aus der Schule von Ingres, der sich bemühte, mit dessen stylvoller
Auffassung ein wärmeres Colorit und eine derbere Bewegtheit zu vereinigen.
Doch wollte ihm dies nicht recht gelingen: seine Arbeiten machen sich nur
durch ein anspruchsvolles Aussehen bemerklich, ohne deshalb mehr Leben und
Ausdruck zu haben, als die Werke jener Akademiker.

Es ist schon die Rede davon gewesen, weshalb es mit der religiösen
Kunst vorbei war; auch die jüngste Zeit hat ihr, wie wir gesehen, keine neue
Seele einhauchen können. Als man in den vierziger Jahren genauer mit
dem Morgenlande bekannt wurde, suchte man den biblischen Stoffen durch
das Gewand und die Farbe des orientalischen Locals einen neuen Reiz und
eine belebtere Erscheinung zu geben; man erreichte damit nur eine genreartige
weltliche Mannigfaltigkeit und Bewegtheit, die den religiösen Inhalt des
Motivs gradezu verleugnet.

Indessen wird, trotz des Gegensatzes der beiden Richtungen,, doch bald eine
Einwirkung der romantischen auf die classische Kunst bemerklich. Dies zeigt sich
schon in den späteren allegorischen Plafonds des Louvre aus dem Ende der
zwanziger Jahre. Die Maler gaben zwar das Streben nach idealer Würde
der Darstellung, das sie von David überkommen hatten, nicht auf; aber sie
suchten mit der hergebrachten stullfirenden Auffassung einen lehafteren Farben¬
schein, eine größere Freiheit der Bewegungen, eine keckere Behandlung zu ver¬
binden. Es sind Drolling. Hera, Fragonard. Mauzaisse, Alaux.
die sich auf diese Weise einen gewissen Ruf erworben haben. Ein eigenthüm¬
lich hervortretendes Talent ist keiner von ihnen; auch Heim nicht, den man
dafür hat erklären wollen. Eine so äußerliche Vermittlung ist für die Kunst
nie ein Gewinn. Was jene von David hätten behalten sollen, die Kenntniß
und strenge Ausführung der Form, ging bald verloren; dagegen blieb ihnen
das Gespreizte der akademischen Manier, und was sie Neues sich aneigneten,
beschränkte sich auf eine kokette Buntheit der Erscheinung und eine flüchtige
Bravour der Darstellung, die den idealen Motiven am wenigsten anstehen.

Doch sollte eine tiefere Vermittlung. weiche sich auf die Zeitströmung
gründete und daher die Gegensätze wirklich in einander überführte, nicht aus¬
bleiben. Schon oben ist bemerkt', wie die romantische Kunst nach der einen
Seite hin in ihren Anfängen zur Geschichte des Mittelalters und der Renaissance


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[0234] der dreißiger Jahre blieb, wenn wir von den Wenigen absehen, die zu der vorraphaelschen Anschauungsweise zurückgingen (zu ihnen gehörte eine Zeit lang auch der früher erwähnte Emile Lignol). ohne erhebliche Wirkung. Die kirchlichen Bilder nahmen wol zu, wurden aber nicht besser: zu den älteren Malern kamen Forestier, Lariviöre, Vauchellet, Riefener, Caminade hinzu, ohne ein belebendes Element mitzubringen. Nur Einer tritt aus der Zahl dieser Künstler mit einer gewissen Eigenthümlichkeit hervor: Ziegler, aus der Schule von Ingres, der sich bemühte, mit dessen stylvoller Auffassung ein wärmeres Colorit und eine derbere Bewegtheit zu vereinigen. Doch wollte ihm dies nicht recht gelingen: seine Arbeiten machen sich nur durch ein anspruchsvolles Aussehen bemerklich, ohne deshalb mehr Leben und Ausdruck zu haben, als die Werke jener Akademiker. Es ist schon die Rede davon gewesen, weshalb es mit der religiösen Kunst vorbei war; auch die jüngste Zeit hat ihr, wie wir gesehen, keine neue Seele einhauchen können. Als man in den vierziger Jahren genauer mit dem Morgenlande bekannt wurde, suchte man den biblischen Stoffen durch das Gewand und die Farbe des orientalischen Locals einen neuen Reiz und eine belebtere Erscheinung zu geben; man erreichte damit nur eine genreartige weltliche Mannigfaltigkeit und Bewegtheit, die den religiösen Inhalt des Motivs gradezu verleugnet. Indessen wird, trotz des Gegensatzes der beiden Richtungen,, doch bald eine Einwirkung der romantischen auf die classische Kunst bemerklich. Dies zeigt sich schon in den späteren allegorischen Plafonds des Louvre aus dem Ende der zwanziger Jahre. Die Maler gaben zwar das Streben nach idealer Würde der Darstellung, das sie von David überkommen hatten, nicht auf; aber sie suchten mit der hergebrachten stullfirenden Auffassung einen lehafteren Farben¬ schein, eine größere Freiheit der Bewegungen, eine keckere Behandlung zu ver¬ binden. Es sind Drolling. Hera, Fragonard. Mauzaisse, Alaux. die sich auf diese Weise einen gewissen Ruf erworben haben. Ein eigenthüm¬ lich hervortretendes Talent ist keiner von ihnen; auch Heim nicht, den man dafür hat erklären wollen. Eine so äußerliche Vermittlung ist für die Kunst nie ein Gewinn. Was jene von David hätten behalten sollen, die Kenntniß und strenge Ausführung der Form, ging bald verloren; dagegen blieb ihnen das Gespreizte der akademischen Manier, und was sie Neues sich aneigneten, beschränkte sich auf eine kokette Buntheit der Erscheinung und eine flüchtige Bravour der Darstellung, die den idealen Motiven am wenigsten anstehen. Doch sollte eine tiefere Vermittlung. weiche sich auf die Zeitströmung gründete und daher die Gegensätze wirklich in einander überführte, nicht aus¬ bleiben. Schon oben ist bemerkt', wie die romantische Kunst nach der einen Seite hin in ihren Anfängen zur Geschichte des Mittelalters und der Renaissance

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/234>, abgerufen am 23.07.2024.