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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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so dürfen sie die Verfassung des Zollvereins nicht zur Sprache bringen, und
thun sie es dennoch, so muß ihnen begegnen, was in Stuttgart geschehen ist,
-- sie blamiren sich.

Die Sieger erwiesen sich großmüthig. Im Sinne der großen Römer¬
politik -- xsrcerö suHöetis -- halfen sie ihnen beschließen, es sei zu wün¬
schen, daß der Zollverein immer größer werde, wie das deutsche Vaterland;
ihr deutsches Gemüth verführte die Versammlung sogar für den Antrag eines
Märtyrers der modernen Cultur aus Mecklenburg zu stimmen, man solle ver¬
hindern, daß in den nicht zum Zollverein gehörigen Staaten etwas geschehe,
was die Annäherung an denselben erschwere, insbesondere also, daß Mecklen¬
burg einen Grenzzoll einführe. Nun ist aber die Aufhebung der mecklen¬
burgischen Binnenzölle, die Verlegung ihrer Zollstätten aus dem Innern an
die Grenze, keine Erschwerung des Beitritts zum Zouverein, und wenn die
Behauptung des Antragstellers richtig ist, daß daraus den mecklenburgischen
Finanzen ein schwerer Nachtheil erwachsen werde, so ist dies sogar ein starkes
Motiv für den Beitritt zum Zollverein. Der ehrliche Mecklenburger hat sich
geirrt, und die Versammlung war durch die vorausgegangene Discussion für
Irrthümer empfänglich geworden. Aber der Mecklenburger will doch den
Zollverein, und unterscheidet sich dadurch von seinen dem Vereine ebenfalls
nicht angehörigen Nachbarn, die zwar im Kongresse über Zollfragen reden
und stimmen, den Wunsch zum Beitritte aber nicht zu erkennen geben. Es
hilft nun nichts, wenn die Geschlagenen ihre Niederlage, deren Unrühmlich¬
keit sie selbst verschuldet haben, zu bemänteln suchen, indem sie angeben, der
Kern des Congresses sei von seiner Schale majorisirt worden, die Be¬
schlüsse (Ablehnung ihrer Anträge) seien nicht der Ausdruck der öffentlichen
Meinung, das Resultat (Tagesordnung) sei für eine volkswirthschaftliche Agita¬
tion eine kostbare Frucht, weil die Gegner einen unhaltbaren Standpunkt ein¬
nahmen u. tgi. Sie werden besser thun, wenn sie aus dem Vorgange in
Stuttgart lernen, daß es nicht gut ist, sich selbst zu überschätzen und die Geg¬
ner zu unterschätzen, und daß es unter allen Umständen für die Theilnehmer
an öffentlichen Meinungskämpfen nöthig ist. den Muth ihrer Ueberzeugung
mitzubringen, daß sie nur unter dieser Voraussetzung mit Ehren siegen oder
unterliegen.

Wir würden fürchten und beklagen, daß der volkswirthschaftliche Kongreß
durch sein Finsco in Stuttgart sür die fernere Behandlung von Zolloereins-
ANgelegenheiten unbrauchbar geworden sei, wenn uns nicht die Zeitungen die
angenehme Nachricht gebracht hätten, daß ein Amel-Congreß von Industriellen
und Particularisten nach Frankfurt a. M. berufen werde. Ein Verein
von Amel-Volkswirthen in Frankfurt wie der Amel-Nationalverein in Berlin --
K. M. daS kann helfen!




so dürfen sie die Verfassung des Zollvereins nicht zur Sprache bringen, und
thun sie es dennoch, so muß ihnen begegnen, was in Stuttgart geschehen ist,
— sie blamiren sich.

Die Sieger erwiesen sich großmüthig. Im Sinne der großen Römer¬
politik — xsrcerö suHöetis — halfen sie ihnen beschließen, es sei zu wün¬
schen, daß der Zollverein immer größer werde, wie das deutsche Vaterland;
ihr deutsches Gemüth verführte die Versammlung sogar für den Antrag eines
Märtyrers der modernen Cultur aus Mecklenburg zu stimmen, man solle ver¬
hindern, daß in den nicht zum Zollverein gehörigen Staaten etwas geschehe,
was die Annäherung an denselben erschwere, insbesondere also, daß Mecklen¬
burg einen Grenzzoll einführe. Nun ist aber die Aufhebung der mecklen¬
burgischen Binnenzölle, die Verlegung ihrer Zollstätten aus dem Innern an
die Grenze, keine Erschwerung des Beitritts zum Zouverein, und wenn die
Behauptung des Antragstellers richtig ist, daß daraus den mecklenburgischen
Finanzen ein schwerer Nachtheil erwachsen werde, so ist dies sogar ein starkes
Motiv für den Beitritt zum Zollverein. Der ehrliche Mecklenburger hat sich
geirrt, und die Versammlung war durch die vorausgegangene Discussion für
Irrthümer empfänglich geworden. Aber der Mecklenburger will doch den
Zollverein, und unterscheidet sich dadurch von seinen dem Vereine ebenfalls
nicht angehörigen Nachbarn, die zwar im Kongresse über Zollfragen reden
und stimmen, den Wunsch zum Beitritte aber nicht zu erkennen geben. Es
hilft nun nichts, wenn die Geschlagenen ihre Niederlage, deren Unrühmlich¬
keit sie selbst verschuldet haben, zu bemänteln suchen, indem sie angeben, der
Kern des Congresses sei von seiner Schale majorisirt worden, die Be¬
schlüsse (Ablehnung ihrer Anträge) seien nicht der Ausdruck der öffentlichen
Meinung, das Resultat (Tagesordnung) sei für eine volkswirthschaftliche Agita¬
tion eine kostbare Frucht, weil die Gegner einen unhaltbaren Standpunkt ein¬
nahmen u. tgi. Sie werden besser thun, wenn sie aus dem Vorgange in
Stuttgart lernen, daß es nicht gut ist, sich selbst zu überschätzen und die Geg¬
ner zu unterschätzen, und daß es unter allen Umständen für die Theilnehmer
an öffentlichen Meinungskämpfen nöthig ist. den Muth ihrer Ueberzeugung
mitzubringen, daß sie nur unter dieser Voraussetzung mit Ehren siegen oder
unterliegen.

Wir würden fürchten und beklagen, daß der volkswirthschaftliche Kongreß
durch sein Finsco in Stuttgart sür die fernere Behandlung von Zolloereins-
ANgelegenheiten unbrauchbar geworden sei, wenn uns nicht die Zeitungen die
angenehme Nachricht gebracht hätten, daß ein Amel-Congreß von Industriellen
und Particularisten nach Frankfurt a. M. berufen werde. Ein Verein
von Amel-Volkswirthen in Frankfurt wie der Amel-Nationalverein in Berlin —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/22>, abgerufen am 25.08.2024.