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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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nöthig war. -- Schlimmer ist der Fall der permanenten Commission. Der
Antrag enthielt für die Commission keinerlei Instruction. nicht die leiseste
Andeutung eines Standpunktes, von welchem aus die Reform der Zollvereins¬
gesetzgebung aufgefaßt werden solle. Aber die gegnerische Mehrheit witterte
Politik. Sie war zwar auch vorwiegend eine locale Majorität, aber die
Spinner, denen die Frage, ob Commission oder nicht, ohne Zweifel höchst
gleichgültig war, stimmten wol nur dagegen, weil eine Hand die andere wäscht,
den Particularisten zu gefallen, welche keine Politik wollten. Leider sagten
die Anderen, sie wollten auch keine Politik. Da denuncirte ein hervorrragen-
dcs Mitglied der würtembergischen Aristokratie, ein geschickter Vorkämpfer für
conservative und andere Interessen, eine gleichzeitig umlaufende Druckschrift,
betitelt: Grundzüge für die Reorganisation des deutschen Zollvereins --
welche die Vorstandschaft des Gescunmtvereins an die Krone Preußen über¬
trägt, der bei der oberen Leitung ein Staatenrath zur Seite steht, der wieder
bei gewissen Vorlagen an die Zustimmung eines Staatcnhauses gebunden ist.
-- Und dabei sollte kein politischer Hintergedanke sein? Der edle Herr schrieb
die Autorschaft der Grundzüge Herrn David Hansemann in Berlin zu, der
an dem Kongresse nicht theilnahm, bald jedoch in der Bank- und Handels¬
zeitung die Vaterschaft ablehnte. naiver Weise wird in den Motiven der
Grundzüge angegeben, daß es dabei auf keine andere als die bestehende Bun¬
desverfassung abgesehen sei, doch sollten die Vorschläge einer Reform der
Bundesverfassung nicht in den Weg treten. Steht nun die Druckschrift mit
dem Antrage an die Versammlung in irgend einem Zusammenhange oder
nicht? Die Vertheidiger des Antrags schwiegen, und man darf daher anneh¬
men, daß ein solcher Zusammenhang allerdings vorhanden war.

Die Sache stand mithin so. Die Einen sagten: nehmt unsern Antrag,
er ist ganz gewiß nicht politisch; die Andern erwiderten: wir wollen euern
Antrag nicht, denn er riecht sehr stark nach Politik. Auf beiden Seiten blieb
ein Hintergedanke -- der Bundesstaat, den die Einen wollen, die Andern
nicht. Man sprach von der Commission, und man meinte den Bundesstaat.
Das war eine schiefe Stellung auf beiden Seiten, und da pflegen die Debatten
heftig und unerquicklich zu werden. Wir sind der Meinung, daß die Verfassung
des Zollvereins eine Frage ist, welche sich zur Besprechung in dem Volkswirth-
schaftlichen Kongreß sehr wohl eignet; daß aber dieser Gegenstand durchaus
-ein politischer und daß es gradezu abgeschmackt ist. dies zu leugnen. Um sich
davon zu überzeugen, lese man die Verhandlungen und Schriften von der
Kündigung des Zollvereins von Seiten Preußens im Jahre 1851 bis zur
Erneuerung der Verträge 1853. Die Antragsteller haben sich an jene Vor¬
gänge schwerlich erinnert, sie scheinen überhaupt die Sache etwas leicht ge¬
nommen zu haben. Wenn sie den Congreß von der Politik fern halten wollen,


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nöthig war. — Schlimmer ist der Fall der permanenten Commission. Der
Antrag enthielt für die Commission keinerlei Instruction. nicht die leiseste
Andeutung eines Standpunktes, von welchem aus die Reform der Zollvereins¬
gesetzgebung aufgefaßt werden solle. Aber die gegnerische Mehrheit witterte
Politik. Sie war zwar auch vorwiegend eine locale Majorität, aber die
Spinner, denen die Frage, ob Commission oder nicht, ohne Zweifel höchst
gleichgültig war, stimmten wol nur dagegen, weil eine Hand die andere wäscht,
den Particularisten zu gefallen, welche keine Politik wollten. Leider sagten
die Anderen, sie wollten auch keine Politik. Da denuncirte ein hervorrragen-
dcs Mitglied der würtembergischen Aristokratie, ein geschickter Vorkämpfer für
conservative und andere Interessen, eine gleichzeitig umlaufende Druckschrift,
betitelt: Grundzüge für die Reorganisation des deutschen Zollvereins —
welche die Vorstandschaft des Gescunmtvereins an die Krone Preußen über¬
trägt, der bei der oberen Leitung ein Staatenrath zur Seite steht, der wieder
bei gewissen Vorlagen an die Zustimmung eines Staatcnhauses gebunden ist.
— Und dabei sollte kein politischer Hintergedanke sein? Der edle Herr schrieb
die Autorschaft der Grundzüge Herrn David Hansemann in Berlin zu, der
an dem Kongresse nicht theilnahm, bald jedoch in der Bank- und Handels¬
zeitung die Vaterschaft ablehnte. naiver Weise wird in den Motiven der
Grundzüge angegeben, daß es dabei auf keine andere als die bestehende Bun¬
desverfassung abgesehen sei, doch sollten die Vorschläge einer Reform der
Bundesverfassung nicht in den Weg treten. Steht nun die Druckschrift mit
dem Antrage an die Versammlung in irgend einem Zusammenhange oder
nicht? Die Vertheidiger des Antrags schwiegen, und man darf daher anneh¬
men, daß ein solcher Zusammenhang allerdings vorhanden war.

Die Sache stand mithin so. Die Einen sagten: nehmt unsern Antrag,
er ist ganz gewiß nicht politisch; die Andern erwiderten: wir wollen euern
Antrag nicht, denn er riecht sehr stark nach Politik. Auf beiden Seiten blieb
ein Hintergedanke — der Bundesstaat, den die Einen wollen, die Andern
nicht. Man sprach von der Commission, und man meinte den Bundesstaat.
Das war eine schiefe Stellung auf beiden Seiten, und da pflegen die Debatten
heftig und unerquicklich zu werden. Wir sind der Meinung, daß die Verfassung
des Zollvereins eine Frage ist, welche sich zur Besprechung in dem Volkswirth-
schaftlichen Kongreß sehr wohl eignet; daß aber dieser Gegenstand durchaus
-ein politischer und daß es gradezu abgeschmackt ist. dies zu leugnen. Um sich
davon zu überzeugen, lese man die Verhandlungen und Schriften von der
Kündigung des Zollvereins von Seiten Preußens im Jahre 1851 bis zur
Erneuerung der Verträge 1853. Die Antragsteller haben sich an jene Vor¬
gänge schwerlich erinnert, sie scheinen überhaupt die Sache etwas leicht ge¬
nommen zu haben. Wenn sie den Congreß von der Politik fern halten wollen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/21>, abgerufen am 23.07.2024.