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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Preußen den Küstendienst, etwa in der Ems und der Elbe, hannoversche"
Booten wird überlassen sonnen, oder daß Preußen gezwungen sein wird, diese
Last auch noch auf seine Schultern zu nehmen? Indem Hannover 20 Küsten¬
fahrzeuge ausrüstet, erspart es jedenfalls dem übrigen Deutschland, insbeson¬
dere Preußen, eine entsprechende Leistung, und die UnPopularität, deren Herr
von Borries sich erfreut, ist kein Grund dies zu verkennen.

Aber Hannover, so wird man einwenden, will gar nicht aus eigenen Mit¬
teln, es will aus Bundesmitteln für den Küstenschutz gesorgt wissen. Es beab¬
sichtigt einen Antrag an die Bundesversammlung zu richten, wonach die letztere
den Küstenstaaten das Mandat ertheilen soll, nach einem näher zu vereinba¬
renden Verhältnisse 50 Kanonenboote zu stellen, deren Bau- und Unterhaltungs¬
kosten durch Matricularumlage zu decken sein werden. Unter solchem Vor¬
behalt ist es keine Kunst patriotisch zu sein; und so wie Hannover könnte jeder
beliebige andere Staat sich erbieten, auf Regimentsunkosten sich eine kleine
Seemacht anzuschaffen. Ganz richtig. Aber trotzdem ist Hannovers Borgehen
nicht völlig werthlos. Erstlich nämlich riskirt es doch immerhin eine ab¬
schlägige Antwort des Bundes. Dann muß es auf eigene Kosten ausführen,
was es mit so großem Eclat als seine Entschließung der Welt verkündet hat.
Zweitens aber versetzt es den Bundestag in die Nothwendigkeit, einmal deut¬
lich Ja oder Nein zu sagen. Der Bund wird sich zu erklären haben, ob er
eine Maßregel wie den Schutz der deutschen Küsten, eine Maßregel, welche
sogar Hannover für unerläßlich ansieht, in die Hand nehmen kann und will
oder nicht. Sagt der Bundestag Nein, so weiß ich nicht, wer alsdann noch
in Deutschland die Stirn haben könnte, zu fordern, daß unsere Geschicke in
Frankfurt entschieden werden sollen. Sagt aber der Bund Ja. so wird in-
direct eine nationale Beisteuer für das preußische Marinebudget gewonnen.
Die Kosten der 50 Kanonenboote, ans Bundcsmitteln gedeckt, repräsentiren
einen entsprechenden Minderbedarf der deutsch-preußischen Kriegsflotte, welche
ohne eine solche Beihülfe doch schließlich auch für den Küstendienst einen Theil
ihrer Kraft hätte abgeben müssen.

Der hannoversche Antrag, wenn er Erfolg hat, wird mithin die Ent¬
wicklung der deutschen Seegeltung mittelbar erleichtern, während er doch die
Bestrebungen, welche Preußen und neuerdings die Hansestädte auf dieses Ziel
gerichtet haben, nicht berührt, geschweige denn, durchkreuzt. Bei diesen Be¬
strebungen hatte man ursprünglich zwar auch den Knstendienst zu berücksichtigen
gehabt, weil eben kein anderer Weg für ihn zu sorgen sich zeigte; allein vor¬
nehmlich hatte man doch den Dienst auf hoher See im Auge. In letzterer
Beziehung, also in der Hauptsache, ist die Situation die nämliche geblieben
Wie sie im Monat August war. Sie ist durch das hannoversche Project nur
einfacher und bequemer geworden. Die Hamburger Bürgerschaft hat noch am 16.
October mit einer Zweidrittelmajorität zu der von Bremen angeregten Idee einer


Preußen den Küstendienst, etwa in der Ems und der Elbe, hannoversche»
Booten wird überlassen sonnen, oder daß Preußen gezwungen sein wird, diese
Last auch noch auf seine Schultern zu nehmen? Indem Hannover 20 Küsten¬
fahrzeuge ausrüstet, erspart es jedenfalls dem übrigen Deutschland, insbeson¬
dere Preußen, eine entsprechende Leistung, und die UnPopularität, deren Herr
von Borries sich erfreut, ist kein Grund dies zu verkennen.

Aber Hannover, so wird man einwenden, will gar nicht aus eigenen Mit¬
teln, es will aus Bundesmitteln für den Küstenschutz gesorgt wissen. Es beab¬
sichtigt einen Antrag an die Bundesversammlung zu richten, wonach die letztere
den Küstenstaaten das Mandat ertheilen soll, nach einem näher zu vereinba¬
renden Verhältnisse 50 Kanonenboote zu stellen, deren Bau- und Unterhaltungs¬
kosten durch Matricularumlage zu decken sein werden. Unter solchem Vor¬
behalt ist es keine Kunst patriotisch zu sein; und so wie Hannover könnte jeder
beliebige andere Staat sich erbieten, auf Regimentsunkosten sich eine kleine
Seemacht anzuschaffen. Ganz richtig. Aber trotzdem ist Hannovers Borgehen
nicht völlig werthlos. Erstlich nämlich riskirt es doch immerhin eine ab¬
schlägige Antwort des Bundes. Dann muß es auf eigene Kosten ausführen,
was es mit so großem Eclat als seine Entschließung der Welt verkündet hat.
Zweitens aber versetzt es den Bundestag in die Nothwendigkeit, einmal deut¬
lich Ja oder Nein zu sagen. Der Bund wird sich zu erklären haben, ob er
eine Maßregel wie den Schutz der deutschen Küsten, eine Maßregel, welche
sogar Hannover für unerläßlich ansieht, in die Hand nehmen kann und will
oder nicht. Sagt der Bundestag Nein, so weiß ich nicht, wer alsdann noch
in Deutschland die Stirn haben könnte, zu fordern, daß unsere Geschicke in
Frankfurt entschieden werden sollen. Sagt aber der Bund Ja. so wird in-
direct eine nationale Beisteuer für das preußische Marinebudget gewonnen.
Die Kosten der 50 Kanonenboote, ans Bundcsmitteln gedeckt, repräsentiren
einen entsprechenden Minderbedarf der deutsch-preußischen Kriegsflotte, welche
ohne eine solche Beihülfe doch schließlich auch für den Küstendienst einen Theil
ihrer Kraft hätte abgeben müssen.

Der hannoversche Antrag, wenn er Erfolg hat, wird mithin die Ent¬
wicklung der deutschen Seegeltung mittelbar erleichtern, während er doch die
Bestrebungen, welche Preußen und neuerdings die Hansestädte auf dieses Ziel
gerichtet haben, nicht berührt, geschweige denn, durchkreuzt. Bei diesen Be¬
strebungen hatte man ursprünglich zwar auch den Knstendienst zu berücksichtigen
gehabt, weil eben kein anderer Weg für ihn zu sorgen sich zeigte; allein vor¬
nehmlich hatte man doch den Dienst auf hoher See im Auge. In letzterer
Beziehung, also in der Hauptsache, ist die Situation die nämliche geblieben
Wie sie im Monat August war. Sie ist durch das hannoversche Project nur
einfacher und bequemer geworden. Die Hamburger Bürgerschaft hat noch am 16.
October mit einer Zweidrittelmajorität zu der von Bremen angeregten Idee einer


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[0207] Preußen den Küstendienst, etwa in der Ems und der Elbe, hannoversche» Booten wird überlassen sonnen, oder daß Preußen gezwungen sein wird, diese Last auch noch auf seine Schultern zu nehmen? Indem Hannover 20 Küsten¬ fahrzeuge ausrüstet, erspart es jedenfalls dem übrigen Deutschland, insbeson¬ dere Preußen, eine entsprechende Leistung, und die UnPopularität, deren Herr von Borries sich erfreut, ist kein Grund dies zu verkennen. Aber Hannover, so wird man einwenden, will gar nicht aus eigenen Mit¬ teln, es will aus Bundesmitteln für den Küstenschutz gesorgt wissen. Es beab¬ sichtigt einen Antrag an die Bundesversammlung zu richten, wonach die letztere den Küstenstaaten das Mandat ertheilen soll, nach einem näher zu vereinba¬ renden Verhältnisse 50 Kanonenboote zu stellen, deren Bau- und Unterhaltungs¬ kosten durch Matricularumlage zu decken sein werden. Unter solchem Vor¬ behalt ist es keine Kunst patriotisch zu sein; und so wie Hannover könnte jeder beliebige andere Staat sich erbieten, auf Regimentsunkosten sich eine kleine Seemacht anzuschaffen. Ganz richtig. Aber trotzdem ist Hannovers Borgehen nicht völlig werthlos. Erstlich nämlich riskirt es doch immerhin eine ab¬ schlägige Antwort des Bundes. Dann muß es auf eigene Kosten ausführen, was es mit so großem Eclat als seine Entschließung der Welt verkündet hat. Zweitens aber versetzt es den Bundestag in die Nothwendigkeit, einmal deut¬ lich Ja oder Nein zu sagen. Der Bund wird sich zu erklären haben, ob er eine Maßregel wie den Schutz der deutschen Küsten, eine Maßregel, welche sogar Hannover für unerläßlich ansieht, in die Hand nehmen kann und will oder nicht. Sagt der Bundestag Nein, so weiß ich nicht, wer alsdann noch in Deutschland die Stirn haben könnte, zu fordern, daß unsere Geschicke in Frankfurt entschieden werden sollen. Sagt aber der Bund Ja. so wird in- direct eine nationale Beisteuer für das preußische Marinebudget gewonnen. Die Kosten der 50 Kanonenboote, ans Bundcsmitteln gedeckt, repräsentiren einen entsprechenden Minderbedarf der deutsch-preußischen Kriegsflotte, welche ohne eine solche Beihülfe doch schließlich auch für den Küstendienst einen Theil ihrer Kraft hätte abgeben müssen. Der hannoversche Antrag, wenn er Erfolg hat, wird mithin die Ent¬ wicklung der deutschen Seegeltung mittelbar erleichtern, während er doch die Bestrebungen, welche Preußen und neuerdings die Hansestädte auf dieses Ziel gerichtet haben, nicht berührt, geschweige denn, durchkreuzt. Bei diesen Be¬ strebungen hatte man ursprünglich zwar auch den Knstendienst zu berücksichtigen gehabt, weil eben kein anderer Weg für ihn zu sorgen sich zeigte; allein vor¬ nehmlich hatte man doch den Dienst auf hoher See im Auge. In letzterer Beziehung, also in der Hauptsache, ist die Situation die nämliche geblieben Wie sie im Monat August war. Sie ist durch das hannoversche Project nur einfacher und bequemer geworden. Die Hamburger Bürgerschaft hat noch am 16. October mit einer Zweidrittelmajorität zu der von Bremen angeregten Idee einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/207>, abgerufen am 23.07.2024.