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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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ausweinte anzulegen, bei welcher Idee von antipreußischen Nebenzwecken nicht
wohl die Rede sein sann. Nun gehe ich freilich nicht so weit, zu behaupten,
daß bei dem Flotillcnproject der Seitenblick auf Preußen nicht existire. Im
Gegentheil, ich halte es für unzweifelhaft, daß, ohne die preußischen Flotten-
projecte, der König von Hannover nie auf den Einfall gekommen sein würde,
seine Kriegsherrlichkeit auf dem Wasser geltend zu machen. Aber sein Zweck
dabei ist nicht gewesen, den Küstenschutz illusorisch zu machen, sondern sein
Zweck ist gewesen, es Preußen gleich zu thun. Schon die Zahl der projectir-
ten hannoverschen Dampfboote deutet auf diesen geheimen Wunsch. Preußen
will 20 Kanoncnschiffe stellen. Hannover erklärt desgleichen 20 Küstenfahrzeuge
ausrüsten zu wollen. Man soll nicht sagen dürfen, daß das Hans Hohen-
zollern für die Vertheidigung der vorzugsweise hannoverschen Nordseeküste
mehr leiste als das Welfenhaus, Aber eben deswegen meint man es mit der
Leistung selbst, wenigstens in der obersten Region, durchaus aufrichtig.

Fragt man, wie die Welfenpolitik auf die Forderung unserer maritimen
Bestrebungen wirken werde, so muß man zweierlei sorgfältig auseinander
halten, die Interessen des bloß örtlichen Küstenschutzes und die Aufgaben einer
eigentlichen Kriegsflotte. Letztere einer aus selbständigen Kontingenten zu¬
sammengeflickten Scewehr anzuvertrauen, ist baarer Unsinn. Ein Kriegsflotte,
sähig, die Operationen der Landtruppen in Schleswig-Holstein, in Jütland
und gegen die dänischen Inseln zu unterstützen, fähig, auf hoher See feind¬
lichen Geschwadern die Spitze zu bieten. Blokaden größerer Dampfschiffe zu
verhindern, in entlegenen Häfen den Handel zu beschirmen, den diplomatischen
Verkehr mit Japan, China u. s. w. zu vermitteln, eine solche Kriegsflotte
kann nur unter der einheitlichen Leitung Preußens gedeihen und bestehen.
Ein Wille und eine Hand muß sie organisüen, verwalten, befehligen und
über sie verfügen. Mit einer Küstenflotille verhält es sich doch etwas anders.
Natürlich ist es auch für sie besser, wenn sie einer einzigen Leitung folgt.
Allein es ist übertrieben, wenn man behauptet, eine derartige Flotille könne
nur unter einheitlicher Leitung gute Dienste leisten. Die ganze Natur ihrer
Wirksamkeit gestattet den Küstenfahrzeugen (ähnlich wie den Streifcorps auf
dem Lande) einen ziemlichen Grad von Selbständigkeit. Das Obercommando
wird ihnen kaum einen anderen Befehl geben können als in jenem theoreti¬
schen Satze enthalten ist: "Man muß dem Feinde möglichst viel Abbruch
thun." Der Zusammenhang der Operationen kommt wenig in Betracht bei
einem Dienste, dessen Wesen vornehmlich in der geschickten und kühnen Im¬
provisation besteht und der von Wind und Wetter, Ebbe und Fluth stündlich
neue Vorschriften annehmen muß. Im Kriege wird nun ohnehin, man mag
sagen was man will, diejenige oberste Disposition über alle vorhandenen
Streitkräfte, deren auch Kanonenboote nicht völlig entbehren können, an Preu¬
ßen fallen, und es fragt sich nur, was besser ist: daß in einem solchen Falle


ausweinte anzulegen, bei welcher Idee von antipreußischen Nebenzwecken nicht
wohl die Rede sein sann. Nun gehe ich freilich nicht so weit, zu behaupten,
daß bei dem Flotillcnproject der Seitenblick auf Preußen nicht existire. Im
Gegentheil, ich halte es für unzweifelhaft, daß, ohne die preußischen Flotten-
projecte, der König von Hannover nie auf den Einfall gekommen sein würde,
seine Kriegsherrlichkeit auf dem Wasser geltend zu machen. Aber sein Zweck
dabei ist nicht gewesen, den Küstenschutz illusorisch zu machen, sondern sein
Zweck ist gewesen, es Preußen gleich zu thun. Schon die Zahl der projectir-
ten hannoverschen Dampfboote deutet auf diesen geheimen Wunsch. Preußen
will 20 Kanoncnschiffe stellen. Hannover erklärt desgleichen 20 Küstenfahrzeuge
ausrüsten zu wollen. Man soll nicht sagen dürfen, daß das Hans Hohen-
zollern für die Vertheidigung der vorzugsweise hannoverschen Nordseeküste
mehr leiste als das Welfenhaus, Aber eben deswegen meint man es mit der
Leistung selbst, wenigstens in der obersten Region, durchaus aufrichtig.

Fragt man, wie die Welfenpolitik auf die Forderung unserer maritimen
Bestrebungen wirken werde, so muß man zweierlei sorgfältig auseinander
halten, die Interessen des bloß örtlichen Küstenschutzes und die Aufgaben einer
eigentlichen Kriegsflotte. Letztere einer aus selbständigen Kontingenten zu¬
sammengeflickten Scewehr anzuvertrauen, ist baarer Unsinn. Ein Kriegsflotte,
sähig, die Operationen der Landtruppen in Schleswig-Holstein, in Jütland
und gegen die dänischen Inseln zu unterstützen, fähig, auf hoher See feind¬
lichen Geschwadern die Spitze zu bieten. Blokaden größerer Dampfschiffe zu
verhindern, in entlegenen Häfen den Handel zu beschirmen, den diplomatischen
Verkehr mit Japan, China u. s. w. zu vermitteln, eine solche Kriegsflotte
kann nur unter der einheitlichen Leitung Preußens gedeihen und bestehen.
Ein Wille und eine Hand muß sie organisüen, verwalten, befehligen und
über sie verfügen. Mit einer Küstenflotille verhält es sich doch etwas anders.
Natürlich ist es auch für sie besser, wenn sie einer einzigen Leitung folgt.
Allein es ist übertrieben, wenn man behauptet, eine derartige Flotille könne
nur unter einheitlicher Leitung gute Dienste leisten. Die ganze Natur ihrer
Wirksamkeit gestattet den Küstenfahrzeugen (ähnlich wie den Streifcorps auf
dem Lande) einen ziemlichen Grad von Selbständigkeit. Das Obercommando
wird ihnen kaum einen anderen Befehl geben können als in jenem theoreti¬
schen Satze enthalten ist: „Man muß dem Feinde möglichst viel Abbruch
thun." Der Zusammenhang der Operationen kommt wenig in Betracht bei
einem Dienste, dessen Wesen vornehmlich in der geschickten und kühnen Im¬
provisation besteht und der von Wind und Wetter, Ebbe und Fluth stündlich
neue Vorschriften annehmen muß. Im Kriege wird nun ohnehin, man mag
sagen was man will, diejenige oberste Disposition über alle vorhandenen
Streitkräfte, deren auch Kanonenboote nicht völlig entbehren können, an Preu¬
ßen fallen, und es fragt sich nur, was besser ist: daß in einem solchen Falle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/206>, abgerufen am 29.12.2024.