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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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der unzerbrechliche Schild Aigis, des Zeus: "rund umher mit drohendem
Schrecken gekränzet, drauf der Streit und die Schulung, nicht minder die
starre Verfolgung, darauf auch das Gorgohaupt, des entsetzlichsten Ungeheuers,
schreckenvoll und grauenerregend" (Ilias V, 738--742); die goldene Pforte im
Palaste des Alkinoos und die silbernen und goldenen Hunde am Eingange zu
dessen Saale (Odyssee VII, 87--95); der goldene Wagen des Helios und
der goldene Kahn, dessen am Abend sich derselbe zur Rückfahrt durch das
Meer bediente, die ehernen Stiere des Aeetes und die "kreisenden Bande, zart
wie Spinnenwebe" (Odyssee VIII, 218--280), worin Hephästos den kampf¬
geübten Ares und die untreue Aphrodite überlistete, werden, nebst vielem Andern,
als Werke seiner Hand bezeichnet.

Unzweifelhaft beurkundet dieser Mythus, daß zur Zeit des Homer, also
um 1000 v. Chr.. die Gewinnung und Bearbeitung des Silbers und Goldes,
des Kupfers und Eisens auch bei den Griechen schon längst zu Bekannten
gehörte und daß im Besondern ein großartig schöpferischer Geist in Bearbeitung
der Metalle dort herrschte. Denn wie groß auch die Poesie in diesem Mythus
erscheinen mag: die von ihr geschaffenen Bilder werden immerhin als Ideale
zu betrachten sein, denen nachzustreben ihre Zeit sich bereits bemühte.

Von besonderem Interesse ist, daß Homer auch ausdrücklich des Harems
des Eisens gedenkt: "Wie wenn ein Meister in Erz die Holzaxt oder das
Schlichtheit taucht in kühlendes Wasser, das laut im Gesprudel emporbraust,
härtend durch Kunst, denn solches ersetzet die Kräfte des Eisens" (Odyssee IX,
392--394),-- nicht anders als ob diese Worte unsern Tagen entstammten--,
so wie der "Bläue des Stahles" (Ilias XVIII, S64). Auch bezeichnet er
treffend die wichtigsten Schmiedcgeräthe: die Feuerstätte mit Blasebälgen, Erz
und Tiegeln; den Ambos, den Hammer und diewohlgebildcteZange (JliasXVIII,
469--477; Odyssee III, 433).

Die Kunst des Erzgießcns in Formen scheint indeß erst nach Homer unter
den Griechen gediehen zu sein, da von späteren Schriftstellern Rhökos auf
Samos, der um 630 v. Chr. gelebt, als derjenige genannt wird, der selbige
erfunden. Vornehmlich wurde sie von dessen Söhnen Theodoros und Telekles
geübt, und insbesondere wird jenem auch wesentlicher Antheil an der Erfindung
selbst zugeschrieben. Auch war er es. oder, was wahrscheinlicher, ein Neffe
desselben, Theodoros der Jüngere, 556 v. Chr., der in Griechenland zuerst
die Steinschneidekunst übte, indem er namentlich als Fertiger des sagenreichen
Siegelringes des Polykrates (530 v. Chr.) bezeichnet wird. An Bezaleel haben
wir bereits einen Vorgänger kennen gelernt, und weiter werden wir bei den
Phöniciern schon früher nicht unbedeutende Gußwerke finden.

Als das älteste griechische Bildwerk in Metall wird ein 60 Fuß hohes
Standbild Apollon's genannt (Thukyoides 3, 18), errichtet von Amyklas,


der unzerbrechliche Schild Aigis, des Zeus: „rund umher mit drohendem
Schrecken gekränzet, drauf der Streit und die Schulung, nicht minder die
starre Verfolgung, darauf auch das Gorgohaupt, des entsetzlichsten Ungeheuers,
schreckenvoll und grauenerregend" (Ilias V, 738—742); die goldene Pforte im
Palaste des Alkinoos und die silbernen und goldenen Hunde am Eingange zu
dessen Saale (Odyssee VII, 87—95); der goldene Wagen des Helios und
der goldene Kahn, dessen am Abend sich derselbe zur Rückfahrt durch das
Meer bediente, die ehernen Stiere des Aeetes und die „kreisenden Bande, zart
wie Spinnenwebe" (Odyssee VIII, 218—280), worin Hephästos den kampf¬
geübten Ares und die untreue Aphrodite überlistete, werden, nebst vielem Andern,
als Werke seiner Hand bezeichnet.

Unzweifelhaft beurkundet dieser Mythus, daß zur Zeit des Homer, also
um 1000 v. Chr.. die Gewinnung und Bearbeitung des Silbers und Goldes,
des Kupfers und Eisens auch bei den Griechen schon längst zu Bekannten
gehörte und daß im Besondern ein großartig schöpferischer Geist in Bearbeitung
der Metalle dort herrschte. Denn wie groß auch die Poesie in diesem Mythus
erscheinen mag: die von ihr geschaffenen Bilder werden immerhin als Ideale
zu betrachten sein, denen nachzustreben ihre Zeit sich bereits bemühte.

Von besonderem Interesse ist, daß Homer auch ausdrücklich des Harems
des Eisens gedenkt: „Wie wenn ein Meister in Erz die Holzaxt oder das
Schlichtheit taucht in kühlendes Wasser, das laut im Gesprudel emporbraust,
härtend durch Kunst, denn solches ersetzet die Kräfte des Eisens" (Odyssee IX,
392—394),— nicht anders als ob diese Worte unsern Tagen entstammten—,
so wie der „Bläue des Stahles" (Ilias XVIII, S64). Auch bezeichnet er
treffend die wichtigsten Schmiedcgeräthe: die Feuerstätte mit Blasebälgen, Erz
und Tiegeln; den Ambos, den Hammer und diewohlgebildcteZange (JliasXVIII,
469—477; Odyssee III, 433).

Die Kunst des Erzgießcns in Formen scheint indeß erst nach Homer unter
den Griechen gediehen zu sein, da von späteren Schriftstellern Rhökos auf
Samos, der um 630 v. Chr. gelebt, als derjenige genannt wird, der selbige
erfunden. Vornehmlich wurde sie von dessen Söhnen Theodoros und Telekles
geübt, und insbesondere wird jenem auch wesentlicher Antheil an der Erfindung
selbst zugeschrieben. Auch war er es. oder, was wahrscheinlicher, ein Neffe
desselben, Theodoros der Jüngere, 556 v. Chr., der in Griechenland zuerst
die Steinschneidekunst übte, indem er namentlich als Fertiger des sagenreichen
Siegelringes des Polykrates (530 v. Chr.) bezeichnet wird. An Bezaleel haben
wir bereits einen Vorgänger kennen gelernt, und weiter werden wir bei den
Phöniciern schon früher nicht unbedeutende Gußwerke finden.

Als das älteste griechische Bildwerk in Metall wird ein 60 Fuß hohes
Standbild Apollon's genannt (Thukyoides 3, 18), errichtet von Amyklas,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/158>, abgerufen am 23.07.2024.