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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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"Gold, Silber. Erz. Eisen. Zinn und Blei und Alles, was das Feuer
leidet, sollt ihr durch's Feuer lassen gehen und reinigen",

worin wir zugleich die Summa von Mosis Metallkunde erblicken dürfen, da¬
bei zu folgendem besonderen Bemerken Veranlassung findend:

Der Name Erz. hebr. Nechschet, gr. eüalkos, lat. ass. wurde im Alter¬
thum allgemein für Kupfer gebraucht und für Verbindungen dieses Metalles
mit anderen, etwa unserer Bronze vergleichlich, indem man reines Kupfer
überhaupt wol nur da zu gewinnen vermochte, wo solches in der Natur ge¬
diegen gesunden wurde, während man im Uebrigen meist wol Metallmischungen
jener Art aus der Schmelzung von Kupfererzen erhielt. Das deutsche Wort
Zinn aber ist an die Stelle des hebräischen Bedil gesetzt, das seiner Abstam¬
mung nach so viel als das "Getrennte", "Abgeschiedene" heißt, von welchem
man für zweifelhaft erachtet, ob wirklich Zinn darunter verstanden werden
dürfe, da das Vorkommen dieses Metalls im gediegenen Zustande nicht nach¬
gewiesen und auch sonst nur ein vereinzeltes, auf wenige Gebiete beschränktes
ist, während in denjenigen des Orients im Alterthum es gar nicht gefunden
worden. Man glaubt vielmehr, aus den Schmelzprocessen abgesondert her¬
vorgegangene Verbindungen von Silber mit Blei dafür annehmen zu sollen,
wenigstens für diejenige Zeit, welcher jene Bibelstelle entstammt (Beckmann.
Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, IV, 321 u. ff.), während später
zweifellos die Phönicier britisches Zinn in den Handel gebracht haben, ohne
daß dafür eine andere Bezeichnung in der Bibelschrift vorkommt; daher jener
Annahme dann eine weitere Geltung nur unter der Hinzufügung wird ertheilt
werden können, daß von den Alten die vermeinte Metallverbindung und wirk¬
liches Zinn wahrscheinlich für identisch gehalten worden. Das britische Zinn
wurde zuerst durch celtische Völker nach Gallien gebracht und von hier auf
dem Landwege nach dem mittelländischen Meere geführt, bis die Phönicier
von Gades (Caoix) aus. das sie bereits 1100 v. Chr. gegründet, es zur See
von seiner Fundstätte abgeholt, was nach Strabo (III.) noch im 4. Jahrhun¬
dert v. Chr. der Fall war. Wie wir später sehen werden, fällt aber die
wichtigste Periode des phönicischen Handels in die Zeit von 1000 bis 600
v. Chr.. daher wol kaum für zweifelhaft zu erachten sein wird, daß schon
innerhalb dieser Periode, welcher auch die späteren biblischen Nachrichten an¬
gehören, der phönicische Zinnhandel im Gange war. Zugleich zeugen die
biblischen Ueberlieferungen aus dieser Zeit von metallurgischen Processen, die
auf ziemliche Scheidung des Silbers vom Blei schließen lassen, so daß obige
Namenauslegung dann überhaupt an Anhalt verliert.

In dem 5. Buch Mosis (8, 9) wird Kanaan ein Land genannt, "dessen
Steine Eisen" und aus dessen Bergen das Volk Israel "Erz zu hauen" im
Stande, worin thatsächlich der künstliche Bergbau Ausdruck findet; und daß


Grenzboten IV. 1861. 19
„Gold, Silber. Erz. Eisen. Zinn und Blei und Alles, was das Feuer
leidet, sollt ihr durch's Feuer lassen gehen und reinigen",

worin wir zugleich die Summa von Mosis Metallkunde erblicken dürfen, da¬
bei zu folgendem besonderen Bemerken Veranlassung findend:

Der Name Erz. hebr. Nechschet, gr. eüalkos, lat. ass. wurde im Alter¬
thum allgemein für Kupfer gebraucht und für Verbindungen dieses Metalles
mit anderen, etwa unserer Bronze vergleichlich, indem man reines Kupfer
überhaupt wol nur da zu gewinnen vermochte, wo solches in der Natur ge¬
diegen gesunden wurde, während man im Uebrigen meist wol Metallmischungen
jener Art aus der Schmelzung von Kupfererzen erhielt. Das deutsche Wort
Zinn aber ist an die Stelle des hebräischen Bedil gesetzt, das seiner Abstam¬
mung nach so viel als das „Getrennte", „Abgeschiedene" heißt, von welchem
man für zweifelhaft erachtet, ob wirklich Zinn darunter verstanden werden
dürfe, da das Vorkommen dieses Metalls im gediegenen Zustande nicht nach¬
gewiesen und auch sonst nur ein vereinzeltes, auf wenige Gebiete beschränktes
ist, während in denjenigen des Orients im Alterthum es gar nicht gefunden
worden. Man glaubt vielmehr, aus den Schmelzprocessen abgesondert her¬
vorgegangene Verbindungen von Silber mit Blei dafür annehmen zu sollen,
wenigstens für diejenige Zeit, welcher jene Bibelstelle entstammt (Beckmann.
Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, IV, 321 u. ff.), während später
zweifellos die Phönicier britisches Zinn in den Handel gebracht haben, ohne
daß dafür eine andere Bezeichnung in der Bibelschrift vorkommt; daher jener
Annahme dann eine weitere Geltung nur unter der Hinzufügung wird ertheilt
werden können, daß von den Alten die vermeinte Metallverbindung und wirk¬
liches Zinn wahrscheinlich für identisch gehalten worden. Das britische Zinn
wurde zuerst durch celtische Völker nach Gallien gebracht und von hier auf
dem Landwege nach dem mittelländischen Meere geführt, bis die Phönicier
von Gades (Caoix) aus. das sie bereits 1100 v. Chr. gegründet, es zur See
von seiner Fundstätte abgeholt, was nach Strabo (III.) noch im 4. Jahrhun¬
dert v. Chr. der Fall war. Wie wir später sehen werden, fällt aber die
wichtigste Periode des phönicischen Handels in die Zeit von 1000 bis 600
v. Chr.. daher wol kaum für zweifelhaft zu erachten sein wird, daß schon
innerhalb dieser Periode, welcher auch die späteren biblischen Nachrichten an¬
gehören, der phönicische Zinnhandel im Gange war. Zugleich zeugen die
biblischen Ueberlieferungen aus dieser Zeit von metallurgischen Processen, die
auf ziemliche Scheidung des Silbers vom Blei schließen lassen, so daß obige
Namenauslegung dann überhaupt an Anhalt verliert.

In dem 5. Buch Mosis (8, 9) wird Kanaan ein Land genannt, „dessen
Steine Eisen" und aus dessen Bergen das Volk Israel „Erz zu hauen" im
Stande, worin thatsächlich der künstliche Bergbau Ausdruck findet; und daß


Grenzboten IV. 1861. 19
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[0155] „Gold, Silber. Erz. Eisen. Zinn und Blei und Alles, was das Feuer leidet, sollt ihr durch's Feuer lassen gehen und reinigen", worin wir zugleich die Summa von Mosis Metallkunde erblicken dürfen, da¬ bei zu folgendem besonderen Bemerken Veranlassung findend: Der Name Erz. hebr. Nechschet, gr. eüalkos, lat. ass. wurde im Alter¬ thum allgemein für Kupfer gebraucht und für Verbindungen dieses Metalles mit anderen, etwa unserer Bronze vergleichlich, indem man reines Kupfer überhaupt wol nur da zu gewinnen vermochte, wo solches in der Natur ge¬ diegen gesunden wurde, während man im Uebrigen meist wol Metallmischungen jener Art aus der Schmelzung von Kupfererzen erhielt. Das deutsche Wort Zinn aber ist an die Stelle des hebräischen Bedil gesetzt, das seiner Abstam¬ mung nach so viel als das „Getrennte", „Abgeschiedene" heißt, von welchem man für zweifelhaft erachtet, ob wirklich Zinn darunter verstanden werden dürfe, da das Vorkommen dieses Metalls im gediegenen Zustande nicht nach¬ gewiesen und auch sonst nur ein vereinzeltes, auf wenige Gebiete beschränktes ist, während in denjenigen des Orients im Alterthum es gar nicht gefunden worden. Man glaubt vielmehr, aus den Schmelzprocessen abgesondert her¬ vorgegangene Verbindungen von Silber mit Blei dafür annehmen zu sollen, wenigstens für diejenige Zeit, welcher jene Bibelstelle entstammt (Beckmann. Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, IV, 321 u. ff.), während später zweifellos die Phönicier britisches Zinn in den Handel gebracht haben, ohne daß dafür eine andere Bezeichnung in der Bibelschrift vorkommt; daher jener Annahme dann eine weitere Geltung nur unter der Hinzufügung wird ertheilt werden können, daß von den Alten die vermeinte Metallverbindung und wirk¬ liches Zinn wahrscheinlich für identisch gehalten worden. Das britische Zinn wurde zuerst durch celtische Völker nach Gallien gebracht und von hier auf dem Landwege nach dem mittelländischen Meere geführt, bis die Phönicier von Gades (Caoix) aus. das sie bereits 1100 v. Chr. gegründet, es zur See von seiner Fundstätte abgeholt, was nach Strabo (III.) noch im 4. Jahrhun¬ dert v. Chr. der Fall war. Wie wir später sehen werden, fällt aber die wichtigste Periode des phönicischen Handels in die Zeit von 1000 bis 600 v. Chr.. daher wol kaum für zweifelhaft zu erachten sein wird, daß schon innerhalb dieser Periode, welcher auch die späteren biblischen Nachrichten an¬ gehören, der phönicische Zinnhandel im Gange war. Zugleich zeugen die biblischen Ueberlieferungen aus dieser Zeit von metallurgischen Processen, die auf ziemliche Scheidung des Silbers vom Blei schließen lassen, so daß obige Namenauslegung dann überhaupt an Anhalt verliert. In dem 5. Buch Mosis (8, 9) wird Kanaan ein Land genannt, „dessen Steine Eisen" und aus dessen Bergen das Volk Israel „Erz zu hauen" im Stande, worin thatsächlich der künstliche Bergbau Ausdruck findet; und daß Grenzboten IV. 1861. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/155>, abgerufen am 23.07.2024.