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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Entwicklung schuf, während er für diese jetzige Tagcsweisheit als abgethan
und verschollen erscheint, als ein Traum und Schwindel unreifer Jugend,
welcher für immer der nüchternen empirischen Beobachtung Platz zu machen
habe!

In so schroffer einseitiger Weise von der eigenen Vergangenheit abzubrechen,
konnte freilich dem Dichter selbst nie in den Sinn kommen; wie konnte es
ihm einfallen, dem Bewußtsein praktisch bürgerlicher Bestimmung, das er in
jenem Werke seines späten Alters so entschieden betont, die Wahrheit seiner
früheren rein dichterischen Periode, das Ziel idealer menschlich schöner Ausbildung,
zum Opfer zu bringen. Und so hat denn auch jene bürgerliche Tendenz der
Wanderjahre noch keineswegs schon in der unmittelbaren Gegenwart ihre entspre¬
chende Erfüllung gefunden; sondern in dieser erscheint sie nur erst in der noch ein¬
seitigen und unvollkommenen Form industriellen Erwerbsstrebens, materiellen
und technischen Zweckmäßigkeitsgeistes, während die Dichtung noch auf eine
ganz andere vollendetere Form hinausweist, auf die des entwickelten Berufs¬
lebens und seiner gegliederten Ordnung. Und hiermit erst kommen wir denn
zu dem eigentlichen Ziele dieser Erörterungen, für welches uns wieder zunächst
die Dichtung selbst als Führer dienen kann. .

Was nämlich den Dichter bei jener Tendenz bestimmter fachmäßiger Aus¬
bildung geleitet hat. das ist die Idee eines berufsmäßigen Wirkens in der
Gemeinsamkeit. Die Einordnung in den Zweck der Gemeinschaft, in welcher
jeder eine bestimmte Stelle auszufüllen hat, sie ist es. die von dem Einzelnen
diese Einseitigkeit (wenn man es so nennen will) einer besondern fachmäßigen
Bildung und Fertigkeit fordert. Eben dadurch aber, daß es so der Beruf,
das Wirken in und mit der Gemeinschaft ist, auf dem Alles ruht, ist der ein¬
seitig materielle Nützlichkeitsgcist, das Streben des bloßen Erwerbs, der an
jene technisch fachmäßige Ausbildung sich anknüpfen könnte, von vornherein
ausgeschlossen. Der höhere allgemeine Zweck, der in dem Berufe liegt, ist es
vielmehr, der überhaupt den Einzelnen aus seiner bloßen Sonderstellung, aus
seinem bloßen Privatstreben heraushebt und jene Form eines gegliederten Bun¬
des der verschiedenen Fachgenossen mit sich bringt, welche in den Wander¬
jahren so eigenthümlich hervortritt und als eine der höchsten dichterisch prophe¬
tischen Hinweisungen auf die socialen Aufgaben der Neuzeit erscheint. Nur
im gegenseitig ergänzenden Aufeinanderwirken und Zusammenwirken ist theils
die volle sachmäßige Ausbildung, theils überhaupt der genügende Antrieb zu
berufsmäßiger Bildung und Wirksamkeit vorhanden; deshalb eben hat der
Dichter jene Form verbündeter Genossenschaft und einer gegliederten Vertre¬
tung derselben, die als "Band" sie zusammenhält, als die wesentliche Be¬
dingung erkannt, unter welcher allein jene Ausbildung aller für einen bestimmten
Berufszweig und die entsprechende Berufsthätigkeit selbst sich vollziehen könne.


Entwicklung schuf, während er für diese jetzige Tagcsweisheit als abgethan
und verschollen erscheint, als ein Traum und Schwindel unreifer Jugend,
welcher für immer der nüchternen empirischen Beobachtung Platz zu machen
habe!

In so schroffer einseitiger Weise von der eigenen Vergangenheit abzubrechen,
konnte freilich dem Dichter selbst nie in den Sinn kommen; wie konnte es
ihm einfallen, dem Bewußtsein praktisch bürgerlicher Bestimmung, das er in
jenem Werke seines späten Alters so entschieden betont, die Wahrheit seiner
früheren rein dichterischen Periode, das Ziel idealer menschlich schöner Ausbildung,
zum Opfer zu bringen. Und so hat denn auch jene bürgerliche Tendenz der
Wanderjahre noch keineswegs schon in der unmittelbaren Gegenwart ihre entspre¬
chende Erfüllung gefunden; sondern in dieser erscheint sie nur erst in der noch ein¬
seitigen und unvollkommenen Form industriellen Erwerbsstrebens, materiellen
und technischen Zweckmäßigkeitsgeistes, während die Dichtung noch auf eine
ganz andere vollendetere Form hinausweist, auf die des entwickelten Berufs¬
lebens und seiner gegliederten Ordnung. Und hiermit erst kommen wir denn
zu dem eigentlichen Ziele dieser Erörterungen, für welches uns wieder zunächst
die Dichtung selbst als Führer dienen kann. .

Was nämlich den Dichter bei jener Tendenz bestimmter fachmäßiger Aus¬
bildung geleitet hat. das ist die Idee eines berufsmäßigen Wirkens in der
Gemeinsamkeit. Die Einordnung in den Zweck der Gemeinschaft, in welcher
jeder eine bestimmte Stelle auszufüllen hat, sie ist es. die von dem Einzelnen
diese Einseitigkeit (wenn man es so nennen will) einer besondern fachmäßigen
Bildung und Fertigkeit fordert. Eben dadurch aber, daß es so der Beruf,
das Wirken in und mit der Gemeinschaft ist, auf dem Alles ruht, ist der ein¬
seitig materielle Nützlichkeitsgcist, das Streben des bloßen Erwerbs, der an
jene technisch fachmäßige Ausbildung sich anknüpfen könnte, von vornherein
ausgeschlossen. Der höhere allgemeine Zweck, der in dem Berufe liegt, ist es
vielmehr, der überhaupt den Einzelnen aus seiner bloßen Sonderstellung, aus
seinem bloßen Privatstreben heraushebt und jene Form eines gegliederten Bun¬
des der verschiedenen Fachgenossen mit sich bringt, welche in den Wander¬
jahren so eigenthümlich hervortritt und als eine der höchsten dichterisch prophe¬
tischen Hinweisungen auf die socialen Aufgaben der Neuzeit erscheint. Nur
im gegenseitig ergänzenden Aufeinanderwirken und Zusammenwirken ist theils
die volle sachmäßige Ausbildung, theils überhaupt der genügende Antrieb zu
berufsmäßiger Bildung und Wirksamkeit vorhanden; deshalb eben hat der
Dichter jene Form verbündeter Genossenschaft und einer gegliederten Vertre¬
tung derselben, die als „Band" sie zusammenhält, als die wesentliche Be¬
dingung erkannt, unter welcher allein jene Ausbildung aller für einen bestimmten
Berufszweig und die entsprechende Berufsthätigkeit selbst sich vollziehen könne.


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[0135] Entwicklung schuf, während er für diese jetzige Tagcsweisheit als abgethan und verschollen erscheint, als ein Traum und Schwindel unreifer Jugend, welcher für immer der nüchternen empirischen Beobachtung Platz zu machen habe! In so schroffer einseitiger Weise von der eigenen Vergangenheit abzubrechen, konnte freilich dem Dichter selbst nie in den Sinn kommen; wie konnte es ihm einfallen, dem Bewußtsein praktisch bürgerlicher Bestimmung, das er in jenem Werke seines späten Alters so entschieden betont, die Wahrheit seiner früheren rein dichterischen Periode, das Ziel idealer menschlich schöner Ausbildung, zum Opfer zu bringen. Und so hat denn auch jene bürgerliche Tendenz der Wanderjahre noch keineswegs schon in der unmittelbaren Gegenwart ihre entspre¬ chende Erfüllung gefunden; sondern in dieser erscheint sie nur erst in der noch ein¬ seitigen und unvollkommenen Form industriellen Erwerbsstrebens, materiellen und technischen Zweckmäßigkeitsgeistes, während die Dichtung noch auf eine ganz andere vollendetere Form hinausweist, auf die des entwickelten Berufs¬ lebens und seiner gegliederten Ordnung. Und hiermit erst kommen wir denn zu dem eigentlichen Ziele dieser Erörterungen, für welches uns wieder zunächst die Dichtung selbst als Führer dienen kann. . Was nämlich den Dichter bei jener Tendenz bestimmter fachmäßiger Aus¬ bildung geleitet hat. das ist die Idee eines berufsmäßigen Wirkens in der Gemeinsamkeit. Die Einordnung in den Zweck der Gemeinschaft, in welcher jeder eine bestimmte Stelle auszufüllen hat, sie ist es. die von dem Einzelnen diese Einseitigkeit (wenn man es so nennen will) einer besondern fachmäßigen Bildung und Fertigkeit fordert. Eben dadurch aber, daß es so der Beruf, das Wirken in und mit der Gemeinschaft ist, auf dem Alles ruht, ist der ein¬ seitig materielle Nützlichkeitsgcist, das Streben des bloßen Erwerbs, der an jene technisch fachmäßige Ausbildung sich anknüpfen könnte, von vornherein ausgeschlossen. Der höhere allgemeine Zweck, der in dem Berufe liegt, ist es vielmehr, der überhaupt den Einzelnen aus seiner bloßen Sonderstellung, aus seinem bloßen Privatstreben heraushebt und jene Form eines gegliederten Bun¬ des der verschiedenen Fachgenossen mit sich bringt, welche in den Wander¬ jahren so eigenthümlich hervortritt und als eine der höchsten dichterisch prophe¬ tischen Hinweisungen auf die socialen Aufgaben der Neuzeit erscheint. Nur im gegenseitig ergänzenden Aufeinanderwirken und Zusammenwirken ist theils die volle sachmäßige Ausbildung, theils überhaupt der genügende Antrieb zu berufsmäßiger Bildung und Wirksamkeit vorhanden; deshalb eben hat der Dichter jene Form verbündeter Genossenschaft und einer gegliederten Vertre¬ tung derselben, die als „Band" sie zusammenhält, als die wesentliche Be¬ dingung erkannt, unter welcher allein jene Ausbildung aller für einen bestimmten Berufszweig und die entsprechende Berufsthätigkeit selbst sich vollziehen könne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/135>, abgerufen am 29.12.2024.