Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sprachen habe, sei seine Haut so buntfleckig geworden, wie der Mantel einer
Amme. Selbst die Musiklehrer verschafften ihren Anweisungen durch Schläge
Eingang. So erzählt Aelian: Als ein Schüler des Flötenspielers Hippoma¬
pos falsch blies, aber doch von den Zuhörern Lob einerntete, schlug ihn dieser
mit dem Stocke, indem er sagte: "Wenn du nicht schlecht geblasen hättest,
würden dich diese Leute nicht gelobt haben!" Auch in den "Wolken" des
Aristophanes heißt es:


"Wenn Einer einmal sich in Sprüngen vermaß, in gekünstelter Trillern und
Schnörkeln,
Dem lohnte der Stock im üppigsten Maaß, weil Musengesang er entheiligt."

Die römischen Familienverhältnisse waren durch die ernstere ethischere
Richtung des Mannes auch auf das häusliche Leben und besonders durch die
würdigere, einflußreichere Stellung der Hausfrau wesentlich von den hellenischen
verschieden. Die Erziehung in der Familie unter der Leitung sorgsamer
Mütter und unter den wachsamen Augen der Väter hatte vielleicht schon bei
den Etruskern und Sabinern stattgefunden. Auch den ersten Unterricht er¬
theilten die Väter sehr oft selbst. Der ältere Cato, der die Sitte der Vor¬
fahren mit Affectation festhielt und sie überall wieder hervorsuchte, wo sie
verschwunden war, unterrichtete seinen Sohn theilweise, obgleich er einen ge¬
schickten Hauslehrer hatte, und schrieb für denselben einen Leitfaden der Ge¬
schichte und andere Bücher pädagogischen Inhalts. Auf dieselbe Weise machte
sich Cicero um Sohn und Neffen verdient. Dessenungeachtet gab es zu Rom
schon in sehr früher Zeit Elementarschulen. Denn wenn man auch auf die
Notiz Plutarchs, daß die Zwillingsstifter Roms zu Gabii Unterricht erhalten
hätten, kein Gewicht legen darf, so finden wir aus dem Jahre 449 v. Chr.
bei Livius und Dionys von Halikarnaß die bestimmte Erwähnung einer
Mädchenschule unter den Krambuden am Forum, und zwar in der Geschichte
der Virginia. Daß diese vom Decemvtr Appius Claudius verfolgte, von
ihrem Vater durch den Tod vor Schmach geschützte Jungfrau noch lesen und
schreiben lernte, thut der Wahrheit der Erzählung keinen Eintrag, wenn man
die schon mit dem zwölften Jahre eintretende Reife der Südländerinnen be¬
denkt. Sechzig Jahre später lebte der vielberufene Schulmeister zu Falerii,
der die ihm anvertrauten, vornehmen Kinder unter dem Vorwande körperlicher
Uebungen vor die Stadt führte und verräterischer Weise dem römischen Feld¬
herrn Camillus in die Hände spielte. Aus der Erzählung dieses Vorfalls
bei Livius geht übrigens hervor, daß der Verräther die Schule nicht auf
eigenes Risico etablirt hatte, sondern als Lehrer und Hofmeister von den
Eltern engagirt worden war. Drei Jahre später, als die Römer als Feinde
rin nahen Tibur einzogen, ließen sich die Bewohner in ihren Geschäften keines¬
wegs stören, ja "die Schulen hallten von den Stimmen der Lernenden wi-


sprachen habe, sei seine Haut so buntfleckig geworden, wie der Mantel einer
Amme. Selbst die Musiklehrer verschafften ihren Anweisungen durch Schläge
Eingang. So erzählt Aelian: Als ein Schüler des Flötenspielers Hippoma¬
pos falsch blies, aber doch von den Zuhörern Lob einerntete, schlug ihn dieser
mit dem Stocke, indem er sagte: „Wenn du nicht schlecht geblasen hättest,
würden dich diese Leute nicht gelobt haben!" Auch in den „Wolken" des
Aristophanes heißt es:


„Wenn Einer einmal sich in Sprüngen vermaß, in gekünstelter Trillern und
Schnörkeln,
Dem lohnte der Stock im üppigsten Maaß, weil Musengesang er entheiligt."

Die römischen Familienverhältnisse waren durch die ernstere ethischere
Richtung des Mannes auch auf das häusliche Leben und besonders durch die
würdigere, einflußreichere Stellung der Hausfrau wesentlich von den hellenischen
verschieden. Die Erziehung in der Familie unter der Leitung sorgsamer
Mütter und unter den wachsamen Augen der Väter hatte vielleicht schon bei
den Etruskern und Sabinern stattgefunden. Auch den ersten Unterricht er¬
theilten die Väter sehr oft selbst. Der ältere Cato, der die Sitte der Vor¬
fahren mit Affectation festhielt und sie überall wieder hervorsuchte, wo sie
verschwunden war, unterrichtete seinen Sohn theilweise, obgleich er einen ge¬
schickten Hauslehrer hatte, und schrieb für denselben einen Leitfaden der Ge¬
schichte und andere Bücher pädagogischen Inhalts. Auf dieselbe Weise machte
sich Cicero um Sohn und Neffen verdient. Dessenungeachtet gab es zu Rom
schon in sehr früher Zeit Elementarschulen. Denn wenn man auch auf die
Notiz Plutarchs, daß die Zwillingsstifter Roms zu Gabii Unterricht erhalten
hätten, kein Gewicht legen darf, so finden wir aus dem Jahre 449 v. Chr.
bei Livius und Dionys von Halikarnaß die bestimmte Erwähnung einer
Mädchenschule unter den Krambuden am Forum, und zwar in der Geschichte
der Virginia. Daß diese vom Decemvtr Appius Claudius verfolgte, von
ihrem Vater durch den Tod vor Schmach geschützte Jungfrau noch lesen und
schreiben lernte, thut der Wahrheit der Erzählung keinen Eintrag, wenn man
die schon mit dem zwölften Jahre eintretende Reife der Südländerinnen be¬
denkt. Sechzig Jahre später lebte der vielberufene Schulmeister zu Falerii,
der die ihm anvertrauten, vornehmen Kinder unter dem Vorwande körperlicher
Uebungen vor die Stadt führte und verräterischer Weise dem römischen Feld¬
herrn Camillus in die Hände spielte. Aus der Erzählung dieses Vorfalls
bei Livius geht übrigens hervor, daß der Verräther die Schule nicht auf
eigenes Risico etablirt hatte, sondern als Lehrer und Hofmeister von den
Eltern engagirt worden war. Drei Jahre später, als die Römer als Feinde
rin nahen Tibur einzogen, ließen sich die Bewohner in ihren Geschäften keines¬
wegs stören, ja „die Schulen hallten von den Stimmen der Lernenden wi-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112030"/>
          <p xml:id="ID_222" prev="#ID_221"> sprachen habe, sei seine Haut so buntfleckig geworden, wie der Mantel einer<lb/>
Amme. Selbst die Musiklehrer verschafften ihren Anweisungen durch Schläge<lb/>
Eingang. So erzählt Aelian: Als ein Schüler des Flötenspielers Hippoma¬<lb/>
pos falsch blies, aber doch von den Zuhörern Lob einerntete, schlug ihn dieser<lb/>
mit dem Stocke, indem er sagte: &#x201E;Wenn du nicht schlecht geblasen hättest,<lb/>
würden dich diese Leute nicht gelobt haben!" Auch in den &#x201E;Wolken" des<lb/>
Aristophanes heißt es:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_1" type="poem">
              <l> &#x201E;Wenn Einer einmal sich in Sprüngen vermaß, in gekünstelter Trillern und<lb/>
Schnörkeln,<lb/>
Dem lohnte der Stock im üppigsten Maaß, weil Musengesang er entheiligt."</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_223" next="#ID_224"> Die römischen Familienverhältnisse waren durch die ernstere ethischere<lb/>
Richtung des Mannes auch auf das häusliche Leben und besonders durch die<lb/>
würdigere, einflußreichere Stellung der Hausfrau wesentlich von den hellenischen<lb/>
verschieden. Die Erziehung in der Familie unter der Leitung sorgsamer<lb/>
Mütter und unter den wachsamen Augen der Väter hatte vielleicht schon bei<lb/>
den Etruskern und Sabinern stattgefunden. Auch den ersten Unterricht er¬<lb/>
theilten die Väter sehr oft selbst. Der ältere Cato, der die Sitte der Vor¬<lb/>
fahren mit Affectation festhielt und sie überall wieder hervorsuchte, wo sie<lb/>
verschwunden war, unterrichtete seinen Sohn theilweise, obgleich er einen ge¬<lb/>
schickten Hauslehrer hatte, und schrieb für denselben einen Leitfaden der Ge¬<lb/>
schichte und andere Bücher pädagogischen Inhalts. Auf dieselbe Weise machte<lb/>
sich Cicero um Sohn und Neffen verdient. Dessenungeachtet gab es zu Rom<lb/>
schon in sehr früher Zeit Elementarschulen. Denn wenn man auch auf die<lb/>
Notiz Plutarchs, daß die Zwillingsstifter Roms zu Gabii Unterricht erhalten<lb/>
hätten, kein Gewicht legen darf, so finden wir aus dem Jahre 449 v. Chr.<lb/>
bei Livius und Dionys von Halikarnaß die bestimmte Erwähnung einer<lb/>
Mädchenschule unter den Krambuden am Forum, und zwar in der Geschichte<lb/>
der Virginia. Daß diese vom Decemvtr Appius Claudius verfolgte, von<lb/>
ihrem Vater durch den Tod vor Schmach geschützte Jungfrau noch lesen und<lb/>
schreiben lernte, thut der Wahrheit der Erzählung keinen Eintrag, wenn man<lb/>
die schon mit dem zwölften Jahre eintretende Reife der Südländerinnen be¬<lb/>
denkt. Sechzig Jahre später lebte der vielberufene Schulmeister zu Falerii,<lb/>
der die ihm anvertrauten, vornehmen Kinder unter dem Vorwande körperlicher<lb/>
Uebungen vor die Stadt führte und verräterischer Weise dem römischen Feld¬<lb/>
herrn Camillus in die Hände spielte. Aus der Erzählung dieses Vorfalls<lb/>
bei Livius geht übrigens hervor, daß der Verräther die Schule nicht auf<lb/>
eigenes Risico etablirt hatte, sondern als Lehrer und Hofmeister von den<lb/>
Eltern engagirt worden war. Drei Jahre später, als die Römer als Feinde<lb/>
rin nahen Tibur einzogen, ließen sich die Bewohner in ihren Geschäften keines¬<lb/>
wegs stören, ja &#x201E;die Schulen hallten von den Stimmen der Lernenden wi-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] sprachen habe, sei seine Haut so buntfleckig geworden, wie der Mantel einer Amme. Selbst die Musiklehrer verschafften ihren Anweisungen durch Schläge Eingang. So erzählt Aelian: Als ein Schüler des Flötenspielers Hippoma¬ pos falsch blies, aber doch von den Zuhörern Lob einerntete, schlug ihn dieser mit dem Stocke, indem er sagte: „Wenn du nicht schlecht geblasen hättest, würden dich diese Leute nicht gelobt haben!" Auch in den „Wolken" des Aristophanes heißt es: „Wenn Einer einmal sich in Sprüngen vermaß, in gekünstelter Trillern und Schnörkeln, Dem lohnte der Stock im üppigsten Maaß, weil Musengesang er entheiligt." Die römischen Familienverhältnisse waren durch die ernstere ethischere Richtung des Mannes auch auf das häusliche Leben und besonders durch die würdigere, einflußreichere Stellung der Hausfrau wesentlich von den hellenischen verschieden. Die Erziehung in der Familie unter der Leitung sorgsamer Mütter und unter den wachsamen Augen der Väter hatte vielleicht schon bei den Etruskern und Sabinern stattgefunden. Auch den ersten Unterricht er¬ theilten die Väter sehr oft selbst. Der ältere Cato, der die Sitte der Vor¬ fahren mit Affectation festhielt und sie überall wieder hervorsuchte, wo sie verschwunden war, unterrichtete seinen Sohn theilweise, obgleich er einen ge¬ schickten Hauslehrer hatte, und schrieb für denselben einen Leitfaden der Ge¬ schichte und andere Bücher pädagogischen Inhalts. Auf dieselbe Weise machte sich Cicero um Sohn und Neffen verdient. Dessenungeachtet gab es zu Rom schon in sehr früher Zeit Elementarschulen. Denn wenn man auch auf die Notiz Plutarchs, daß die Zwillingsstifter Roms zu Gabii Unterricht erhalten hätten, kein Gewicht legen darf, so finden wir aus dem Jahre 449 v. Chr. bei Livius und Dionys von Halikarnaß die bestimmte Erwähnung einer Mädchenschule unter den Krambuden am Forum, und zwar in der Geschichte der Virginia. Daß diese vom Decemvtr Appius Claudius verfolgte, von ihrem Vater durch den Tod vor Schmach geschützte Jungfrau noch lesen und schreiben lernte, thut der Wahrheit der Erzählung keinen Eintrag, wenn man die schon mit dem zwölften Jahre eintretende Reife der Südländerinnen be¬ denkt. Sechzig Jahre später lebte der vielberufene Schulmeister zu Falerii, der die ihm anvertrauten, vornehmen Kinder unter dem Vorwande körperlicher Uebungen vor die Stadt führte und verräterischer Weise dem römischen Feld¬ herrn Camillus in die Hände spielte. Aus der Erzählung dieses Vorfalls bei Livius geht übrigens hervor, daß der Verräther die Schule nicht auf eigenes Risico etablirt hatte, sondern als Lehrer und Hofmeister von den Eltern engagirt worden war. Drei Jahre später, als die Römer als Feinde rin nahen Tibur einzogen, ließen sich die Bewohner in ihren Geschäften keines¬ wegs stören, ja „die Schulen hallten von den Stimmen der Lernenden wi-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/60>, abgerufen am 23.07.2024.