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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Gros einen Anlauf in den Kuppelgemälden des Pantheons zu nehmen, die
er im Jahre 1824 vollendete und welche die Franzosen als das beste Werk
ihrer monumentalen Malerei rühmen. Aber auch hier stört die Gestalt Lud¬
wigs des Achtzehnter, die der Maler an die Stelle Napoleons setzen mußte,
die Großartigkeit der Anordnung. Und wenn sich auch die Meisterschaft der
Arbeit nicht leugnen läßt, so waren doch diese idealen Darstellungen des
Schlachtenmalers Sache nicht; es fehlt ihnen das rechte Leben. Noch deut¬
licher tritt dies in den zwei Deckengemälden im Louvre hervor, welche Gros
im Jahre 1827 ausführte. Mit solchen allegorischen Motiven wußte er vollends
nichts anzufangen: mag auch das alte Talent nicht ganz sich verleugnen, so
ist doch das Ganze in seiner widerwärtigen Hohlheit völlig ausdruckslos.
Gros fühlte, daß seine Kraft zu Ende war, er sah das Aufblühen einer
neuen Kunst, die er in seinen guten Bildern selber angebahnt hatte und die
ihn jetzt weit hinter sich zurückließ; in der bittern Empfindung sich überlebt
zu haben gab er sich den Tod.

Die Kunst des Kaiserreichs hatte erst durch Gros ihren eigentlichen Auf¬
schwung erhalten. Abgesehen davon, daß er eine große Schule bildete, der
er zum Theil seine Ausfassungs- und BeHandlungsweise überlieferte, ist sein
Einfluß auf die Zeitgenossen selbst in den Bildern aus der gleichzeitigen Ge¬
schichte von Girodet und G6rard nicht zu verkennen. Die Ausstellungen von
1800 bis 1812 zeigen regelmäßig die doppelte Richtung, welche die David'sche
Schule genommen hatte: einerseits die Darstellungen aus der antiken Welt
und Mythologie in der ernsten pathetischen Art des Meisters, andrerseits eine
Masse Bilder, welche die Thaten des Heeres und das öffentliche Leben des
Kaisers in allen möglichen, auch ganz unbedeutenden, Situationen behandel¬
ten; sie füllen ganze Süle des Schlosses von Versailles. Die Kunst bewegte
sich nur auf diesen beiden Gebieten, und in beiden strebte sie vor Allem
nach correcter Form und einem großen würdevollen Ausdruck. Aber die Ent¬
artung des hohen Styles in eine hohle theatralische Manier und in einen
conventionellen Schwung der L.mie hatte sich schon in David angekündigt;
in den Schülern zweiten Ranges ging sie unaufhaltsam weiter. Zeigen die
spätern classischen Gemälde, die ewigen Wiederholungen aus der alten Ge¬
schichte und Sage, ein widernatürliches Pathos der Bewegung, eine leere Ueber-
schwenglichkeit des Ausdrucks, seelenlose Form und Farbe: so sind dagegen
die Darstellungen aus der Kaisergeschichte meistens schwache und bedeutungs-
lose Nachahmungen des halb classischen, halb realistischen Styles von Gros.
Die bekanntesten Maler sind: Hennequin, Gassies, Gaütherot, Guil-
lemot.

Indessen waren durch Girodet, G6rard und Gros in die David'sche
Schule neue belebende Elemente eingedrungen, und daher in ihr selber das


Gros einen Anlauf in den Kuppelgemälden des Pantheons zu nehmen, die
er im Jahre 1824 vollendete und welche die Franzosen als das beste Werk
ihrer monumentalen Malerei rühmen. Aber auch hier stört die Gestalt Lud¬
wigs des Achtzehnter, die der Maler an die Stelle Napoleons setzen mußte,
die Großartigkeit der Anordnung. Und wenn sich auch die Meisterschaft der
Arbeit nicht leugnen läßt, so waren doch diese idealen Darstellungen des
Schlachtenmalers Sache nicht; es fehlt ihnen das rechte Leben. Noch deut¬
licher tritt dies in den zwei Deckengemälden im Louvre hervor, welche Gros
im Jahre 1827 ausführte. Mit solchen allegorischen Motiven wußte er vollends
nichts anzufangen: mag auch das alte Talent nicht ganz sich verleugnen, so
ist doch das Ganze in seiner widerwärtigen Hohlheit völlig ausdruckslos.
Gros fühlte, daß seine Kraft zu Ende war, er sah das Aufblühen einer
neuen Kunst, die er in seinen guten Bildern selber angebahnt hatte und die
ihn jetzt weit hinter sich zurückließ; in der bittern Empfindung sich überlebt
zu haben gab er sich den Tod.

Die Kunst des Kaiserreichs hatte erst durch Gros ihren eigentlichen Auf¬
schwung erhalten. Abgesehen davon, daß er eine große Schule bildete, der
er zum Theil seine Ausfassungs- und BeHandlungsweise überlieferte, ist sein
Einfluß auf die Zeitgenossen selbst in den Bildern aus der gleichzeitigen Ge¬
schichte von Girodet und G6rard nicht zu verkennen. Die Ausstellungen von
1800 bis 1812 zeigen regelmäßig die doppelte Richtung, welche die David'sche
Schule genommen hatte: einerseits die Darstellungen aus der antiken Welt
und Mythologie in der ernsten pathetischen Art des Meisters, andrerseits eine
Masse Bilder, welche die Thaten des Heeres und das öffentliche Leben des
Kaisers in allen möglichen, auch ganz unbedeutenden, Situationen behandel¬
ten; sie füllen ganze Süle des Schlosses von Versailles. Die Kunst bewegte
sich nur auf diesen beiden Gebieten, und in beiden strebte sie vor Allem
nach correcter Form und einem großen würdevollen Ausdruck. Aber die Ent¬
artung des hohen Styles in eine hohle theatralische Manier und in einen
conventionellen Schwung der L.mie hatte sich schon in David angekündigt;
in den Schülern zweiten Ranges ging sie unaufhaltsam weiter. Zeigen die
spätern classischen Gemälde, die ewigen Wiederholungen aus der alten Ge¬
schichte und Sage, ein widernatürliches Pathos der Bewegung, eine leere Ueber-
schwenglichkeit des Ausdrucks, seelenlose Form und Farbe: so sind dagegen
die Darstellungen aus der Kaisergeschichte meistens schwache und bedeutungs-
lose Nachahmungen des halb classischen, halb realistischen Styles von Gros.
Die bekanntesten Maler sind: Hennequin, Gassies, Gaütherot, Guil-
lemot.

Indessen waren durch Girodet, G6rard und Gros in die David'sche
Schule neue belebende Elemente eingedrungen, und daher in ihr selber das


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[0521] Gros einen Anlauf in den Kuppelgemälden des Pantheons zu nehmen, die er im Jahre 1824 vollendete und welche die Franzosen als das beste Werk ihrer monumentalen Malerei rühmen. Aber auch hier stört die Gestalt Lud¬ wigs des Achtzehnter, die der Maler an die Stelle Napoleons setzen mußte, die Großartigkeit der Anordnung. Und wenn sich auch die Meisterschaft der Arbeit nicht leugnen läßt, so waren doch diese idealen Darstellungen des Schlachtenmalers Sache nicht; es fehlt ihnen das rechte Leben. Noch deut¬ licher tritt dies in den zwei Deckengemälden im Louvre hervor, welche Gros im Jahre 1827 ausführte. Mit solchen allegorischen Motiven wußte er vollends nichts anzufangen: mag auch das alte Talent nicht ganz sich verleugnen, so ist doch das Ganze in seiner widerwärtigen Hohlheit völlig ausdruckslos. Gros fühlte, daß seine Kraft zu Ende war, er sah das Aufblühen einer neuen Kunst, die er in seinen guten Bildern selber angebahnt hatte und die ihn jetzt weit hinter sich zurückließ; in der bittern Empfindung sich überlebt zu haben gab er sich den Tod. Die Kunst des Kaiserreichs hatte erst durch Gros ihren eigentlichen Auf¬ schwung erhalten. Abgesehen davon, daß er eine große Schule bildete, der er zum Theil seine Ausfassungs- und BeHandlungsweise überlieferte, ist sein Einfluß auf die Zeitgenossen selbst in den Bildern aus der gleichzeitigen Ge¬ schichte von Girodet und G6rard nicht zu verkennen. Die Ausstellungen von 1800 bis 1812 zeigen regelmäßig die doppelte Richtung, welche die David'sche Schule genommen hatte: einerseits die Darstellungen aus der antiken Welt und Mythologie in der ernsten pathetischen Art des Meisters, andrerseits eine Masse Bilder, welche die Thaten des Heeres und das öffentliche Leben des Kaisers in allen möglichen, auch ganz unbedeutenden, Situationen behandel¬ ten; sie füllen ganze Süle des Schlosses von Versailles. Die Kunst bewegte sich nur auf diesen beiden Gebieten, und in beiden strebte sie vor Allem nach correcter Form und einem großen würdevollen Ausdruck. Aber die Ent¬ artung des hohen Styles in eine hohle theatralische Manier und in einen conventionellen Schwung der L.mie hatte sich schon in David angekündigt; in den Schülern zweiten Ranges ging sie unaufhaltsam weiter. Zeigen die spätern classischen Gemälde, die ewigen Wiederholungen aus der alten Ge¬ schichte und Sage, ein widernatürliches Pathos der Bewegung, eine leere Ueber- schwenglichkeit des Ausdrucks, seelenlose Form und Farbe: so sind dagegen die Darstellungen aus der Kaisergeschichte meistens schwache und bedeutungs- lose Nachahmungen des halb classischen, halb realistischen Styles von Gros. Die bekanntesten Maler sind: Hennequin, Gassies, Gaütherot, Guil- lemot. Indessen waren durch Girodet, G6rard und Gros in die David'sche Schule neue belebende Elemente eingedrungen, und daher in ihr selber das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/521>, abgerufen am 27.08.2024.