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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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und ihr gerecht zu, werden suchte. Bei seiner Anschauungsweise, die auf einen
großen Inhalt in schöner Form ausging, lag für die Malerei schon frühe die
Gefahr nahe, sich in dem engen Gebiet der neuen classischen Welt festzurennen
und in der antiken Linie zu erstarren; umsomehr als auch die politische Be¬
wegung einer pathetischen Auffassung des Alterthums sich zuneigte. Hätte
David mit strenger Consequenz auch den Schüler angehalten, nur den von
ihm betretenen Weg zu gehen, so hätte sich seine Richtung früh ausgelebt,
sein Einfluß bald ausgeholt und ein wilder Umschlag Hütte wohl bald jede
Regel und jedes Studium über den Haufen geworfen. Aber er verstand es,
die eigenthümlichen Anlagen der jungen Künstler zu entdecken und sie auszu¬
bilden, indem er sie zugleich in eine strenge, für jene Zeit ganz passende Zucht
nahm. Die malerische Phantasie fand doch bald in dem dünnen Aether der
antiken Welt zu wenig Lebensluft, sie suchte sich auf anderen Gebieten aus¬
zubreiten und deren Reichthum in die Form zu gießen, welche sie als die
classische vom Meister überkommen hatte. Das eben machte die Schule
lebens- und entwickelungsfähig, daß dieser wol den Ernst der Auffassung, das
Gefühl für die Schönheit der Form, und die sorgfältige Durchführung der
Arbeit fortzupflanzen suchte, die Wahl der Motive aber und die dem Ein¬
zelnen eigenthümliche Anschauungsweise vollkommen frei gab. Wir haben es
hier nur mit den Malern zu thun, welche die Richtung Davids weiter bil¬
deten, ohne in eine neue entschieden einzulenken.

Schon in einem der frühesten Schüler Davids, Louis Girodet, ge'
nannt de Trioson (1767 bis 1824), zeigt sich, wie die romantische Phantasie
wieder erwacht und in die classische Formenwelt einbricht. Der junge Künstler
wandte sich gleich beim Beginne seiner Laufbahn zur griechischen Mythologie
zurück, die der malerischen und stimmungsvollen Auffassung einen freieren
Spielraum gewährte, als die Geschichte. Er schickte im Jahre 1732 von Rom
aus seinen Endymion nach Paris: auf den im Walde hingestreckten Schläfer
fällt durch das von Amor zurückgebogene Laub der volle Strahl des Mondes.
Das Publicum war für die mannigfaltigen malerischen Reize, die es lange
entbehrt hatte, und für den Ausdruck einer poetischen Stimmung, die es für
den Mangel eines ernsten Gehaltes vollkommen entschädigte, nun wieder top'
pett empfänglich; jetzt freilich wirkt die süße und gezierte Empfindung, die
aus dem Bilde spricht, nur um so widerwärtiger, als die festen Formen der
David'schen Schule in dem Schimmer der coloristischen Stimmung nicht ge'
lockert, sondern wie aus Holz geschnitten erscheinen. Girodet producirte weing-
sein Bestreben, durch eigenthümliche Motive eine ergreifende Wirkung hervor-
zubringen, trieb ihn, sich in allerlei seltsamen Stoffen zu versuchen, in die er
sich dann Jahre lang geheimnißvoll hineinarbeitete. Für die Geschichte '>
er interessant als der Vorläufer der späteren romantischen Kunst. Im Jah^


und ihr gerecht zu, werden suchte. Bei seiner Anschauungsweise, die auf einen
großen Inhalt in schöner Form ausging, lag für die Malerei schon frühe die
Gefahr nahe, sich in dem engen Gebiet der neuen classischen Welt festzurennen
und in der antiken Linie zu erstarren; umsomehr als auch die politische Be¬
wegung einer pathetischen Auffassung des Alterthums sich zuneigte. Hätte
David mit strenger Consequenz auch den Schüler angehalten, nur den von
ihm betretenen Weg zu gehen, so hätte sich seine Richtung früh ausgelebt,
sein Einfluß bald ausgeholt und ein wilder Umschlag Hütte wohl bald jede
Regel und jedes Studium über den Haufen geworfen. Aber er verstand es,
die eigenthümlichen Anlagen der jungen Künstler zu entdecken und sie auszu¬
bilden, indem er sie zugleich in eine strenge, für jene Zeit ganz passende Zucht
nahm. Die malerische Phantasie fand doch bald in dem dünnen Aether der
antiken Welt zu wenig Lebensluft, sie suchte sich auf anderen Gebieten aus¬
zubreiten und deren Reichthum in die Form zu gießen, welche sie als die
classische vom Meister überkommen hatte. Das eben machte die Schule
lebens- und entwickelungsfähig, daß dieser wol den Ernst der Auffassung, das
Gefühl für die Schönheit der Form, und die sorgfältige Durchführung der
Arbeit fortzupflanzen suchte, die Wahl der Motive aber und die dem Ein¬
zelnen eigenthümliche Anschauungsweise vollkommen frei gab. Wir haben es
hier nur mit den Malern zu thun, welche die Richtung Davids weiter bil¬
deten, ohne in eine neue entschieden einzulenken.

Schon in einem der frühesten Schüler Davids, Louis Girodet, ge'
nannt de Trioson (1767 bis 1824), zeigt sich, wie die romantische Phantasie
wieder erwacht und in die classische Formenwelt einbricht. Der junge Künstler
wandte sich gleich beim Beginne seiner Laufbahn zur griechischen Mythologie
zurück, die der malerischen und stimmungsvollen Auffassung einen freieren
Spielraum gewährte, als die Geschichte. Er schickte im Jahre 1732 von Rom
aus seinen Endymion nach Paris: auf den im Walde hingestreckten Schläfer
fällt durch das von Amor zurückgebogene Laub der volle Strahl des Mondes.
Das Publicum war für die mannigfaltigen malerischen Reize, die es lange
entbehrt hatte, und für den Ausdruck einer poetischen Stimmung, die es für
den Mangel eines ernsten Gehaltes vollkommen entschädigte, nun wieder top'
pett empfänglich; jetzt freilich wirkt die süße und gezierte Empfindung, die
aus dem Bilde spricht, nur um so widerwärtiger, als die festen Formen der
David'schen Schule in dem Schimmer der coloristischen Stimmung nicht ge'
lockert, sondern wie aus Holz geschnitten erscheinen. Girodet producirte weing-
sein Bestreben, durch eigenthümliche Motive eine ergreifende Wirkung hervor-
zubringen, trieb ihn, sich in allerlei seltsamen Stoffen zu versuchen, in die er
sich dann Jahre lang geheimnißvoll hineinarbeitete. Für die Geschichte '>
er interessant als der Vorläufer der späteren romantischen Kunst. Im Jah^


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[0514] und ihr gerecht zu, werden suchte. Bei seiner Anschauungsweise, die auf einen großen Inhalt in schöner Form ausging, lag für die Malerei schon frühe die Gefahr nahe, sich in dem engen Gebiet der neuen classischen Welt festzurennen und in der antiken Linie zu erstarren; umsomehr als auch die politische Be¬ wegung einer pathetischen Auffassung des Alterthums sich zuneigte. Hätte David mit strenger Consequenz auch den Schüler angehalten, nur den von ihm betretenen Weg zu gehen, so hätte sich seine Richtung früh ausgelebt, sein Einfluß bald ausgeholt und ein wilder Umschlag Hütte wohl bald jede Regel und jedes Studium über den Haufen geworfen. Aber er verstand es, die eigenthümlichen Anlagen der jungen Künstler zu entdecken und sie auszu¬ bilden, indem er sie zugleich in eine strenge, für jene Zeit ganz passende Zucht nahm. Die malerische Phantasie fand doch bald in dem dünnen Aether der antiken Welt zu wenig Lebensluft, sie suchte sich auf anderen Gebieten aus¬ zubreiten und deren Reichthum in die Form zu gießen, welche sie als die classische vom Meister überkommen hatte. Das eben machte die Schule lebens- und entwickelungsfähig, daß dieser wol den Ernst der Auffassung, das Gefühl für die Schönheit der Form, und die sorgfältige Durchführung der Arbeit fortzupflanzen suchte, die Wahl der Motive aber und die dem Ein¬ zelnen eigenthümliche Anschauungsweise vollkommen frei gab. Wir haben es hier nur mit den Malern zu thun, welche die Richtung Davids weiter bil¬ deten, ohne in eine neue entschieden einzulenken. Schon in einem der frühesten Schüler Davids, Louis Girodet, ge' nannt de Trioson (1767 bis 1824), zeigt sich, wie die romantische Phantasie wieder erwacht und in die classische Formenwelt einbricht. Der junge Künstler wandte sich gleich beim Beginne seiner Laufbahn zur griechischen Mythologie zurück, die der malerischen und stimmungsvollen Auffassung einen freieren Spielraum gewährte, als die Geschichte. Er schickte im Jahre 1732 von Rom aus seinen Endymion nach Paris: auf den im Walde hingestreckten Schläfer fällt durch das von Amor zurückgebogene Laub der volle Strahl des Mondes. Das Publicum war für die mannigfaltigen malerischen Reize, die es lange entbehrt hatte, und für den Ausdruck einer poetischen Stimmung, die es für den Mangel eines ernsten Gehaltes vollkommen entschädigte, nun wieder top' pett empfänglich; jetzt freilich wirkt die süße und gezierte Empfindung, die aus dem Bilde spricht, nur um so widerwärtiger, als die festen Formen der David'schen Schule in dem Schimmer der coloristischen Stimmung nicht ge' lockert, sondern wie aus Holz geschnitten erscheinen. Girodet producirte weing- sein Bestreben, durch eigenthümliche Motive eine ergreifende Wirkung hervor- zubringen, trieb ihn, sich in allerlei seltsamen Stoffen zu versuchen, in die er sich dann Jahre lang geheimnißvoll hineinarbeitete. Für die Geschichte '> er interessant als der Vorläufer der späteren romantischen Kunst. Im Jah^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/514>, abgerufen am 23.12.2024.