Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

machte, vollkommen einverstanden. Der Maler hielt sich an die Porträtköpfe
der berühmten Personen; man rühmt noch jetzt die dem Kaiser zunächststehenden
Gruppen als ein Muster von lebendiger und treffender Darstellung, und allerdings
ist das ruhige würdevolle Zusammenstehen dieser historischen Menschen nicht ohne
Wirkung. Aber im Ganzen macht das Bild, obwohl es im Colorit besser ist.
als die früheren Werke, doch einen seltsamen Eindruck. Viel schlimmer noch
sieht es mit der Vertheilung der Adler aus. Die Vertreter der verschiedenen
Waffengattungen stürzen mit einer lächerlichen Heftigkeit, wie Ein Mann auf den
Kaiser los, um ihm den Fahneneid zu leisten; die ganze Composition besteht in
einem wilden.Knäul von laufenden Beinen und ausgestreckten Armen, und das
Theatralische ist in dem modernen Costüm vollends unerträglich. -- Mit dem
Sturz Napoleons war auch Davids Laufbahn so gut wie zu Ende; er ging
18t6 nach Brüssel in's Exil, und die wenigen Bilder, die er dort bis zu seinem
Tode noch malte, stehen hinter den früheren weit zurück.

Schon oben ist bemerkt, worin die epochemachende Bedeutung Davids
liegt; daß seine Bilder nicht das volle Leben der echten Kunstwerke haben,
ließ sich schon in der Beschreibung nicht verhehlen. David erlöste die Malerei
von dem Zwang einer conventionellen Anschauung, um ihr die neue Fessel
einer gleichfalls gemachten Schönheit anzulegen. Es fehlt durchaus an der
Natur, an der Ursprünglichkeit, an dem Wurf des Lebens. Indem er zu ein¬
seitig an der classischen Form festhielt, nahm er der Malerei gleichsam ihre
eigene Seele, um ihr eine plastis.de einzubilden. Es ist keine unrichtige Be¬
merkung, daß die Horatier und der Brutus ebensogut Basreliefs sein könn¬
ten, daher auch der graue eintönige gluthlose und gypsartige Ton des
Colorits. Es ist bezeichnend, daß sich David in den späteren Jahren mit
entschiedener Vorliebe zu der Darstellung ruhiger Situationen und der Bil¬
dung des Nackten wandte; er hatte keinen Sinn für die farbenglühende be¬
wegte Erscheinung des in die Wirklichkeit verschlungenen Lebens. Er gab die
Mythe auf und alle die Stoffe, deren Reich die Phantasie ist. er griff zur
Geschichte. Aber schon der erste Schritt, den damit die neue Malerei that,
zeigte, wie schwer ihr Weg ist. Es war ihm Ernst in seinen Motiven, er
selber war nicht ohne einen höheren sittlichen Inhalt, denn er war ganz er¬
füllt von der neuen Bewegung und sein Streben ging eben darauf aus. die
großen Empfindungen, die ihn und seine Zeit trieben, in den edlen Stoffen
der alten Welt zum würdigen Ausdruck zu bringen. Dennoch war sein Pathos
abstract. gedankenhaft, nicht zur Natur geworden, seine Stoffe gingen ihm
nicht in lebendige Anschauung auf. Es zeigte sich, daß der Inhalt und die
Anschauung der neuen Zeit noch lange nicht reif genug waren, um eine eigen¬
thümliche Kunst zu erzeugen und die Welt der Erscheinung schöpferisch und
lebenbildend zu durchdringen. Wie die Revolution mit gewaltsamer Vernei-


machte, vollkommen einverstanden. Der Maler hielt sich an die Porträtköpfe
der berühmten Personen; man rühmt noch jetzt die dem Kaiser zunächststehenden
Gruppen als ein Muster von lebendiger und treffender Darstellung, und allerdings
ist das ruhige würdevolle Zusammenstehen dieser historischen Menschen nicht ohne
Wirkung. Aber im Ganzen macht das Bild, obwohl es im Colorit besser ist.
als die früheren Werke, doch einen seltsamen Eindruck. Viel schlimmer noch
sieht es mit der Vertheilung der Adler aus. Die Vertreter der verschiedenen
Waffengattungen stürzen mit einer lächerlichen Heftigkeit, wie Ein Mann auf den
Kaiser los, um ihm den Fahneneid zu leisten; die ganze Composition besteht in
einem wilden.Knäul von laufenden Beinen und ausgestreckten Armen, und das
Theatralische ist in dem modernen Costüm vollends unerträglich. — Mit dem
Sturz Napoleons war auch Davids Laufbahn so gut wie zu Ende; er ging
18t6 nach Brüssel in's Exil, und die wenigen Bilder, die er dort bis zu seinem
Tode noch malte, stehen hinter den früheren weit zurück.

Schon oben ist bemerkt, worin die epochemachende Bedeutung Davids
liegt; daß seine Bilder nicht das volle Leben der echten Kunstwerke haben,
ließ sich schon in der Beschreibung nicht verhehlen. David erlöste die Malerei
von dem Zwang einer conventionellen Anschauung, um ihr die neue Fessel
einer gleichfalls gemachten Schönheit anzulegen. Es fehlt durchaus an der
Natur, an der Ursprünglichkeit, an dem Wurf des Lebens. Indem er zu ein¬
seitig an der classischen Form festhielt, nahm er der Malerei gleichsam ihre
eigene Seele, um ihr eine plastis.de einzubilden. Es ist keine unrichtige Be¬
merkung, daß die Horatier und der Brutus ebensogut Basreliefs sein könn¬
ten, daher auch der graue eintönige gluthlose und gypsartige Ton des
Colorits. Es ist bezeichnend, daß sich David in den späteren Jahren mit
entschiedener Vorliebe zu der Darstellung ruhiger Situationen und der Bil¬
dung des Nackten wandte; er hatte keinen Sinn für die farbenglühende be¬
wegte Erscheinung des in die Wirklichkeit verschlungenen Lebens. Er gab die
Mythe auf und alle die Stoffe, deren Reich die Phantasie ist. er griff zur
Geschichte. Aber schon der erste Schritt, den damit die neue Malerei that,
zeigte, wie schwer ihr Weg ist. Es war ihm Ernst in seinen Motiven, er
selber war nicht ohne einen höheren sittlichen Inhalt, denn er war ganz er¬
füllt von der neuen Bewegung und sein Streben ging eben darauf aus. die
großen Empfindungen, die ihn und seine Zeit trieben, in den edlen Stoffen
der alten Welt zum würdigen Ausdruck zu bringen. Dennoch war sein Pathos
abstract. gedankenhaft, nicht zur Natur geworden, seine Stoffe gingen ihm
nicht in lebendige Anschauung auf. Es zeigte sich, daß der Inhalt und die
Anschauung der neuen Zeit noch lange nicht reif genug waren, um eine eigen¬
thümliche Kunst zu erzeugen und die Welt der Erscheinung schöpferisch und
lebenbildend zu durchdringen. Wie die Revolution mit gewaltsamer Vernei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112482"/>
            <p xml:id="ID_1679" prev="#ID_1678"> machte, vollkommen einverstanden. Der Maler hielt sich an die Porträtköpfe<lb/>
der berühmten Personen; man rühmt noch jetzt die dem Kaiser zunächststehenden<lb/>
Gruppen als ein Muster von lebendiger und treffender Darstellung, und allerdings<lb/>
ist das ruhige würdevolle Zusammenstehen dieser historischen Menschen nicht ohne<lb/>
Wirkung. Aber im Ganzen macht das Bild, obwohl es im Colorit besser ist.<lb/>
als die früheren Werke, doch einen seltsamen Eindruck. Viel schlimmer noch<lb/>
sieht es mit der Vertheilung der Adler aus. Die Vertreter der verschiedenen<lb/>
Waffengattungen stürzen mit einer lächerlichen Heftigkeit, wie Ein Mann auf den<lb/>
Kaiser los, um ihm den Fahneneid zu leisten; die ganze Composition besteht in<lb/>
einem wilden.Knäul von laufenden Beinen und ausgestreckten Armen, und das<lb/>
Theatralische ist in dem modernen Costüm vollends unerträglich. &#x2014; Mit dem<lb/>
Sturz Napoleons war auch Davids Laufbahn so gut wie zu Ende; er ging<lb/>
18t6 nach Brüssel in's Exil, und die wenigen Bilder, die er dort bis zu seinem<lb/>
Tode noch malte, stehen hinter den früheren weit zurück.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1680" next="#ID_1681"> Schon oben ist bemerkt, worin die epochemachende Bedeutung Davids<lb/>
liegt; daß seine Bilder nicht das volle Leben der echten Kunstwerke haben,<lb/>
ließ sich schon in der Beschreibung nicht verhehlen. David erlöste die Malerei<lb/>
von dem Zwang einer conventionellen Anschauung, um ihr die neue Fessel<lb/>
einer gleichfalls gemachten Schönheit anzulegen. Es fehlt durchaus an der<lb/>
Natur, an der Ursprünglichkeit, an dem Wurf des Lebens. Indem er zu ein¬<lb/>
seitig an der classischen Form festhielt, nahm er der Malerei gleichsam ihre<lb/>
eigene Seele, um ihr eine plastis.de einzubilden. Es ist keine unrichtige Be¬<lb/>
merkung, daß die Horatier und der Brutus ebensogut Basreliefs sein könn¬<lb/>
ten, daher auch der graue eintönige gluthlose und gypsartige Ton des<lb/>
Colorits. Es ist bezeichnend, daß sich David in den späteren Jahren mit<lb/>
entschiedener Vorliebe zu der Darstellung ruhiger Situationen und der Bil¬<lb/>
dung des Nackten wandte; er hatte keinen Sinn für die farbenglühende be¬<lb/>
wegte Erscheinung des in die Wirklichkeit verschlungenen Lebens. Er gab die<lb/>
Mythe auf und alle die Stoffe, deren Reich die Phantasie ist. er griff zur<lb/>
Geschichte. Aber schon der erste Schritt, den damit die neue Malerei that,<lb/>
zeigte, wie schwer ihr Weg ist. Es war ihm Ernst in seinen Motiven, er<lb/>
selber war nicht ohne einen höheren sittlichen Inhalt, denn er war ganz er¬<lb/>
füllt von der neuen Bewegung und sein Streben ging eben darauf aus. die<lb/>
großen Empfindungen, die ihn und seine Zeit trieben, in den edlen Stoffen<lb/>
der alten Welt zum würdigen Ausdruck zu bringen. Dennoch war sein Pathos<lb/>
abstract. gedankenhaft, nicht zur Natur geworden, seine Stoffe gingen ihm<lb/>
nicht in lebendige Anschauung auf. Es zeigte sich, daß der Inhalt und die<lb/>
Anschauung der neuen Zeit noch lange nicht reif genug waren, um eine eigen¬<lb/>
thümliche Kunst zu erzeugen und die Welt der Erscheinung schöpferisch und<lb/>
lebenbildend zu durchdringen.  Wie die Revolution mit gewaltsamer Vernei-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0512] machte, vollkommen einverstanden. Der Maler hielt sich an die Porträtköpfe der berühmten Personen; man rühmt noch jetzt die dem Kaiser zunächststehenden Gruppen als ein Muster von lebendiger und treffender Darstellung, und allerdings ist das ruhige würdevolle Zusammenstehen dieser historischen Menschen nicht ohne Wirkung. Aber im Ganzen macht das Bild, obwohl es im Colorit besser ist. als die früheren Werke, doch einen seltsamen Eindruck. Viel schlimmer noch sieht es mit der Vertheilung der Adler aus. Die Vertreter der verschiedenen Waffengattungen stürzen mit einer lächerlichen Heftigkeit, wie Ein Mann auf den Kaiser los, um ihm den Fahneneid zu leisten; die ganze Composition besteht in einem wilden.Knäul von laufenden Beinen und ausgestreckten Armen, und das Theatralische ist in dem modernen Costüm vollends unerträglich. — Mit dem Sturz Napoleons war auch Davids Laufbahn so gut wie zu Ende; er ging 18t6 nach Brüssel in's Exil, und die wenigen Bilder, die er dort bis zu seinem Tode noch malte, stehen hinter den früheren weit zurück. Schon oben ist bemerkt, worin die epochemachende Bedeutung Davids liegt; daß seine Bilder nicht das volle Leben der echten Kunstwerke haben, ließ sich schon in der Beschreibung nicht verhehlen. David erlöste die Malerei von dem Zwang einer conventionellen Anschauung, um ihr die neue Fessel einer gleichfalls gemachten Schönheit anzulegen. Es fehlt durchaus an der Natur, an der Ursprünglichkeit, an dem Wurf des Lebens. Indem er zu ein¬ seitig an der classischen Form festhielt, nahm er der Malerei gleichsam ihre eigene Seele, um ihr eine plastis.de einzubilden. Es ist keine unrichtige Be¬ merkung, daß die Horatier und der Brutus ebensogut Basreliefs sein könn¬ ten, daher auch der graue eintönige gluthlose und gypsartige Ton des Colorits. Es ist bezeichnend, daß sich David in den späteren Jahren mit entschiedener Vorliebe zu der Darstellung ruhiger Situationen und der Bil¬ dung des Nackten wandte; er hatte keinen Sinn für die farbenglühende be¬ wegte Erscheinung des in die Wirklichkeit verschlungenen Lebens. Er gab die Mythe auf und alle die Stoffe, deren Reich die Phantasie ist. er griff zur Geschichte. Aber schon der erste Schritt, den damit die neue Malerei that, zeigte, wie schwer ihr Weg ist. Es war ihm Ernst in seinen Motiven, er selber war nicht ohne einen höheren sittlichen Inhalt, denn er war ganz er¬ füllt von der neuen Bewegung und sein Streben ging eben darauf aus. die großen Empfindungen, die ihn und seine Zeit trieben, in den edlen Stoffen der alten Welt zum würdigen Ausdruck zu bringen. Dennoch war sein Pathos abstract. gedankenhaft, nicht zur Natur geworden, seine Stoffe gingen ihm nicht in lebendige Anschauung auf. Es zeigte sich, daß der Inhalt und die Anschauung der neuen Zeit noch lange nicht reif genug waren, um eine eigen¬ thümliche Kunst zu erzeugen und die Welt der Erscheinung schöpferisch und lebenbildend zu durchdringen. Wie die Revolution mit gewaltsamer Vernei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/512
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/512>, abgerufen am 23.07.2024.