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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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1859 einen Werth von 6!) Millionen in Einfuhr'und 64 Millionen Ld. Tha¬
lern in Ausfuhr nachwies, größere Quellen des Wohlstandes habe, als
eine Binnenstadt, welche im Wesentlichen nur Wechselplatz ist, und deren
Waarenverkehr auf etwas mehr als ein Viertheil jener Summen geschätzt wer¬
den mag.

Und dann spricht man davon "daß Bremen nur mit äußerster Anstren¬
gung" die jährliche Bedarfssumme aufdringe, und daß die Ausgaben "enorm"
seien. Im Gegentheil dürfte man der Wahrheit dann näher kommen, wenn
man annimmt, daß Bremen im Verhältniß seiner Leistungsfähigkeit einer nie¬
drigeren Besteuerung als viele deutsche Staaten unterliegt.

Eine Vermehrung der Ausgaben um gegen 75000 Thlr. würde bei einer
Gescmuntausgabe von 1,600,000 Thlr. wenigstens dann nicht sehr schwer
wiegen, wenn es sich darum handelt, den eigenen Seehandel zu schützen, eine
Absperrung vom Seeverkchre zu verhindern und die Nationalvertheidigung
Deutschlands zu stärken -- Zwecke, deren lange Vernachlässigung nicht ein
Motiv ferneren Zögerns, sondern raschen Handelns sein sollte.

Oder wäre es etwa unerhört, wenn ein Seestaat gegen ö Procent seiner
Ausgaben sür die Marine verwendete, und zwar ein Seestaat, dessen ganze
Existenz auf dem Meere liegt?

Von der jährlichen Gesammtausgabe entfallen nach der Berechnung von
Block in seiner LtAtisllciuL Ah 1a Kranes durchschnittlich auf die Marine in
England 19, Schweden 12, Norwegen und Dänemark 11, Rußland und Nie¬
derlande 10, Griechenland 9, Spanien und Portugal 5, Frankreich fast 5
Procent, und dies sind keineswegs ausschließlich Handelsstaaten, wie die Hanse¬
städte, welche, wenn ihnen die See gesperrt wird, im Wesentlichen keine Er¬
werbsquelle mehr besitzen.

Zur Erinnerung an eine große Vergangenheit tragen Bremen und Ham¬
burg noch den officiellen Namen als Hansestädte. Glaubt man, daß die
Seemacht der Hansa ohne Geldopfer hergestellt wurde? Es trifft sich, daß
wir ziemlich genau die außerordentlichen Abgaben kennen, welche sich die
Hansestädte, um ihren ersten Seekrieg zu führen, vor einem halben Jahrtau¬
send auferlegten. Wir haben schon erwähnt, daß die Hansestädte im Jahre
1367 zu Cöln eine Konföderation zur Bekämpfung Norwegens und Däne¬
marks schlössen. In Gemäßheit des Cölner Recesses vom 11/17. No¬
vember 1367 schrieben die Seestädte zur Bestreitung der Seerüstungen ern
Pfundgeld aus, um sie sich em solches schon um Jahre 1361 auferlegt hatten-
Es sollten danach von allen zur See ausgehenden, und von allen aus dein
Vereinsauslande zur See eingehenden Waaren circa V" Procent, und von den
Schiffen '/° Procent des Werthes erhoben werden. Der Ertrag sollte dann
unter diejenigen Städte, welche Kriegsschiffe ausrüsten würden, nach der


1859 einen Werth von 6!) Millionen in Einfuhr'und 64 Millionen Ld. Tha¬
lern in Ausfuhr nachwies, größere Quellen des Wohlstandes habe, als
eine Binnenstadt, welche im Wesentlichen nur Wechselplatz ist, und deren
Waarenverkehr auf etwas mehr als ein Viertheil jener Summen geschätzt wer¬
den mag.

Und dann spricht man davon „daß Bremen nur mit äußerster Anstren¬
gung" die jährliche Bedarfssumme aufdringe, und daß die Ausgaben „enorm"
seien. Im Gegentheil dürfte man der Wahrheit dann näher kommen, wenn
man annimmt, daß Bremen im Verhältniß seiner Leistungsfähigkeit einer nie¬
drigeren Besteuerung als viele deutsche Staaten unterliegt.

Eine Vermehrung der Ausgaben um gegen 75000 Thlr. würde bei einer
Gescmuntausgabe von 1,600,000 Thlr. wenigstens dann nicht sehr schwer
wiegen, wenn es sich darum handelt, den eigenen Seehandel zu schützen, eine
Absperrung vom Seeverkchre zu verhindern und die Nationalvertheidigung
Deutschlands zu stärken — Zwecke, deren lange Vernachlässigung nicht ein
Motiv ferneren Zögerns, sondern raschen Handelns sein sollte.

Oder wäre es etwa unerhört, wenn ein Seestaat gegen ö Procent seiner
Ausgaben sür die Marine verwendete, und zwar ein Seestaat, dessen ganze
Existenz auf dem Meere liegt?

Von der jährlichen Gesammtausgabe entfallen nach der Berechnung von
Block in seiner LtAtisllciuL Ah 1a Kranes durchschnittlich auf die Marine in
England 19, Schweden 12, Norwegen und Dänemark 11, Rußland und Nie¬
derlande 10, Griechenland 9, Spanien und Portugal 5, Frankreich fast 5
Procent, und dies sind keineswegs ausschließlich Handelsstaaten, wie die Hanse¬
städte, welche, wenn ihnen die See gesperrt wird, im Wesentlichen keine Er¬
werbsquelle mehr besitzen.

Zur Erinnerung an eine große Vergangenheit tragen Bremen und Ham¬
burg noch den officiellen Namen als Hansestädte. Glaubt man, daß die
Seemacht der Hansa ohne Geldopfer hergestellt wurde? Es trifft sich, daß
wir ziemlich genau die außerordentlichen Abgaben kennen, welche sich die
Hansestädte, um ihren ersten Seekrieg zu führen, vor einem halben Jahrtau¬
send auferlegten. Wir haben schon erwähnt, daß die Hansestädte im Jahre
1367 zu Cöln eine Konföderation zur Bekämpfung Norwegens und Däne¬
marks schlössen. In Gemäßheit des Cölner Recesses vom 11/17. No¬
vember 1367 schrieben die Seestädte zur Bestreitung der Seerüstungen ern
Pfundgeld aus, um sie sich em solches schon um Jahre 1361 auferlegt hatten-
Es sollten danach von allen zur See ausgehenden, und von allen aus dein
Vereinsauslande zur See eingehenden Waaren circa V» Procent, und von den
Schiffen '/° Procent des Werthes erhoben werden. Der Ertrag sollte dann
unter diejenigen Städte, welche Kriegsschiffe ausrüsten würden, nach der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/498>, abgerufen am 23.07.2024.