Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der in Schlesien vorherrschenden Mischung slavischen und germanischen Blutes,
und findet die Anfänge derselben schon in dem Widerstande, welchen die bres-
lauer Bischöfe des 13. Jahrhunderts, welche sämmtlich Polen gewesen seien
(der Beweis hierfür würde dem Verfasser sehr schwer fallen), gegen die deutsche
Einwanderung geleistet hätten. Doch macht .der Verfasser hier augenschein¬
lich aus sehr vereinzelten Thatsachen unrichtige Schlüsse. Die deutsche Colo-
nisation lag viel zu sehr im eigensten Interesse der Bischöfe, als daß sie derselben
hätten widerstreben sollen, und einzelne von ihnen (vor Allen Laurentius
1208--32) haben gradezu Großes in der Beförderung deutscher Landescultur
gewirkt. Daß der schlesische Klerus im Mittelalter wissenschaftlich wenig ge¬
leistet, wollen wir nicht bestreiten und ebensowenig die Engherzigkeit der bres-
lauer Domgeistlichkeit in Schutz nehmen, welche bei dem Universitätsproject
von 1505 nicht das mindeste Opfer bringen wollte; nur müssen wir bestreiten,
daß mangelnde Opferwilligkeit eine specifisch schlesische Eigenthümlichkeit wäre;
derartige Ersahrungen könnte man noch heut zu Tage aller Orten machen.
Ferner aber müssen wir auf das Entschiedenste die Art und Weise mißbilligen,
mit welcher der Verfasser (S. 8) auch den sogenannten Kolowratschen Vertrag
von 1504 als eine Wirkung des "Jnlandsschwindels" (sie!) bespricht. Dieser
Vertrag bestimmt allerdings, daß. die Wählbarkeit zum Bischof von Breslau
nur auf Individuen, welche in einem zur Krone Böhmen gehörigen Lande
geboren wären, beschränkt bleiben sollte, doch kann man es kaum als etwas
so Unerhörtes anerkennen, wenn die Schlesier verhüten wollten, daß ihnen
durch den Einfluß der Curie entweder ein Pole oder sonst ein verdienstloser,
Mit den Eigenthümlichkeiten des Landes und Volkes ganz unbekannter Aus¬
länder octroyirt würde, und andrerseits ist doch bei einer Bestimmung, welche
die Wählbarkeit aus eine solche Reihe von Ländern, Böhmen, Mähren, die
beiden Lausitzer, Schlesien, ausdehnt, schwerlich von schlestscher Exclusivität zu
Iprechen. Entschiedenes Unrecht aber hat der Verfasser darin, daß er voll¬
ständig verschweigt, obwol seine Quelle (Stengels Bisthumsurkunden) es aus¬
drücklich nachweist, wie der Hauptpunkt des Vertrages, der 'Angelpunkt der
langen durch ihn hervorgerufenen Streitigkeiten keineswegs in jenen von dem
Verfasser allein herausgehobenen Punkten liegt, sondern in dem 6. Punkte,
Welcher bestimmte, daß auch das Domkapitel angehalten werden dürfe, zu den
Lasten des Landes beizusteuern. Da kann man denn doch, wie wir meinen.
Zweifelhaft werden, wo die "Engherzigkeit" zu suchen ist, ob auf Seiten der
Schlesier, die den Vertrag schlössen, oder auf Seiten des Papstes, der ihn auf¬
hob. Daß ferner (S. 21) der schlesische einheimische Klerus und tue ein¬
heimischen Bischöfe sich gegen den Protestantismus machtlos erwiesen haben,
'se ein Tadel, der nicht schwer wiegt. "Die rechte Reaction konnte allein von
Ausländern kommen" d. h., wie gleich ausgeführt wird, von den Jesuiten,


der in Schlesien vorherrschenden Mischung slavischen und germanischen Blutes,
und findet die Anfänge derselben schon in dem Widerstande, welchen die bres-
lauer Bischöfe des 13. Jahrhunderts, welche sämmtlich Polen gewesen seien
(der Beweis hierfür würde dem Verfasser sehr schwer fallen), gegen die deutsche
Einwanderung geleistet hätten. Doch macht .der Verfasser hier augenschein¬
lich aus sehr vereinzelten Thatsachen unrichtige Schlüsse. Die deutsche Colo-
nisation lag viel zu sehr im eigensten Interesse der Bischöfe, als daß sie derselben
hätten widerstreben sollen, und einzelne von ihnen (vor Allen Laurentius
1208—32) haben gradezu Großes in der Beförderung deutscher Landescultur
gewirkt. Daß der schlesische Klerus im Mittelalter wissenschaftlich wenig ge¬
leistet, wollen wir nicht bestreiten und ebensowenig die Engherzigkeit der bres-
lauer Domgeistlichkeit in Schutz nehmen, welche bei dem Universitätsproject
von 1505 nicht das mindeste Opfer bringen wollte; nur müssen wir bestreiten,
daß mangelnde Opferwilligkeit eine specifisch schlesische Eigenthümlichkeit wäre;
derartige Ersahrungen könnte man noch heut zu Tage aller Orten machen.
Ferner aber müssen wir auf das Entschiedenste die Art und Weise mißbilligen,
mit welcher der Verfasser (S. 8) auch den sogenannten Kolowratschen Vertrag
von 1504 als eine Wirkung des „Jnlandsschwindels" (sie!) bespricht. Dieser
Vertrag bestimmt allerdings, daß. die Wählbarkeit zum Bischof von Breslau
nur auf Individuen, welche in einem zur Krone Böhmen gehörigen Lande
geboren wären, beschränkt bleiben sollte, doch kann man es kaum als etwas
so Unerhörtes anerkennen, wenn die Schlesier verhüten wollten, daß ihnen
durch den Einfluß der Curie entweder ein Pole oder sonst ein verdienstloser,
Mit den Eigenthümlichkeiten des Landes und Volkes ganz unbekannter Aus¬
länder octroyirt würde, und andrerseits ist doch bei einer Bestimmung, welche
die Wählbarkeit aus eine solche Reihe von Ländern, Böhmen, Mähren, die
beiden Lausitzer, Schlesien, ausdehnt, schwerlich von schlestscher Exclusivität zu
Iprechen. Entschiedenes Unrecht aber hat der Verfasser darin, daß er voll¬
ständig verschweigt, obwol seine Quelle (Stengels Bisthumsurkunden) es aus¬
drücklich nachweist, wie der Hauptpunkt des Vertrages, der 'Angelpunkt der
langen durch ihn hervorgerufenen Streitigkeiten keineswegs in jenen von dem
Verfasser allein herausgehobenen Punkten liegt, sondern in dem 6. Punkte,
Welcher bestimmte, daß auch das Domkapitel angehalten werden dürfe, zu den
Lasten des Landes beizusteuern. Da kann man denn doch, wie wir meinen.
Zweifelhaft werden, wo die „Engherzigkeit" zu suchen ist, ob auf Seiten der
Schlesier, die den Vertrag schlössen, oder auf Seiten des Papstes, der ihn auf¬
hob. Daß ferner (S. 21) der schlesische einheimische Klerus und tue ein¬
heimischen Bischöfe sich gegen den Protestantismus machtlos erwiesen haben,
'se ein Tadel, der nicht schwer wiegt. „Die rechte Reaction konnte allein von
Ausländern kommen" d. h., wie gleich ausgeführt wird, von den Jesuiten,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112427"/>
          <p xml:id="ID_1481" prev="#ID_1480" next="#ID_1482"> der in Schlesien vorherrschenden Mischung slavischen und germanischen Blutes,<lb/>
und findet die Anfänge derselben schon in dem Widerstande, welchen die bres-<lb/>
lauer Bischöfe des 13. Jahrhunderts, welche sämmtlich Polen gewesen seien<lb/>
(der Beweis hierfür würde dem Verfasser sehr schwer fallen), gegen die deutsche<lb/>
Einwanderung geleistet hätten.  Doch macht .der Verfasser hier augenschein¬<lb/>
lich aus sehr vereinzelten Thatsachen unrichtige Schlüsse.  Die deutsche Colo-<lb/>
nisation lag viel zu sehr im eigensten Interesse der Bischöfe, als daß sie derselben<lb/>
hätten widerstreben sollen, und einzelne von ihnen (vor Allen Laurentius<lb/>
1208&#x2014;32) haben gradezu Großes in der Beförderung deutscher Landescultur<lb/>
gewirkt.  Daß der schlesische Klerus im Mittelalter wissenschaftlich wenig ge¬<lb/>
leistet, wollen wir nicht bestreiten und ebensowenig die Engherzigkeit der bres-<lb/>
lauer Domgeistlichkeit in Schutz nehmen, welche bei dem Universitätsproject<lb/>
von 1505 nicht das mindeste Opfer bringen wollte; nur müssen wir bestreiten,<lb/>
daß mangelnde Opferwilligkeit eine specifisch schlesische Eigenthümlichkeit wäre;<lb/>
derartige Ersahrungen könnte man noch heut zu Tage aller Orten machen.<lb/>
Ferner aber müssen wir auf das Entschiedenste die Art und Weise mißbilligen,<lb/>
mit welcher der Verfasser (S. 8) auch den sogenannten Kolowratschen Vertrag<lb/>
von 1504 als eine Wirkung des &#x201E;Jnlandsschwindels" (sie!) bespricht. Dieser<lb/>
Vertrag bestimmt allerdings, daß. die Wählbarkeit zum Bischof von Breslau<lb/>
nur auf Individuen, welche in einem zur Krone Böhmen gehörigen Lande<lb/>
geboren wären, beschränkt bleiben sollte, doch kann man es kaum als etwas<lb/>
so Unerhörtes anerkennen, wenn die Schlesier verhüten wollten, daß ihnen<lb/>
durch den Einfluß der Curie entweder ein Pole oder sonst ein verdienstloser,<lb/>
Mit den Eigenthümlichkeiten des Landes und Volkes ganz unbekannter Aus¬<lb/>
länder octroyirt würde, und andrerseits ist doch bei einer Bestimmung, welche<lb/>
die Wählbarkeit aus eine solche Reihe von Ländern, Böhmen, Mähren, die<lb/>
beiden Lausitzer, Schlesien, ausdehnt, schwerlich von schlestscher Exclusivität zu<lb/>
Iprechen.  Entschiedenes Unrecht aber hat der Verfasser darin, daß er voll¬<lb/>
ständig verschweigt, obwol seine Quelle (Stengels Bisthumsurkunden) es aus¬<lb/>
drücklich nachweist, wie der Hauptpunkt des Vertrages, der 'Angelpunkt der<lb/>
langen durch ihn hervorgerufenen Streitigkeiten keineswegs in jenen von dem<lb/>
Verfasser allein herausgehobenen Punkten liegt, sondern in dem 6. Punkte,<lb/>
Welcher bestimmte, daß auch das Domkapitel angehalten werden dürfe, zu den<lb/>
Lasten des Landes beizusteuern.  Da kann man denn doch, wie wir meinen.<lb/>
Zweifelhaft werden, wo die &#x201E;Engherzigkeit" zu suchen ist, ob auf Seiten der<lb/>
Schlesier, die den Vertrag schlössen, oder auf Seiten des Papstes, der ihn auf¬<lb/>
hob.  Daß ferner (S. 21) der schlesische einheimische Klerus und tue ein¬<lb/>
heimischen Bischöfe sich gegen den Protestantismus machtlos erwiesen haben,<lb/>
'se ein Tadel, der nicht schwer wiegt. &#x201E;Die rechte Reaction konnte allein von<lb/>
Ausländern kommen" d. h., wie gleich ausgeführt wird, von den Jesuiten,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0457] der in Schlesien vorherrschenden Mischung slavischen und germanischen Blutes, und findet die Anfänge derselben schon in dem Widerstande, welchen die bres- lauer Bischöfe des 13. Jahrhunderts, welche sämmtlich Polen gewesen seien (der Beweis hierfür würde dem Verfasser sehr schwer fallen), gegen die deutsche Einwanderung geleistet hätten. Doch macht .der Verfasser hier augenschein¬ lich aus sehr vereinzelten Thatsachen unrichtige Schlüsse. Die deutsche Colo- nisation lag viel zu sehr im eigensten Interesse der Bischöfe, als daß sie derselben hätten widerstreben sollen, und einzelne von ihnen (vor Allen Laurentius 1208—32) haben gradezu Großes in der Beförderung deutscher Landescultur gewirkt. Daß der schlesische Klerus im Mittelalter wissenschaftlich wenig ge¬ leistet, wollen wir nicht bestreiten und ebensowenig die Engherzigkeit der bres- lauer Domgeistlichkeit in Schutz nehmen, welche bei dem Universitätsproject von 1505 nicht das mindeste Opfer bringen wollte; nur müssen wir bestreiten, daß mangelnde Opferwilligkeit eine specifisch schlesische Eigenthümlichkeit wäre; derartige Ersahrungen könnte man noch heut zu Tage aller Orten machen. Ferner aber müssen wir auf das Entschiedenste die Art und Weise mißbilligen, mit welcher der Verfasser (S. 8) auch den sogenannten Kolowratschen Vertrag von 1504 als eine Wirkung des „Jnlandsschwindels" (sie!) bespricht. Dieser Vertrag bestimmt allerdings, daß. die Wählbarkeit zum Bischof von Breslau nur auf Individuen, welche in einem zur Krone Böhmen gehörigen Lande geboren wären, beschränkt bleiben sollte, doch kann man es kaum als etwas so Unerhörtes anerkennen, wenn die Schlesier verhüten wollten, daß ihnen durch den Einfluß der Curie entweder ein Pole oder sonst ein verdienstloser, Mit den Eigenthümlichkeiten des Landes und Volkes ganz unbekannter Aus¬ länder octroyirt würde, und andrerseits ist doch bei einer Bestimmung, welche die Wählbarkeit aus eine solche Reihe von Ländern, Böhmen, Mähren, die beiden Lausitzer, Schlesien, ausdehnt, schwerlich von schlestscher Exclusivität zu Iprechen. Entschiedenes Unrecht aber hat der Verfasser darin, daß er voll¬ ständig verschweigt, obwol seine Quelle (Stengels Bisthumsurkunden) es aus¬ drücklich nachweist, wie der Hauptpunkt des Vertrages, der 'Angelpunkt der langen durch ihn hervorgerufenen Streitigkeiten keineswegs in jenen von dem Verfasser allein herausgehobenen Punkten liegt, sondern in dem 6. Punkte, Welcher bestimmte, daß auch das Domkapitel angehalten werden dürfe, zu den Lasten des Landes beizusteuern. Da kann man denn doch, wie wir meinen. Zweifelhaft werden, wo die „Engherzigkeit" zu suchen ist, ob auf Seiten der Schlesier, die den Vertrag schlössen, oder auf Seiten des Papstes, der ihn auf¬ hob. Daß ferner (S. 21) der schlesische einheimische Klerus und tue ein¬ heimischen Bischöfe sich gegen den Protestantismus machtlos erwiesen haben, 'se ein Tadel, der nicht schwer wiegt. „Die rechte Reaction konnte allein von Ausländern kommen" d. h., wie gleich ausgeführt wird, von den Jesuiten,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/457
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/457>, abgerufen am 22.07.2024.