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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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abgesehen von dem freundlichen Bilde, welches in Breslau die Dominsel mit
ihren Kirchen gewahrt, noch einmal ein großartiger Anblick dar. Es ist dies
ungefähr 6-/- Meile unterhalb Breslau; da umsäumt der herrlichste Eichen¬
wald den Strand des Flusses, in den Wellen spiegeln sich stolze, mit hochragenden
Thürmen geschmückte Gebäude in mächtiger Ausdehnung und den großartigsten
Verhältnissen. Es ist tres das Cisterztenferstift Leubus. das schlesische Escurial,
wie es ein Reisender der Neuzeit nennt, der auch behauptet, es wäre allgemein
anerkannt, daß man in ganz Europa kaum 3 Klöster von so kolossaler Pracht
aufzufinden vermöge. Der Glanz des sogenannten Fürstensaales, der. mit
schlesischen Marmor gepflastert, fast überladen ist mit Vergoldung und kostbarer
Stukkaturarbeit und geziert durch die werthvollen Bilder des schlesischen Ra-
phaels Wittmann, soll einst Friedrich den Großen zu der ironischen Frage
bewogen haben, ob wol die Apostel auch dergleichen Säle gehabt hätten. Jetzt
sind freilich längst die Mönche verschwunden, das Stift ward 1800 mit der
Mehrzahl der schlesischen Klöster läcularisirt, und seil 1830 besteht hier eine
großartig angelegte Irrenanstalt, während die umfangreichen Prälaturställe nebst
einigen andern Klostergebäuden seit 181? für das Königliche Provinzial-Land-
gestüt benutzt werden.

In die einstigen kümmerlichen Anfänge dieses später so mächtig empor¬
gekommenen Stiftes führt uns das obenerwähnte Buch, dessen Reichthum an
culturhistorischen Beziehungen ihm ein Interesse sichert, welches weit hinaus¬
geht über die engeren Grenzen der Provinzial- und Localgeschichte.

Wir übergehen hier die dürren Annalen, welche der geehrte Herausgeber
mit gewohnter kritischer Genauigkeit mittheilt, und bei denen es dem Historiker
durch die reichen Anmerkungen leicht gemacht ist. aus der Masse die brauch'
baren Notizen auszuscheiden; uns interessiren vor Allem die unter v. aus S-
14 abgedruckten Verse, die eine lebendige Schilderung des damaligen Z"'
Standes des Landes enthalten. Nach einer halb sagenhaften Ueberlieferung
nämlich soll das Kloster schon im 11. Jahrhunderte durch Benediciiner aus
Clugny gegründet kein, welche aber, schnell entartet, am Ende des
12. Jahrhunderts Cisterziensern aus dem thüringischen Kloster Psorte hätte"
weichen müssen, einem Orden, der sich ja überall große Verdienste um die
Hebung der Landescultur erworben. Ueberall hier in Schlesien haben sich
diese deutschen Mönche, die wir besonders seit der Zeit Herzogs Boleslaus
des Ersten (1- 1201) hier einwandern sehen, als rüstige unermüdliche Vor¬
kämpfer für die deutsche Cultur bewährt, welche dann in so kurzer Zeit das
slavische Land für Deutschland erobern sollten; aber ein tiefes Dunkel deckt
die Pfade, welche sie gegangen sind, sie, die dem Bauer den Pflug sub""


abgesehen von dem freundlichen Bilde, welches in Breslau die Dominsel mit
ihren Kirchen gewahrt, noch einmal ein großartiger Anblick dar. Es ist dies
ungefähr 6-/- Meile unterhalb Breslau; da umsäumt der herrlichste Eichen¬
wald den Strand des Flusses, in den Wellen spiegeln sich stolze, mit hochragenden
Thürmen geschmückte Gebäude in mächtiger Ausdehnung und den großartigsten
Verhältnissen. Es ist tres das Cisterztenferstift Leubus. das schlesische Escurial,
wie es ein Reisender der Neuzeit nennt, der auch behauptet, es wäre allgemein
anerkannt, daß man in ganz Europa kaum 3 Klöster von so kolossaler Pracht
aufzufinden vermöge. Der Glanz des sogenannten Fürstensaales, der. mit
schlesischen Marmor gepflastert, fast überladen ist mit Vergoldung und kostbarer
Stukkaturarbeit und geziert durch die werthvollen Bilder des schlesischen Ra-
phaels Wittmann, soll einst Friedrich den Großen zu der ironischen Frage
bewogen haben, ob wol die Apostel auch dergleichen Säle gehabt hätten. Jetzt
sind freilich längst die Mönche verschwunden, das Stift ward 1800 mit der
Mehrzahl der schlesischen Klöster läcularisirt, und seil 1830 besteht hier eine
großartig angelegte Irrenanstalt, während die umfangreichen Prälaturställe nebst
einigen andern Klostergebäuden seit 181? für das Königliche Provinzial-Land-
gestüt benutzt werden.

In die einstigen kümmerlichen Anfänge dieses später so mächtig empor¬
gekommenen Stiftes führt uns das obenerwähnte Buch, dessen Reichthum an
culturhistorischen Beziehungen ihm ein Interesse sichert, welches weit hinaus¬
geht über die engeren Grenzen der Provinzial- und Localgeschichte.

Wir übergehen hier die dürren Annalen, welche der geehrte Herausgeber
mit gewohnter kritischer Genauigkeit mittheilt, und bei denen es dem Historiker
durch die reichen Anmerkungen leicht gemacht ist. aus der Masse die brauch'
baren Notizen auszuscheiden; uns interessiren vor Allem die unter v. aus S-
14 abgedruckten Verse, die eine lebendige Schilderung des damaligen Z"'
Standes des Landes enthalten. Nach einer halb sagenhaften Ueberlieferung
nämlich soll das Kloster schon im 11. Jahrhunderte durch Benediciiner aus
Clugny gegründet kein, welche aber, schnell entartet, am Ende des
12. Jahrhunderts Cisterziensern aus dem thüringischen Kloster Psorte hätte»
weichen müssen, einem Orden, der sich ja überall große Verdienste um die
Hebung der Landescultur erworben. Ueberall hier in Schlesien haben sich
diese deutschen Mönche, die wir besonders seit der Zeit Herzogs Boleslaus
des Ersten (1- 1201) hier einwandern sehen, als rüstige unermüdliche Vor¬
kämpfer für die deutsche Cultur bewährt, welche dann in so kurzer Zeit das
slavische Land für Deutschland erobern sollten; aber ein tiefes Dunkel deckt
die Pfade, welche sie gegangen sind, sie, die dem Bauer den Pflug sub""


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[0442] abgesehen von dem freundlichen Bilde, welches in Breslau die Dominsel mit ihren Kirchen gewahrt, noch einmal ein großartiger Anblick dar. Es ist dies ungefähr 6-/- Meile unterhalb Breslau; da umsäumt der herrlichste Eichen¬ wald den Strand des Flusses, in den Wellen spiegeln sich stolze, mit hochragenden Thürmen geschmückte Gebäude in mächtiger Ausdehnung und den großartigsten Verhältnissen. Es ist tres das Cisterztenferstift Leubus. das schlesische Escurial, wie es ein Reisender der Neuzeit nennt, der auch behauptet, es wäre allgemein anerkannt, daß man in ganz Europa kaum 3 Klöster von so kolossaler Pracht aufzufinden vermöge. Der Glanz des sogenannten Fürstensaales, der. mit schlesischen Marmor gepflastert, fast überladen ist mit Vergoldung und kostbarer Stukkaturarbeit und geziert durch die werthvollen Bilder des schlesischen Ra- phaels Wittmann, soll einst Friedrich den Großen zu der ironischen Frage bewogen haben, ob wol die Apostel auch dergleichen Säle gehabt hätten. Jetzt sind freilich längst die Mönche verschwunden, das Stift ward 1800 mit der Mehrzahl der schlesischen Klöster läcularisirt, und seil 1830 besteht hier eine großartig angelegte Irrenanstalt, während die umfangreichen Prälaturställe nebst einigen andern Klostergebäuden seit 181? für das Königliche Provinzial-Land- gestüt benutzt werden. In die einstigen kümmerlichen Anfänge dieses später so mächtig empor¬ gekommenen Stiftes führt uns das obenerwähnte Buch, dessen Reichthum an culturhistorischen Beziehungen ihm ein Interesse sichert, welches weit hinaus¬ geht über die engeren Grenzen der Provinzial- und Localgeschichte. Wir übergehen hier die dürren Annalen, welche der geehrte Herausgeber mit gewohnter kritischer Genauigkeit mittheilt, und bei denen es dem Historiker durch die reichen Anmerkungen leicht gemacht ist. aus der Masse die brauch' baren Notizen auszuscheiden; uns interessiren vor Allem die unter v. aus S- 14 abgedruckten Verse, die eine lebendige Schilderung des damaligen Z"' Standes des Landes enthalten. Nach einer halb sagenhaften Ueberlieferung nämlich soll das Kloster schon im 11. Jahrhunderte durch Benediciiner aus Clugny gegründet kein, welche aber, schnell entartet, am Ende des 12. Jahrhunderts Cisterziensern aus dem thüringischen Kloster Psorte hätte» weichen müssen, einem Orden, der sich ja überall große Verdienste um die Hebung der Landescultur erworben. Ueberall hier in Schlesien haben sich diese deutschen Mönche, die wir besonders seit der Zeit Herzogs Boleslaus des Ersten (1- 1201) hier einwandern sehen, als rüstige unermüdliche Vor¬ kämpfer für die deutsche Cultur bewährt, welche dann in so kurzer Zeit das slavische Land für Deutschland erobern sollten; aber ein tiefes Dunkel deckt die Pfade, welche sie gegangen sind, sie, die dem Bauer den Pflug sub""

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/442>, abgerufen am 23.12.2024.