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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ständigen Athem. Man wußte ungefähr voraus, daß zu großen kritischen
Entscheidungen nicht einmal von sern Veranlassung geboten werden würde.
Die erregte Stimmung von 1859, der sich nur durch ein fast farbloses Statut
die mörderische Spitze hatte abbrechen lassen und die 1860 schon so weit be¬
sänftigt war, daß sie eine Art Parteinahme in der Hauptfrage wenigstens
nach vorausgegangenem Kampfe zuließ -- diese Stimmung war jetzt in dem
Grade gewichen, daß die erneuerten Lockungen der Allgemeinen Zeitung, doch
endlich mit der Farbe herauszukommen, kaum Einen mehr zu einem Antrage
der Ungeduld herausfordern konnten. Nüchtern und ruhig kam man zu¬
sammen. Niemand fürchtete, er werde durch die Anregung eines entscheiden¬
den, in die Zukunft vorausgreifenden Actes hingerissen oder abgestoßen
werden. Niemand war so sanguinisch zu hoffen, von dem 23. oder 24. August
1861 könne eine erwünschte Wendung in der schwebenden deutschen Verfassungs¬
frage datiren. Nicht allein mehr vorherrschend, wie schon vorm Jahr in Coburg,
alleinherrschend. kann man sagen, war in Heidelberg das Bewußtsein in einer
langaussehenden, unausgesetzten, ordentlichen und ernsten Arbeit begriffen zu
sein. Das Vertrauen zu der selbstgewählten Leitung war sichtlich gewachsen,
je mehr dieselbe sich kundgegeben und erprobt hatte. Die Sinne waren auf
geschäftsmäßige Erledigung von Geschäften gerichtet, und statt des flackernden
Feuers eines acuten Enthusiasmus, der die Kinderkrankheiten der Völker zu
begleiten pflegt, nahm man beinahe nur noch die minder aufdringlichen Zeichen
chronischer, stiller, in den Tiefen des Busens glühender Begeisterung wahr, die
sich mit der höchsten Nüchternheit und Ruhe wie mit einer alten Freundin ver¬
trägt. Alles was einen anders gearteten, breitern Stempel trug, was zu
verwirren und unfruchtbar aufzuregen drohte, wurde an der Schwelle schon
von dem bereiten Widerstande Aller abgewiesen. Nur in Einem Falle noch
wurde Phrase für gehaltvolle und bewußte Politik genommen, trivialer Sym-
pathicnkitzel vom Beifall der Mehreren belohnt, statt verächtlich bestraft zu wer'
den -- und das war bei einer jener deplacirten Reden, wie sie eiteln oder ehr¬
geizigen Leuten vom Munde träufelt, wenn ihnen der Stoff mangelt und doch
die Gelegenheit zu winken scheint; bei einer Rede obendrein, die nichts ent¬
schied.

Der einzige Schluß in der Verfassungsfrage, zu welchem man sich unter
Abweisung bestimmterer Vorschläge veranlaßt gefunden hat, der Beschluß!w
Sinne des Vereins auf alle vorkommenden Landtagswahlen zu wirken, be¬
darf einer gewissen Erläuterung, und hat dieselbe in dem von Brater ver¬
faßten Bericht des Ausschusses über dessen bisherige Politik gefunden. Diese
gleichsam authentische Interpretation beschränkt die Einwirkung des National¬
vereins auf die Wahlen in den verschiedenen Staaten dahin, daß sie nur die
Sicherung der einen und überall gleichen großen nationalen Angelegenheit be-


ständigen Athem. Man wußte ungefähr voraus, daß zu großen kritischen
Entscheidungen nicht einmal von sern Veranlassung geboten werden würde.
Die erregte Stimmung von 1859, der sich nur durch ein fast farbloses Statut
die mörderische Spitze hatte abbrechen lassen und die 1860 schon so weit be¬
sänftigt war, daß sie eine Art Parteinahme in der Hauptfrage wenigstens
nach vorausgegangenem Kampfe zuließ — diese Stimmung war jetzt in dem
Grade gewichen, daß die erneuerten Lockungen der Allgemeinen Zeitung, doch
endlich mit der Farbe herauszukommen, kaum Einen mehr zu einem Antrage
der Ungeduld herausfordern konnten. Nüchtern und ruhig kam man zu¬
sammen. Niemand fürchtete, er werde durch die Anregung eines entscheiden¬
den, in die Zukunft vorausgreifenden Actes hingerissen oder abgestoßen
werden. Niemand war so sanguinisch zu hoffen, von dem 23. oder 24. August
1861 könne eine erwünschte Wendung in der schwebenden deutschen Verfassungs¬
frage datiren. Nicht allein mehr vorherrschend, wie schon vorm Jahr in Coburg,
alleinherrschend. kann man sagen, war in Heidelberg das Bewußtsein in einer
langaussehenden, unausgesetzten, ordentlichen und ernsten Arbeit begriffen zu
sein. Das Vertrauen zu der selbstgewählten Leitung war sichtlich gewachsen,
je mehr dieselbe sich kundgegeben und erprobt hatte. Die Sinne waren auf
geschäftsmäßige Erledigung von Geschäften gerichtet, und statt des flackernden
Feuers eines acuten Enthusiasmus, der die Kinderkrankheiten der Völker zu
begleiten pflegt, nahm man beinahe nur noch die minder aufdringlichen Zeichen
chronischer, stiller, in den Tiefen des Busens glühender Begeisterung wahr, die
sich mit der höchsten Nüchternheit und Ruhe wie mit einer alten Freundin ver¬
trägt. Alles was einen anders gearteten, breitern Stempel trug, was zu
verwirren und unfruchtbar aufzuregen drohte, wurde an der Schwelle schon
von dem bereiten Widerstande Aller abgewiesen. Nur in Einem Falle noch
wurde Phrase für gehaltvolle und bewußte Politik genommen, trivialer Sym-
pathicnkitzel vom Beifall der Mehreren belohnt, statt verächtlich bestraft zu wer'
den — und das war bei einer jener deplacirten Reden, wie sie eiteln oder ehr¬
geizigen Leuten vom Munde träufelt, wenn ihnen der Stoff mangelt und doch
die Gelegenheit zu winken scheint; bei einer Rede obendrein, die nichts ent¬
schied.

Der einzige Schluß in der Verfassungsfrage, zu welchem man sich unter
Abweisung bestimmterer Vorschläge veranlaßt gefunden hat, der Beschluß!w
Sinne des Vereins auf alle vorkommenden Landtagswahlen zu wirken, be¬
darf einer gewissen Erläuterung, und hat dieselbe in dem von Brater ver¬
faßten Bericht des Ausschusses über dessen bisherige Politik gefunden. Diese
gleichsam authentische Interpretation beschränkt die Einwirkung des National¬
vereins auf die Wahlen in den verschiedenen Staaten dahin, daß sie nur die
Sicherung der einen und überall gleichen großen nationalen Angelegenheit be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/430>, abgerufen am 23.12.2024.