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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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lig einen sehr niedrigen Cours haben und daß nach jahrelanger Versäumniß
die Gegenwart Handlungen verlangt. Mögen sie auch die Achtung des übrigen
Deutschlands nicht zu gering anschlagen; nur dem Wohlwollen, welches den
Städten bisher entgegengetragen ist, verdanken sie vielfache günstige Gestal¬
tungen ihrer politischen Existenz.

Wenn die Regierungsgewalten in jener beschränkten Selbstsucht, die dem
Particularpatriotismus eigenthümlich ist, die Herstellung einer Schraubenbootflo-
tille etwa so lange hinausschieben wollten, bis sich vielleicht noch ein baarer
Profit dabei ergäbe, so mögen die reichen Handelsherren Hamburgs und Bre¬
mens, welche über Millionen verfügen, zusammentreten und durch freiwillige
Zeichnung die Reichthumspolitiker des Gemeinwesens beschämen.

Es mag später der Verständigungen, der Verhandlungen. Protocolle und
Verträge bedürfen, zunächst und bald bedarf es der Thatsache, daß an den
Küsten der Nordsee Schraubenschiffe wirklich im Bau befindlich sind.




Die Gefahren eines Rheinbundes.

Wir haben schon mehrmals unsere Freunde in Berlin erinnert, daß es in
diesem Augenblick ernsthaftere Fragen für Preußen gibt, als die Frage Patzke.
Sticber. Schillercomitv u. f. w.; wir kommen auch heute in Bezug auf die
bekannten Aeußerungen des Königs von Würtemberg darauf zurück. Die
Sache ist viel ernster, als man sie zu nehmen scheint.

Vor zwei Jahren prophezeihte alle Welt den zunächst zu erwartenden Ein¬
zug der Franzosen in die Rheinprovinz. Er ist nicht erfolgt, und je fester
man vorher davon überzeugt war, desto schläfriger betrachtet man die früher
'so sehr gefürchtete Gefahr; sie klingt nur noch wie eine halb vergessene Sage.
Daß Napoleon einmal gesagt haben soll, Frankreich wäre leicht zu regieren,
wenn man ihm nur alle drei Jahre einen hübschen Krieg gäbe, erwähnt
man nur noch als Anekdote. Wie es sich auch mit dieser Aeußerung verhalte,
sie drückt das SachvertMniß aus. Ein unausgesetzter Krieg, wie ihn der
große Napoleon führte, ruinirt Frankreich; aber in drei Jahren läßt sich die
Armee wieder gehörig in Ordnung bringen, und wenn man dann schnell der
Nation einigen Ruhm, womöglich einige Beute verschaffen kann, schnell und
ohne erhebliche Gefahr, so befestigt man dadurch allerdings die Dynastie bes¬
ser als durch jedes andere Mittel. Sehen wir uns um. ob die gegenwärtige
Lage Deutschlands nicht von der Art ist. dem Thätigkeitstrieb unseres ebenso


Grenzboten III. 1361. 5

lig einen sehr niedrigen Cours haben und daß nach jahrelanger Versäumniß
die Gegenwart Handlungen verlangt. Mögen sie auch die Achtung des übrigen
Deutschlands nicht zu gering anschlagen; nur dem Wohlwollen, welches den
Städten bisher entgegengetragen ist, verdanken sie vielfache günstige Gestal¬
tungen ihrer politischen Existenz.

Wenn die Regierungsgewalten in jener beschränkten Selbstsucht, die dem
Particularpatriotismus eigenthümlich ist, die Herstellung einer Schraubenbootflo-
tille etwa so lange hinausschieben wollten, bis sich vielleicht noch ein baarer
Profit dabei ergäbe, so mögen die reichen Handelsherren Hamburgs und Bre¬
mens, welche über Millionen verfügen, zusammentreten und durch freiwillige
Zeichnung die Reichthumspolitiker des Gemeinwesens beschämen.

Es mag später der Verständigungen, der Verhandlungen. Protocolle und
Verträge bedürfen, zunächst und bald bedarf es der Thatsache, daß an den
Küsten der Nordsee Schraubenschiffe wirklich im Bau befindlich sind.




Die Gefahren eines Rheinbundes.

Wir haben schon mehrmals unsere Freunde in Berlin erinnert, daß es in
diesem Augenblick ernsthaftere Fragen für Preußen gibt, als die Frage Patzke.
Sticber. Schillercomitv u. f. w.; wir kommen auch heute in Bezug auf die
bekannten Aeußerungen des Königs von Würtemberg darauf zurück. Die
Sache ist viel ernster, als man sie zu nehmen scheint.

Vor zwei Jahren prophezeihte alle Welt den zunächst zu erwartenden Ein¬
zug der Franzosen in die Rheinprovinz. Er ist nicht erfolgt, und je fester
man vorher davon überzeugt war, desto schläfriger betrachtet man die früher
'so sehr gefürchtete Gefahr; sie klingt nur noch wie eine halb vergessene Sage.
Daß Napoleon einmal gesagt haben soll, Frankreich wäre leicht zu regieren,
wenn man ihm nur alle drei Jahre einen hübschen Krieg gäbe, erwähnt
man nur noch als Anekdote. Wie es sich auch mit dieser Aeußerung verhalte,
sie drückt das SachvertMniß aus. Ein unausgesetzter Krieg, wie ihn der
große Napoleon führte, ruinirt Frankreich; aber in drei Jahren läßt sich die
Armee wieder gehörig in Ordnung bringen, und wenn man dann schnell der
Nation einigen Ruhm, womöglich einige Beute verschaffen kann, schnell und
ohne erhebliche Gefahr, so befestigt man dadurch allerdings die Dynastie bes¬
ser als durch jedes andere Mittel. Sehen wir uns um. ob die gegenwärtige
Lage Deutschlands nicht von der Art ist. dem Thätigkeitstrieb unseres ebenso


Grenzboten III. 1361. 5
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/43>, abgerufen am 13.11.2024.