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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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sie. was die Qualität anbetraf, ihren Vorbildern, den Ingenieuren, ziemlich
nahe, da das Arsenal, obschon unbestreitbar eine architektonische Sehenswür¬
digkeit, doch zahlreiche Mängel besitzt. Für einige Zwecke zu groß, für andere
zu klein, zu stark und kostspielig, um als eine nur gegen einen Pöbelauflauf
bestimmte Befestigung zu gelten, und widerstandslos gegen die Angriffe
einer regulären Truppe, schön und großartig in der Hauptanlagc. aber un¬
harmonisch und schleuderisch in vielen Details, und schon jetzt häufiger und
umfassender Reparaturen bedürftig, ist das Arsenal ein treues Bild der damaligen
Regierung, eine Sache nach augenblicklichem Effect haschend, aber ohne Ueberein¬
stimmung und von dem ursprünglichen Plane vielfach ohne Grund abweichend.

Endlich bleibt noch die Verwaltung der Militärgrenze zu betrachten.
Dieselbe vertritt in jenem ganz militärisch organisirten Lande die Stelle aller
administrativen Civilbehörden, erhebt und verrechnet die einlaufenden Steuern
und Zölle, verwaltet die dem Staate angehörenden Forsten und übt mit den
Truppencommandanten vereint auch die richterliche Gewalt aus. Ist auch
der Schaden, welchen diese Branche dem Staatsschatze zufügt, nicht bedeu¬
tend und jetzt nicht mehr fühlbar, da man schon längst darauf verzichtet hat,
aus der Militärgrenze ein Einkommen zu erhalten, und froh ist, nicht allzu¬
viel aufzahlen zu müssen: so hat doch die Bevölkerung desto mehr darunter
zu leiden, da die ausübenden Organe in ihren Bezirken mit derselben, ja
noch größerer Habsucht und Willkür schalten, als weiland die Amtmänner
und Verwalter auf den Besitzungen deutscher Grundherren. Auch ist kein
Zweifel, daß die Forstwirthschaft und der theilweise ebenfalls in das Gebiet
der Grenzverwaltung fallende Salinenbetrieb unter einer bessern Verwaltung
bedeutend gehoben und namhafte Ueberschüsse erzielt werden könnten. Da
übrigens das ganze Grenzinstitut durch seine andern Nachtheile längst unhalt¬
bar geworden ist. und demnächst gänzlich aufgehoben oder wenigstens gründ¬
lich reformirt werden muß. so steht auch das baldige Ende des Treibens der
Grenzverwaltung in Aussicht.

In der zweiten Reihe dürfte das Remontirungs- und Gestütswesen den
ersten Platz einnehmen und obschon von demselben weniger gegen die Staats¬
kasse, als gegen die Landleute und Pferdezüchter gesündigt wird, so ist ein
Posten bei einem Gestüt oder Beschäldepartement (diese heißen jetzt Hengsten¬
depots) immer eine Stelle, auf der sich nach dem Volksausdrucke "etwas machen
läßt". Dann kommen tue Spitäler, das Fuhrwesen. Fleischregie, und Me-
dicamentendepot u. s. w. und selbst die Platzcommanden und Werbbezirksta-
lwnen lassen den bei ihnen Bediensteten einige Sporteln zu, und es gilt hier
""gemein der Grundsatz: "Wenn's nicht regnet, tröpfelt's doch." Allein diese
Uebelstände finden sich fast überall, sind vergleichsweise auch nur gering und
verdienen daher weiter keine Erörterung.


sie. was die Qualität anbetraf, ihren Vorbildern, den Ingenieuren, ziemlich
nahe, da das Arsenal, obschon unbestreitbar eine architektonische Sehenswür¬
digkeit, doch zahlreiche Mängel besitzt. Für einige Zwecke zu groß, für andere
zu klein, zu stark und kostspielig, um als eine nur gegen einen Pöbelauflauf
bestimmte Befestigung zu gelten, und widerstandslos gegen die Angriffe
einer regulären Truppe, schön und großartig in der Hauptanlagc. aber un¬
harmonisch und schleuderisch in vielen Details, und schon jetzt häufiger und
umfassender Reparaturen bedürftig, ist das Arsenal ein treues Bild der damaligen
Regierung, eine Sache nach augenblicklichem Effect haschend, aber ohne Ueberein¬
stimmung und von dem ursprünglichen Plane vielfach ohne Grund abweichend.

Endlich bleibt noch die Verwaltung der Militärgrenze zu betrachten.
Dieselbe vertritt in jenem ganz militärisch organisirten Lande die Stelle aller
administrativen Civilbehörden, erhebt und verrechnet die einlaufenden Steuern
und Zölle, verwaltet die dem Staate angehörenden Forsten und übt mit den
Truppencommandanten vereint auch die richterliche Gewalt aus. Ist auch
der Schaden, welchen diese Branche dem Staatsschatze zufügt, nicht bedeu¬
tend und jetzt nicht mehr fühlbar, da man schon längst darauf verzichtet hat,
aus der Militärgrenze ein Einkommen zu erhalten, und froh ist, nicht allzu¬
viel aufzahlen zu müssen: so hat doch die Bevölkerung desto mehr darunter
zu leiden, da die ausübenden Organe in ihren Bezirken mit derselben, ja
noch größerer Habsucht und Willkür schalten, als weiland die Amtmänner
und Verwalter auf den Besitzungen deutscher Grundherren. Auch ist kein
Zweifel, daß die Forstwirthschaft und der theilweise ebenfalls in das Gebiet
der Grenzverwaltung fallende Salinenbetrieb unter einer bessern Verwaltung
bedeutend gehoben und namhafte Ueberschüsse erzielt werden könnten. Da
übrigens das ganze Grenzinstitut durch seine andern Nachtheile längst unhalt¬
bar geworden ist. und demnächst gänzlich aufgehoben oder wenigstens gründ¬
lich reformirt werden muß. so steht auch das baldige Ende des Treibens der
Grenzverwaltung in Aussicht.

In der zweiten Reihe dürfte das Remontirungs- und Gestütswesen den
ersten Platz einnehmen und obschon von demselben weniger gegen die Staats¬
kasse, als gegen die Landleute und Pferdezüchter gesündigt wird, so ist ein
Posten bei einem Gestüt oder Beschäldepartement (diese heißen jetzt Hengsten¬
depots) immer eine Stelle, auf der sich nach dem Volksausdrucke „etwas machen
läßt". Dann kommen tue Spitäler, das Fuhrwesen. Fleischregie, und Me-
dicamentendepot u. s. w. und selbst die Platzcommanden und Werbbezirksta-
lwnen lassen den bei ihnen Bediensteten einige Sporteln zu, und es gilt hier
«»gemein der Grundsatz: „Wenn's nicht regnet, tröpfelt's doch." Allein diese
Uebelstände finden sich fast überall, sind vergleichsweise auch nur gering und
verdienen daher weiter keine Erörterung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/423>, abgerufen am 26.08.2024.