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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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die Zusammensetzung der Gewehre, Handwaffen. Lafetten und Fuhrwerke, auf
die Anfertigung der Munition, auf die Erzeugung der Geschützrohre. Bleiku¬
geln, Raketen und einiger anderer Gegenstände und auf die Herstellung aller
Reparaturen, welche Eintheilung wirklich die zweckmüßigste zu sein scheint.

Da aber die Zeugartillerie eigentlich unter gar keiner Controle steht,
die das Geld anweisenden und den richtigen Abschluß der Rechnungen prü¬
fenden Kricgscommissare keine Kenntnisse im Artilleriewcsen besitzen, der Hand-
eintauf mehrfach gestattet ist und die Qualität der erzeugten Gegenstände,
sowie die vorgenommenen Reparaturen nicht genügend untersucht werden, so
fehlt es nicht an zahlreichen größern und kleinern Betrügereien, und es sind
halbvermorschte, aber neu angestrichene und sür neu geltende Lafetten, Ge¬
wichtsabgänge, "unvermuthete Unbrcmchbarwerdung" der Munition und ähn¬
liche Dinge keine Seltenheit. Auch hier stehen die früher genannten Provinzen
obenan, und es fanden erst <n der letzten Zeit die Offiziere der Feldartillerie,
als die Besatzung der Küstenplätze verstärkt wurde, einen großen Theil der
vorhandenen Geschütze und deren Zubehör vollkommen unbrauchbar.

Doch sind die auf solche Weise veranlaßten Verluste nicht übermüßig
und könnten durch eine verbesserte und strengere Controle günzlich vermieden
werden. Nur dort, wo größere Erzeugungen in eigener Regie stattfinden,
so z. B. im Arsenal in Wien, wird die Sache bedenklicher und es bewährt
sich abermals der Satz: "daß der Staat der schlechteste Erzeuger und Ver¬
walter sei." Bei der Abtheilung in Wiener-Neustadt, wo sich die Raketen¬
fabrik befindet, kommt noch der Umstand hinzu daß dieser Verwaltungszweig
gesetzlich von jeder Controle befreit ist und sogar eine geheime Rechnung ab¬
legt, damit das Raketengeheimniß nicht verrathen werde! Diese Sache steht
gewiß ohne Beispiel da, wurde aber von dem verstorbenen General Augustin.
welcher bekanntlich die Raketen in Oestreich einführte und mit besonderer
Vorliebe pflegte, in dieser Weise arrangirt und dürste erst in einiger Zeit ein
Ende nehmen.

Dieser General regte auch zuerst die Idee zur Erbauung des bekannten
Arsenals bei Wien an und setzte es durch, daß dieser Bau der Artillerie
übertragen wurde. Man mochte eine gewisse Scheu vor dem Treiben der In¬
genieure haben und einmal mit einer andern Kaste einen Versuch machen
wollen. Nach kaum anderthalb Jahren wurden ein General und mehrere
Offiziere arger Unterschleife wegen pensionirt, entlassen oder wenigstens
von dem Baue entfernt, und auch später traten aus dem gleichen Anlasse
mehrere Personalveränderungen ein, aber dennoch wurde das Arsenal
um eine Summe hergestellt, welche von dem ausgeworfenen Maximum nur
wenig differirte. Entweder war hier wirklich eine größere Gewissenhaftigkeit,
oder es fehlte den guten Leuten nur an der nöthigen Routine. Doch kamen


die Zusammensetzung der Gewehre, Handwaffen. Lafetten und Fuhrwerke, auf
die Anfertigung der Munition, auf die Erzeugung der Geschützrohre. Bleiku¬
geln, Raketen und einiger anderer Gegenstände und auf die Herstellung aller
Reparaturen, welche Eintheilung wirklich die zweckmüßigste zu sein scheint.

Da aber die Zeugartillerie eigentlich unter gar keiner Controle steht,
die das Geld anweisenden und den richtigen Abschluß der Rechnungen prü¬
fenden Kricgscommissare keine Kenntnisse im Artilleriewcsen besitzen, der Hand-
eintauf mehrfach gestattet ist und die Qualität der erzeugten Gegenstände,
sowie die vorgenommenen Reparaturen nicht genügend untersucht werden, so
fehlt es nicht an zahlreichen größern und kleinern Betrügereien, und es sind
halbvermorschte, aber neu angestrichene und sür neu geltende Lafetten, Ge¬
wichtsabgänge, „unvermuthete Unbrcmchbarwerdung" der Munition und ähn¬
liche Dinge keine Seltenheit. Auch hier stehen die früher genannten Provinzen
obenan, und es fanden erst <n der letzten Zeit die Offiziere der Feldartillerie,
als die Besatzung der Küstenplätze verstärkt wurde, einen großen Theil der
vorhandenen Geschütze und deren Zubehör vollkommen unbrauchbar.

Doch sind die auf solche Weise veranlaßten Verluste nicht übermüßig
und könnten durch eine verbesserte und strengere Controle günzlich vermieden
werden. Nur dort, wo größere Erzeugungen in eigener Regie stattfinden,
so z. B. im Arsenal in Wien, wird die Sache bedenklicher und es bewährt
sich abermals der Satz: „daß der Staat der schlechteste Erzeuger und Ver¬
walter sei." Bei der Abtheilung in Wiener-Neustadt, wo sich die Raketen¬
fabrik befindet, kommt noch der Umstand hinzu daß dieser Verwaltungszweig
gesetzlich von jeder Controle befreit ist und sogar eine geheime Rechnung ab¬
legt, damit das Raketengeheimniß nicht verrathen werde! Diese Sache steht
gewiß ohne Beispiel da, wurde aber von dem verstorbenen General Augustin.
welcher bekanntlich die Raketen in Oestreich einführte und mit besonderer
Vorliebe pflegte, in dieser Weise arrangirt und dürste erst in einiger Zeit ein
Ende nehmen.

Dieser General regte auch zuerst die Idee zur Erbauung des bekannten
Arsenals bei Wien an und setzte es durch, daß dieser Bau der Artillerie
übertragen wurde. Man mochte eine gewisse Scheu vor dem Treiben der In¬
genieure haben und einmal mit einer andern Kaste einen Versuch machen
wollen. Nach kaum anderthalb Jahren wurden ein General und mehrere
Offiziere arger Unterschleife wegen pensionirt, entlassen oder wenigstens
von dem Baue entfernt, und auch später traten aus dem gleichen Anlasse
mehrere Personalveränderungen ein, aber dennoch wurde das Arsenal
um eine Summe hergestellt, welche von dem ausgeworfenen Maximum nur
wenig differirte. Entweder war hier wirklich eine größere Gewissenhaftigkeit,
oder es fehlte den guten Leuten nur an der nöthigen Routine. Doch kamen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/422>, abgerufen am 26.08.2024.