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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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bewahrungsotten ruhig liegen. Die Lieferung wird hierauf ausgeschrieben
und bald muh C. berichten, daß die benöthigte Quantität Heu in Agram
unter keiner Bedingung zu erhalten sei, worauf auch an die nächstgelegenen
Vcrpflcgsmagaziue Anfragen "über dieses unliebsame Vorkommniß" gerichtet,
jedoch in ähnlicher Weise beantwortet werden. Da erscheint E. als rettender
vous ex maekina,, erbietet sich dazu, das Heu noch unter dem bewilligten
Mittelpreise zu liefern und verlangt nur eine unbedeutende Entschädigung für
den weiten Transport, was bei der Größe der Lieferung immerhin einige
tausend Gulden ausmacht, jedoch "wegen der Dringlichkeit des!Falles" sofort
bewilligt wird. E. läßt nun ganz gemüthlich das Heu aus seinen Scheunen in
die gerade daneben befindlichen ärarischen Magazin etragen, streicht seinen Gewinn
ein und überschickt an D., C. und B. einige ganz artige Cadeau's, wovon
natürlich dem im Landes-Generalcommcmdo befindlichen Referenten A. für die
erste Avifirung und eifrige Unterstützung der ganzen Sache ein Löwenantheil
zugemessen wird. Die Lieferanten spielen überhaupt in dem ganzen öst¬
reichischen Militärvcrwaltungswesen eine wichtige Rolle und der Proceß "Ey-
natten-Richter" hat manche, jedoch bei Weitem nicht die dunkelsten Partien
enthüllt. Gewöhnlich sind die Bedingungen der Lieferungscontracte so beschaffen,
daß ein dieselben ehrlich erfüllender Mann unmöglich einen Gewinn erzielen
könnte, ja froh sein müßte, wenn nur seine eigenen Auslagen gedeckt würden.
Und auch dieses könnte nur dann geschehen, wenn er die übernehmenden Beamten
auf seine Seite gebracht hätte, da im Gegentheile selbst die beste, allen
Bedingungen entsprechende Waare als fehlerhaft oder doch bedenklich zurück¬
gewiesen würde, bis nicht ein vielbeoeutender Händedruck des Lieferanten alle
Zweifel beseitigt hätte. Dann aber könnte nicht leicht ein Artikel schlecht genug
sein, um die Nichtannahme befürchten zu dürfen.

So wird fast jeder Lieferant im Vorhinein zur Entrichtung eines besonderen
Tributes gezwungen, und man bezeichnet diese Anbahnung eines gegenseitigen
Einverständnisses mit dem technischen Ausdrucke "mürbe machen". Da aber
trotzdem die meisten Lieferanten reich und die Beamten mindestens vermögend
werden, so kann man leicht ermessen, wie sehr die Qualität und Quantität
der zu liefernden Artikel bei einem solchen Verfahren leiden müssen. Rechnungs-
sälschungen und directe Betrügereien oder Diebstühle größerer Art kommen zwar
jetzt, Dank dem genaueren Rechnungswesen, nur selten vor; aber es gibt außer
den angeführten noch mehrere andere Wege, indirect auf Kosten des Staats¬
schatzes oder der Truppen sich zu bereichern. Nur dem untergeordneten
Personal wird, um es dafür zu entschädigen, daß es bei den Lieserungs-
geschäften höchstens mit einigen Brocken abgefertigt wird, eine oft sehr be¬
deutende Verschleppung und Benutzung der vorhandenen Vorräthe gestattet.
Nur selten werden Uebertretungen dieser Art ernstlich gestraft und durch ein-


bewahrungsotten ruhig liegen. Die Lieferung wird hierauf ausgeschrieben
und bald muh C. berichten, daß die benöthigte Quantität Heu in Agram
unter keiner Bedingung zu erhalten sei, worauf auch an die nächstgelegenen
Vcrpflcgsmagaziue Anfragen „über dieses unliebsame Vorkommniß" gerichtet,
jedoch in ähnlicher Weise beantwortet werden. Da erscheint E. als rettender
vous ex maekina,, erbietet sich dazu, das Heu noch unter dem bewilligten
Mittelpreise zu liefern und verlangt nur eine unbedeutende Entschädigung für
den weiten Transport, was bei der Größe der Lieferung immerhin einige
tausend Gulden ausmacht, jedoch „wegen der Dringlichkeit des!Falles" sofort
bewilligt wird. E. läßt nun ganz gemüthlich das Heu aus seinen Scheunen in
die gerade daneben befindlichen ärarischen Magazin etragen, streicht seinen Gewinn
ein und überschickt an D., C. und B. einige ganz artige Cadeau's, wovon
natürlich dem im Landes-Generalcommcmdo befindlichen Referenten A. für die
erste Avifirung und eifrige Unterstützung der ganzen Sache ein Löwenantheil
zugemessen wird. Die Lieferanten spielen überhaupt in dem ganzen öst¬
reichischen Militärvcrwaltungswesen eine wichtige Rolle und der Proceß „Ey-
natten-Richter" hat manche, jedoch bei Weitem nicht die dunkelsten Partien
enthüllt. Gewöhnlich sind die Bedingungen der Lieferungscontracte so beschaffen,
daß ein dieselben ehrlich erfüllender Mann unmöglich einen Gewinn erzielen
könnte, ja froh sein müßte, wenn nur seine eigenen Auslagen gedeckt würden.
Und auch dieses könnte nur dann geschehen, wenn er die übernehmenden Beamten
auf seine Seite gebracht hätte, da im Gegentheile selbst die beste, allen
Bedingungen entsprechende Waare als fehlerhaft oder doch bedenklich zurück¬
gewiesen würde, bis nicht ein vielbeoeutender Händedruck des Lieferanten alle
Zweifel beseitigt hätte. Dann aber könnte nicht leicht ein Artikel schlecht genug
sein, um die Nichtannahme befürchten zu dürfen.

So wird fast jeder Lieferant im Vorhinein zur Entrichtung eines besonderen
Tributes gezwungen, und man bezeichnet diese Anbahnung eines gegenseitigen
Einverständnisses mit dem technischen Ausdrucke „mürbe machen". Da aber
trotzdem die meisten Lieferanten reich und die Beamten mindestens vermögend
werden, so kann man leicht ermessen, wie sehr die Qualität und Quantität
der zu liefernden Artikel bei einem solchen Verfahren leiden müssen. Rechnungs-
sälschungen und directe Betrügereien oder Diebstühle größerer Art kommen zwar
jetzt, Dank dem genaueren Rechnungswesen, nur selten vor; aber es gibt außer
den angeführten noch mehrere andere Wege, indirect auf Kosten des Staats¬
schatzes oder der Truppen sich zu bereichern. Nur dem untergeordneten
Personal wird, um es dafür zu entschädigen, daß es bei den Lieserungs-
geschäften höchstens mit einigen Brocken abgefertigt wird, eine oft sehr be¬
deutende Verschleppung und Benutzung der vorhandenen Vorräthe gestattet.
Nur selten werden Uebertretungen dieser Art ernstlich gestraft und durch ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/414>, abgerufen am 23.12.2024.